BUCHTIPP DES TAGES

Wessen Wille zählt am Ende?

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Darf man oder darf man nicht? Die Philosophin und Journalistin Svenja Flaßpöhler hat ein Buch über den assistierten Suizid geschrieben. Die Haltung des Deutschen Ärztetages zu dieser Frage ist klar: Man darf nicht. Der Buchtitel legt das Gegenteil nahe: "Mein Wille geschehe." Fazit: Man darf.

Flaßpöhler referiert die klassische Auseinandersetzung: Fremdbestimmung versus Selbstbestimmung. Konnte die Antike den Suizid noch als "Sprung aus dem morschen Gehäuse" rechtfertigen, so verurteilte die christlich geprägte Kulturgeschichte den Suizid zumeist als Versündigung gegen Natur, Gemeinschaft und Gott. "Mit welchem Recht?", so überschreibt die Autorin das Kapitel über die gegenwärtige Diskussion und leitet über zu Dignitas und Exit.

Beide Schweizer Organisationen ermöglichen den Suizid, während in Deutschland jedermann dazu aufgefordert sei, Selbstmörder zu stoppen. Ein Sieg der Fremdbestimmung? Flaßpöhler plädiert für die Selbstbestimmung und stellt psychische mit körperlichen Leiden auf eine Stufe. Warum sollte eine schwere Depression geringer eingeschätzt werden als ein schweres Krebsleiden? Bei Exit kann jeder Mensch "aussteigen", der unter "unzumutbaren Behinderungen" leidet und einen "dauerhaften" und "autonomen" Sterbewunsch äußert. Darunter können vielerlei Leiden fallen.

Viele Ärzte fürchten indessen das Abrutschen eines legalisierten assistierten Suizides in gedankenlose Entsorgung. Das bringt Flaßpöhler nicht von ihrer Haltung ab. Allerdings: So sehr die Autorin sich abgrenzt vom "Dein Wille geschehe" und einem fremdbestimmten Sterben, so sehr übernimmt sie die Todesvorstellung der Antike und des christlichen Abendlandes. Der Tod als "Erlösung". Ist er das? Wir wissen es nicht. (cben)

Svenja Flaßpöhler: Mein Wille geschehe. Sterben in Zeiten der Freitodhilfe. 158 Seiten., wjs Verlag, Berlin 2007, 18 Euro.

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