"Well-being"

Weltweite Herausforderung für Frauen

Welche Faktoren sind entscheidend für das Wohlbefinden von Frauen in unterschiedlichen Kulturen? Eine neue Studie liefert Erkenntnisse - und zeigt, dass es fahrlässig wäre, die Bedeutung dieses Themas für eine bessere Gesundheitsversorgung zu unterschätzen.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Frauen unterschiedlicher Kulturen.

Frauen unterschiedlicher Kulturen.

© Rawpixel.com /fotolia.com

DARMSTADT. Es gibt Menschen, für die ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden sehr viel mit dem Besitz eines Fahrrades zu tun hat.

In verarmten Regionen Nord-Indiens etwa haben Regionalverwaltungen damit begonnen, Mädchen und junge Frauen mit Drahteseln zu versorgen.

Ein Geschenk, mit dem sich das Leben dieser Menschen vollkommen verändert. Sie können jetzt zur Schule fahren, sich weiterbilden, sie haben einen leichtere Zugang zur Gesundheitsversorgung als vorher.

Ihre Chancen auf einen Job verbessern sich, sie werden unabhängig, können einer Welt entfliehen, in der ihre weitere Perspektive düsterer kaum sein könnte: als Kind zwangsverheiratet, dem Mann untertänig, ein Leben in Armut.

Wohlbefinden, Wohlergehen

"Well-being"- diesem englischen Begriff, der in einschlägigen Wörterbüchern mit "Wohlbefinden" oder auch "Wohlergehen" übersetzt wird, kommt in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu. Was bedeutet er für Frauen, wie wird er in unterschiedlichen Kulturen definiert? Und was machen Frauen, um aktiv ihr Wohlbefinden zu steigern?

Die Marktforscher der Economist Intelligence Unit wollten es genau wissen. Sie haben jetzt mit Unterstützung des Darmstädter Unternehmens Merck eine Studie vorgelegt. Der Titel: "Women's Health and Well-Being: Evolving Definitions and Practices."

452 Frauen in Frankreich, Deutschland, Brasilien, Mexiko und Indien wurden befragt, was für sie Wohlbefinden tatsächlich bedeutet - über die reine Gesundheitsversorgung hinaus. Zugleich äußerten sich 100 Vertreter öffentlicher Einrichtungen zu Strategien im Bereich Frauengesundheit.

Dabei wurde deutlich, dass sich zwischen der Wahrnehmung von politischen Entscheidungsträgern und tatsächlichen Bedürfnissen von Frauen große Lücken auftun. Die Konsequenz: staatliche Angebote werden oft nicht wahrgenommen, echter Bedarf wird nicht gestillt.

Kaum Unterstützung für Mütter mit Kleinkindern in Lateinamerika

Die Forscher fanden zum Beispiel heraus, dass die Unterstützung von Müttern mit Kleinkindern insbesondere in den lateinamerikanischen Ländern praktisch nicht vorhanden war. Völlig unter den Tisch fielen auch Angebote für Frauen über 60.

Insgesamt zeigte sich, dass bei der Selbsteinschätzung der Frauen mit Blick auf das eigene Wohlbefinden die körperliche Gesundheit obenan steht. Zugleich wurde deutlich, dass die Definitionen sehr stark von persönlichen Lebensumständen abhängig sind. Für Frauen in Industrieländern etwa stellt sich die Frage nach dem "well -being" völlig anders als für Inderinnen, deren neues Fahrrad ihre Lebenswelt dramatisch verändert.

Die Europäerinnen hatten in ihrem Leben bei Krankheiten nie Probleme mit der Versorgung, sie haben in der Regel eine gute Bildung und Ausbildung. Die Studie zeigt, dass das Wohlbefinden bei Frauen in diesen Ländern stärker fokussiert ist auf Alltagsprobleme.

Etwa auf die Frage, wie die berufliche Karriere und die Familie unter einen Hut zu bringen sind. Und noch eine Erkenntnis liefert die Untersuchung: Bei einem Jahreseinkommen über 75.000 Dollar gewinnt der Faktor Stress zunehmend an Bedeutung.

Geld ist nicht alles

Geld und ökonomische Sicherheit ist deshalb nicht alles. Die Frage: "Wie fühlen sie sich in ihrem täglichen Leben?", beantworteten etwa 74 Prozent der Inderinnen mit "sehr gut" oder "gut".

Bei den deutschen Frauen waren es nur 51 Prozent. "Think positive" - eine Lebensphilosophie, die offenbar in Deutschland nur begrenzt ausgeprägt ist.

Viele Frauen haben durchaus den Vorsatz, aktiv ihr Wohlbefinden zu verbessern. Primär wird der Fokus dann aber auf das Abstellen von Angewohnheiten gerichtet, die Gesundheit gefährden, wie zum Beispiel das Rauchen. Kaum vorhanden ist das Bedürfnis, den eigenen "lifestyle" zu verändern und sich und die Familie konsequent gesünder zu ernähren.

Für die subjektive Wahrnehmung dieser Frauen, sie steigerten aktiv eigenes Wohlbefinden, gibt es keine Belege. Die Studie nennt als negative Beispiele etwa die Zunahme von Adipositas und damit verbundener Krankheiten.

Natürlich stellt sich die Frage, was diese Untersuchung tatsächlich bringen soll. Katja Iversen von der NGO-Organisation "Women deliver" ließ in Darmstadt in diesem Zusammenhang keinen Zweifel: "Gesundheit, Rechte und das Wohlbefinden von Mädchen und Frauen haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kommunen und ganzen Nationen."

Immer noch große Barrieren

Weltweit sind Frauen in vielen Fällen für das Wohlbefinden ihrer eigenen Familien verantwortlich, erläuterte Uta Kemmrich-Keil, CEO und President des Consumer Health Geschäfts von Merck. In Gesundheitsberufen stellen Frauen darüber hinaus die Mehrheit der Fachkräfte und nehmen so unmittelbar Einfluss auf die Verbesserung der Gesundheit und das Wohlbefinden.

Zugleich gibt es aber immer noch fundamentale Barrieren, wenn es um den Zugang zu Gesundheitsleistungen geht - mit weitreichenden negativen Auswirkungen für Frauen, zum Beispiel für ihre Produktivität und Lebensqualität. "Genau dieses Thema wollen wir mit unserer Debatte ansprechen", sagte Kemmrich-Keil.

"Wir hoffen, dass Handlungsträger weltweit beginnen, nach besseren integrierten Ansätzen und nachhaltigen Lösungen zu suchen." Merck will diesen Prozess auch in Zukunft aktiv begleiten.

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