Zurück zur Natur

Welche Pflanze hilft gegen welche Krankheit?

Sauerampfer vertreibt Spulwürmer, und Knoblauch ist gut gegen Läuse: Früher wussten die Menschen, welche Pflanze welches Leiden heilt. Der Botanische Garten in Mainz hat diese Tradition wiedererweckt.

Von Peter Zschunke Veröffentlicht:
"Ich versuche, den Menschen die Augen zu öffnen": Ralf Omlor will im Botanischen Garten in Mainz, den Menschen die Heilwirkung von Pflanzen näherbringen.

"Ich versuche, den Menschen die Augen zu öffnen": Ralf Omlor will im Botanischen Garten in Mainz, den Menschen die Heilwirkung von Pflanzen näherbringen.

© Andreas Arnold / dpa / picture alliance

MAINZ. Ein Buch aus dem späten Mittelalter wird wieder lebendig: Der Botanische Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat Beete mit 70 Pflanzen aus dem im Jahr 1485 in Mainz entstandenen Kräuterbuch "Gart der Gesundheit" angelegt.

"Der ganzheitliche Ansatz des Kräuterbuchs ist bis heute aktuell", sagt Ralf Omlor, Kustos des Botanischen Gartens, bei einem Rundgang zwischen Alraune und Beifuß, Diptam und Odermennig. "Vor 500 Jahren beruhte die medizinischen Versorgung zum größten Teil auf Pflanzen", erklärt der Botaniker.

Die Menschen hätten aber nicht erwartet, dass ein Leiden sofort kuriert werde. "Vielmehr sollte die Heilpflanze den Körper wieder ins Gleichgewicht bringen und so eine Heilung ermöglichen."

"Wundersame Werke" aus der Natur zur Heilung einsetzen

Verfasser des Kräuterbuchs war der Frankfurter Stadtarzt Johann Wonnecke von Kaub, der Auftrag dazu kam von dem Mainzer Domherrn Bernhard von Breidenbach.

In seiner Vorrede zum Kräuterbuch schreibt der Domherr: "Oft und viel habe ich bei mir selbst betrachtet die wundersamen Werke des Schöpfers der Natur." Das Buch solle darstellen, "durch welcher Kräuter und Kreaturen Kraft der kranke Mensch zu seines Leibes Gesundheit wieder mag kommen".

Das Buch enthält Holzschnitte und Bearbeitungen zu 382 Heilpflanzen sowie 25 tierischen Wirkstoffen und 28 Mineralien. Im Kapitel über den Knoblauch heißt es etwa: "Mit Knoblauchsaft geschmieret das Haupt tötet die Läuse und auch die Nissen darauf."

Auch bei anderen Pflanzen machen therapeutische Empfehlungen deutlich, mit welchen Leiden sich die Menschen vor mehr als 500 Jahren herumplagen mussten: Der Samen von Sauerampfer sollte als Mittel zur Vertreibung von Spulwürmern wirken.

Mehr als 60 Nachdrucke des Mainzer Buches

Der Verfasser des ersten gedruckten Kräuterbuchs in deutscher Sprache habe drei unterschiedliche Stränge des zu seiner Zeit vorhandenen Wissens zusammengeführt, erklärt Omlor: Die Überlieferung antiker Quellen zusammen mit arabischen Einflüssen, die mittelalterliche Klostertradition und die oft nur mündlich überlieferte Volksmedizin. Daher finden sich in dem Werk bis heute gültige Befunde wie die antibakterielle Wirkung von Knoblauch, aber auch abwegige Vorstellungen aus dem Volks- und Aberglauben.

Auch Schriftstellen der pflanzenkundigen Mystikerin Hildegard von Bingen aus dem 12. Jahrhundert lassen sich in dem Kräuterbuch nachweisen. Die Empfehlungen aus dem "Gart der Gesundheit" haben Generationen von Menschen beeinflusst. Bis ins 18. Jahrhundert hinein erschienen mehr als 60 Nachdrucke und Bearbeitungen.

Realistische Abbildungen der Pflanzen an der Grenze zur Botanik

In Natursteinplatten in der Mitte des Themengartens wurden die Darstellungen von Holzschnitten aus dem Kräuterbuch eingemeißelt. Mit seinen oft sehr naturnahen Abbildungen stehe der "Gart der Gesundheit" an der Schwelle zu den Anfängen der wissenschaftlichen Botanik, sagt Kustos Omlor.

Zu den ersten Besuchern des botanischen Gartens zählt der Koblenzer Apotheker Otto Eichele, der auch selbst botanische Führungen gestaltet. "Ich versuche, den Menschen die Augen zu öffnen", sagt er.

Vielen Menschen wollen "zurück zur Natur"

Auch wenn sie sich nicht alle Pflanzennamen merken könnten, würden sie auf diese Weise doch dazu gebracht, in der Natur genauer hinzuschauen. "Ein großer Teil der Bevölkerung will zurück zur Natur - das merke ich als Apotheker, wenn unsere Kunden nach pflanzlichen Mitteln fragen", so Eichele.

Heilsame Wirkung kann bereits ein Besuch des Kräutergartens entfalten. Wer danach auch in der Natur einzelne Pflanzen wiederfindet - etwa den Borretsch mit seinen schönen blauen Blüten - kann auch heute noch dem Rat im Kräuterbuch "Gart der Natur" folgen. Dort heißt es: "Borretschblumen roh gegessen nimmt das Herzzittern und macht den Menschen wohlgemut." (dpa)

Der Botanische Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist täglich von 7.30 bis 18.00 Uhr geöffnet.

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