Foschung

Wie Mumien den Lebenden helfen könnten

In Hildesheim werden Mumien im Computertomographen durchleuchtet. Forscher hoffen, damit die Lebensumstände der einbalsamierten Toten zu ergründen. Können die Mumien auch Erkenntnisse zu aktuellen medizinischen Fragen liefern?

Von Christina Sticht Veröffentlicht:
Restaurator Jens Klocke (links) und Ägyptologe Oliver Gauert bereiten eine Mumie für die CT-Untersuchung vor.

Restaurator Jens Klocke (links) und Ägyptologe Oliver Gauert bereiten eine Mumie für die CT-Untersuchung vor.

© Philipp von Ditfurth / dpa (2)

HILDESHEIM. Für die Radiologen am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim ist die Untersuchung von Mumien fast Routine: Insgesamt 24 einbalsamierte Tote aus unterschiedlichsten Kulturkreisen haben sie im Computertomographen bereits durchleuchtet. Am Mittwoch hatten drei bisher kaum erforschte ägyptische Mumien ihren CT-Termin, eine stammt aus dem schottischen Aberdeen, die anderen beiden aus der Sammlung der Universität Göttingen.

Ursprünglich diente die Kooperation zwischen der Klinik und dem Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim nur der Vorbereitung der Ausstellung "Mumien der Welt". Inzwischen habe sich daraus ein interdisziplinäres Forschungsprojekt entwickelt, das auch Erkenntnisse für heutige medizinische Probleme liefern könne, sagte der Ägyptologe Oliver Gauert. Beteiligt sind die Fachgebiete Ägyptologie, Alt-Amerikanistik, Anthropologie, Pathologie, Radiologie sowie Restaurierung.

Leichnam aufwändig vorbereitet

Nach der CT-Untersuchung der 2400 Jahre alten Mumie aus Aberdeen zeigte sich Gauert begeistert: "Es muss ein Begräbnis der obersten Klasse gewesen sein. So etwas habe ich noch nie gesehen", sagte der Wissenschaftler. Der Leichnam der jungen Ägypterin aus Luxor sei mit 50 Lagen hochwertigstem Leinen umwickelt, die Organe seien entfernt und der Körper mit einem Füllstoff ausgestopft worden. "Möglicherweise handelt es sich um mit Harz durchsetzten Nilschlamm."

Mit Hilfe der gewonnenen Daten soll jetzt das Gesicht der pompös bestatteten Ägypterin rekonstruiert werden. Mumie und Gesichtsrekonstruktion werden ab Ende März in der Ausstellung "Pharao" im bayerischen Rosenheim zu sehen sein.

Zukünftig wollen die Hildesheimer Mumienforscher aber nicht nur die Lebensumstände der Einbalsamierten rekonstruieren, sondern auch mit der Genomkartierung und dem Nachweis von Infektionskrankheiten neue Schwerpunkte setzen.

In anderen Studien lieferten Untersuchungen an ungarischen Gruft-Mumien aus dem 18. und 19. Jahrhundert, von denen ein Großteil mit Tuberkulose infiziert war, Erkenntnisse über die Ausbreitung des Erregers. Die Mumienforschung könne Beiträge zur Lösung drängender medizinischer Probleme von heute liefern, betonte der Ägyptologe: "Sie ist Forschung für die Lebenden."

Langfristig will sich Hildesheim als Mumienzentrum mit regelmäßigen Kongressen etablieren. Schon jetzt gebe es Anfragen von internationalen Institutionen, die Mumien in ihren Sammlungen haben, sagte Gauert. "Alle haben Interesse, etwas über ihre Mumien herauszufinden."

Der in Hildesheim lebende Mumien-Restaurator Jens Klocke ist daran maßgeblich beteiligt. Er gilt als weltweit gefragter Experte und sorgt dafür, dass die uralten Patienten unbeschadet zu ihrem Krankenhaus-Termin kommen. (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)

Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC)

Deeskalation der Radiochemotherapie beim NSCLC im Stadium III

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neuer Verschlüsselungsalgorithmus in der TI

gematik verlängert Frist für Austausch der E-Arztausweise

Erfolgreiche Teamarbeit

HÄPPI: So gelingt die Delegation in Hausarztpraxen

Lesetipps
Mit einer eher seltenen Diagnose wurde ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ursache der Hypoglykämie kam erst durch einen Ultraschall ans Licht.

© Sameer / stock.adobe.com

Kasuistik

Hypoglykämie mit ungewöhnlicher Ursache