Ost-West und Süd-Nord

Ungesunder Lebensstil teilt Deutschland

Wie gesund Bundesbürger leben, hängt offenbar auch davon ab, wo sie leben. Die Faktoren ungesunden Lebensstils sind in Deutschland unterschiedlich verteilt. Der Osten schneidet keineswegs nur schlecht ab.

Robert Bublak Veröffentlicht: | aktualisiert:
Alkohol, Rauchen, aber auch mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung: Jetzt liegen detaillierte Infos zu den Gewohnheiten in Deutschland vor.

Alkohol, Rauchen, aber auch mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung: Jetzt liegen detaillierte Infos zu den Gewohnheiten in Deutschland vor.

© Sven Weber / stock.adobe.com

München. Zu den Kennzeichen eines der Gesundheit abträglichen Lebensstils zählen ja Rauchen, ungesunde Ernährung, riskanter Alkoholkonsum und mangelnde Bewegung. Wie sich diese vier Faktoren über das Land verteilen, haben Forscher um Josefine Atzendorf vom MPI für Sozialrecht und Sozialpolitik in München untersucht (BMC Public Health 2020; 20:277).

Die Forscher nahmen dabei eine zweifache deutsche Teilung vor: Verglichen wurden in einer repräsentativen Stichprobe von mehr als 9000 Bürgern nicht nur Ost und West, sondern auch Nord und Süd. Mit Ausnahme von Berlin, das nur dem Norden beigezählt wurde, waren alle Bundesländer in einer Doppelrolle vertreten:

  • Brandenburg: Norden und Osten,
  • Mecklenburg-Vorpommern: Norden und Osten,
  • Sachsen-Anhalt: Norden und Osten,
  • Schleswig-Holstein: Norden und Westen,
  • Bremen: Norden und Westen,
  • Hamburg: Norden und Westen,
  • Niedersachsen: Norden und Westen,
  • Nordrhein-Westfalen: Norden und Westen,
  • Baden-Württemberg: Süden und Westen,
  • Bayern: Süden und Westen,
  • Hessen: Süden und Westen,
  • Rheinland-Pfalz: Süden und Westen,
  • Saarland: Süden und Westen,
  • Sachsen: Süden und Osten,
  • Thüringen: Süden und Osten.

Rauchen (definiert als mindestens eine Zigarette, Zigarre oder Pfeife täglich) war ziemlich gleichmäßig übers Land verteilt, die Anteile betrugen zwischen 17,4 Prozent (Süden) und 19,6 Prozent (Norden) der Bevölkerung. Die Unterschiede fielen statistisch nicht ins Gewicht.

Auch was mangelnde Bewegung betraf, gab es keine signifikanten regionalen Differenzen. Die Anteile der Menschen, die sich an fünf Tagen der Woche weniger als 30 Minuten täglich bewegten, lagen zwischen 82,3 Prozent im Süden und 82,9 Prozent im Norden. West und Ost gruppierten sich jeweils mit minimalen Abweichungen dazwischen, ein Ost-West- oder Süd-Nord-Gefälle bestand bei keinem der Parameter Rauchen und Bewegung.

Vielschichtiger waren die Ergebnisse beim Thema Alkohol. Als riskant galt per definitionem der Konsum durchschnittlicher Tagesrationen von mindestens 12 g für Frauen und 24 g für Männer. Umgerechnet wären das 300 ml Bier (Alkoholgehalt 5%) für Frauen und 600 ml für Männer, wahlweise ein oder zwei doppelte Schnäpse.

Hier lag der Osten an der Spitze, der Anteil von Risikotrinkerinnen und -trinkern erreichte 18,3 Prozent gegenüber 14,6 Prozent im Westen. Auch ein Süd-Nord-Gefälle machte sich bemerkbar, mit 16,7 Prozent vs. 13,9 Prozent. Die Unterschiede waren statistisch bedeutsam.

Zur Ernährung wurde der Konsum unter anderem von fettarmen Milchprodukten, Rohgemüse, Salat und Zerealien je nach Häufigkeit auf ein Punktekonto verbucht und ein einschlägiger Index erstellt. Es ergab sich ein markanter Ost-West-Unterschied.

Demnach ernährten sich die in der Stichprobe vertretenen Menschen in den östlichen Landesteilen der Republik gesünder oder zumindest weniger ungesund als die Menschen im Westen. Als ungesunde Esser galten 66,7 Prozent im Osten und 70,6 Prozent im Westen. Süd und Nord (69,4 vs. 70,4 Prozent ) hingegen glichen einander.

Forscher ziehen zwei wesentliche Schlüsse

Weibliches Geschlecht war in allen Auswertungen mit einer Neigung zu gesünderem Verhalten assoziiert, sieht man einmal vom Mangel an sportlicher Aktivität ab. Menschen mit höherer Bildung rauchten zwar weniger; dafür waren es gerade die Gebildeten, die beim Alkoholkonsum Glas und Flasche hochhielten. Auch körperlicher Bewegung waren Personen mit höherem Bildungsstand eher abhold.

Atzendorf und Mitarbeiter ziehen im Wesentlichen zwei Schlüsse aus ihren Befunden.

Erstens: „Für Maßnahmen, riskanten Alkoholkonsum in Deutschland zu reduzieren, sollte der hier belegte Ost-West- und Süd-Nord-Gradient ins Kalkül gezogen werden.“

Zweitens: „Die Prävalenz ungesunder Ernährungsweise ist allgemein dermaßen hoch, dass mit Blick auf Prävention und Intervention das Land als Ganzes in den Fokus gestellt werden sollte, und nicht spezifische Regionen.“ Letzteres gelte auch fürs Rauchen und fehlende körperliche Bewegung.

Mehr zum Thema

Kommentar

Alarmstufe rot in der Notaufnahme

Glosse

Die Duftmarke: Frühlingserwachen

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Stigmatisierung von Depressionen

© Getty Images/iStockphoto

Häufige Vorurteile

Stigmatisierung von Depressionen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Antikörper macht‘s möglich

Zähne einfach nachwachsen lassen – wie beim Hai?

Digitalisierung und Medikamente

Apotheker entwickelt eigene E-Rezept-App

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer