„EvidenzUpdate“-Podcast

Impfen gegen die vierte Welle – wie Hausärzte das schaffen

Die Pandemie steht und fällt mit den Älteren. Deswegen müssen gerade sie und Menschen mit Risiken die Booster-Impfung erhalten. Ein etwas anderes „EvidenzUpdate“ darüber, wie das die Praxen schaffen.

Von Martin Scherer und Wolfgang Schneider-Rathert Veröffentlicht:
Impfen gegen die vierte Welle – wie Hausärzte das schaffen

© [M] sth | Scherer: Tabea Marten | Schneider-Rathert: privat

„Kollabieren die Hausärzte unter der vierten Welle?“ „Ansturm ist nicht zu bewältigen.“ Nur zwei von vielen Schlagzeilen in dieser Woche. Der Tenor aber ist immer derselbe: Die niedergelassenen Ärzte, allen voran die Hausärzte, schafften die Corona-Impfkampagne und besonders die COVID-19-Auffrischimpfungen nicht. Stimmt das überhaupt, oder gibt es nicht Tipps und Tricks, wie die Niedergelassen der Booster für die Booster sein können?

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In dieser besonderen Ausgabe vom EvidenzUpdate-Podcast sprechen Wolfgang Schneider Rathert, Sprecher der DEGAM-AG Impfen, und DEGAM-Präsident Martin Scherer darüber, wie Hausärzte es doch schaffen können. Dazu gibt es Best Practices und Tipps aus erster Hand. (Dauer: 63:02 Minuten)

Anregungen? Kritik? Wünsche?

Schreiben Sie uns: evidenzupdate@springer.com

Mindmap: Yes, we can! Im Team – pragmatisch – digital

Mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Schneider-Rathert.

  • Überblick über den Mehraufwand verschaffen
    • Wie viele Impfungen stehen bis Jahresende an?
      • Rechnerisch 400 je voller Zulassung, abzüglich Impfteams, Gebietsärzte, etc.
  • Dann: Mehraufwand schlau stemmen!
    • Pragmatisch priorisieren, was aktuell verzichtbar/verschiebbar ist
      • Vorsorgen verschieben, dringende Vorsorgen z.B. an Uro/Derma überweisen; DMP & Check-ups sind kein Notfall!
      • Im Team ehrlich besprechen, in welchem Umfang Überstunden realistisch sind. Freitagnachmittag, Samstag?
      • Auf das Team hören – Teambesprechungen fallen nie aus!
      • Wenn du es eilig hast, gehe langsam!
    • Weiter im Team arbeiten
      • Corona-Auffrischungen analog zu praxistypischem Vorgehen bei Grippeauffrischungen denkbar?
      • Voranamnese und Impfung durch MFA.
      • MFA an den erhöhten Impfhonoraren angemessen beteiligen.
    • Ärger digitalisieren
      • Online-Terminvergabe für Impfungen.
      • Dort klar mitteilen, wer sich zur Impfung anmelden darf: Ü70, Ü60, alle.
      • Bei Nichteinhaltung digitale Verweigerung der Terminbestätigung nutzen.
      • Mit der Terminbestätigung gleich die ggf. auszudruckenden Formulare mitschicken.
      • KollegInnen fragen, welches System ihnen Freude macht.
    • Praxistipps
      • Auf Warteschleifenansage besprechen, dass Impftermine nur/bevorzugt online über die Praxis-Website buchbar sind.
      • Prominenter Link auf der Homepage zum Buchungssystem.
      • Nur Termine anbieten, für die zu 100 Prozent gesichert Impfstoff verfügbar ist.
        • Terminabsagen wegen Nichtlieferung sind Zeit und Motivationsfresser.
      • Alternative zu reinen Impfsprechstunden:
        • Terminkalender durchgucken und schauen, wer sowieso kommt.
        • Impfung vorbereiten.
        • Idealerweise die Analyse- und ggf. Erinnerungsfunktion der Praxissoftware zur Bedarfs- und Ablaufsteuerung nutzen.

Transkript

Nößler: Kollabieren die Hausärzte unter der vierten Welle? Der Ansturm ist nicht zu bewältigen. Das sind nur zwei von vielen Schlagzeilen in dieser Woche. Der Tenor aber ist derselbe. COVID-Boostern bei den Hausärzten Fragezeichen? Das wird nichts! Ausrufungszeichen. Wie es doch klappt, darüber wollen wir heute sprechen und damit herzlich willkommen zu einer neuen Episode von Evidenz-Update Podcast. Auch heute wieder in einer Doppelbesetzung. Wir, das sind ...

Scherer: Martin Scherer.

Nößler: Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der DEGAM und Direktor des Instituts und Poliklinik für Allgemeinmedizin am UKE in Hamburg. Und da grüße ich Sie. Hallo, Herr Scherer!

Scherer: Hallo, Herr Nößler!

Nößler: Und heute ist bei uns dabei ...

Schneider-Rathert: Wolfgang Schneider-Rathert.

Nößler: Er ist niedergelassen als Hausarzt in Braunschweig, genauer muss man sagen im Stadtteil Querum. Er ist Sprecher der AG Impfen in der DEGAM und er ist Mitglied der ständigen Leitlinien-Kommission in der DEGAM: Hallo Herr Schneider-Rathert, schön, dass Sie dabei sind.

Schneider-Rathert: Hallo, Herr Nößler! Moin Moin aus Braunschweig.

Nößler: Moin Moin! Und hier ist Denis Nößler, Chefredakteur der ÄrzteZeitung aus dem Hause Springer Medizin. So, wenn Wolfang Schneider-Rathert von der AG Impfen der DEGAM dabei ist, dann heißt das, es geht wieder ums Impfen. Das ist quasi die Fortsetzung der Episode vom letzten Mal mit Thomas Mertens zusammen. Jetzt muss ich aber mal Sie beide zunächst vorab fragen: Spielen Sie eigentlich Golf, Herr Scherer, Herr Schneider-Rathert?

Scherer: Nein, ich spiele Schach und Klavier und Orgel und gerne mal Fußball mit meinen Jungs.

Nößler: Und Herr Schneider-Rathert?

Schneider-Rathert: Herr Nößler, ich bin Hausarzt, ich spiel Minigolf und „Mensch ärgere dich nicht“.

Nößler: Okay. Dann hätten wir schon mal eine Sache geklärt. Es gab nämlich einen Sager, das war am Dienstag von Karl-Josef Laumann, ist uns allen geläufig, Gesundheitsminister von NRW, der sagte: Die Ärzte sollten doch lieber am Samstag gegen Corona impfen als Golf zu spielen. Das heißt, für Sie ist das eh völlig raus, was der Mann da sagt, wenn ich Sie beide richtig verstehe.

Schneider-Rathert: Ja.

Scherer: Also für mich auf jeden Fall.

Schneider-Rathert: Herr Nößler, daran sieht man etwas ganz Wesentliches, was die gesamte Pandemie umtreibt. Unsere politischen Entscheider sind nicht direkt mit einem Einblick in unserer hausärztliche Realität gesegnet.

Nößler: Das Grußwort schicken wir jetzt direkt nach Düsseldorf. Es ist noch nicht überliefert, ob Herr Laumann zu den regelmäßigen Hörern dieses Podcast gehört. Wenn noch nicht, dann spätestens ab dieser Episode. Wir wollen uns gleich mit dem Thema Impfen beschäftigen und der Frage, wie geht das praktisch ganz gut jetzt, auch in dieser vierten Welle, in der Boosterwelle, in der Welle, wo man doch noch viele Menschen auch erreichen muss? Wir müssen aber zunächst einmal noch Hörerpost bearbeiten. Da ist nämlich einiges gekommen zur Episode. Vielleicht zunächst mal an unseren Gast, Herr Schneider-Rathert, die ersten Fragen, die ich eben so skizziert habe, aus Headlines, aus den Medien, Ansturm auf die Praxen et cetera. Erleben Sie es als Ansturm auf Ihre Praxis? Ist das noch zu bewältigen?

Schneider-Rathert: Also ein Ansturm – ganz klares Ja. Wir wollen ja heute so ein bisschen schauen, dass wir unseren eigenen Puls fühlen und ein bisschen Ruhe reinkriegen, um dann mit einer guten Strategie unseren Beitrag zur Pandemie bekämpfen weiter leisten, so gut und so professionell wie wir das seit Beginn der Pandemie bereits getan haben.

Nößler: Also Ansturm auf der einen Seite ja, aber Ruhe reinbekommen.

Schneider-Rathert: Genau. Wenn ich mir überlege, ich habe mir, was dringend nötig war nach dem Beitrag, den wir so geleistet haben, zwei Wochen Herbstferien gegönnt. Und vor den Herbstferien war es so, dass wir letztendlich auf unserem Impfstoff und unseren Online-Impfterminen sitzengeblieben sind. In den niedersächsischen Herbstferien am 18.10. kam dann die Empfehlung der STIKO zur Auffrischimpfung, zur Boosterung der über 70-Jährigen. Und als ich aus dem Urlaub zurück war, war der Sturm schon voll am Toben und es hatten sich auch schon die ersten Politiker gemeldet, die meinten, dass das Tempo der Booster-Kampagne nicht ausreichend sei. Und das bei zweiwöchigen Bestellterminen. Also man konnte gar nicht das bestellt haben, um den Ansturm vorweg zu ahnen.

Nößler: Das große Bestellproblem. Das ist ja ein bisschen gelockert worden oder wird jetzt gelockert.

Schneider-Rathert: Es wird jetzt gelockert. Gleichzeitig gibt es aber eben auch bereits bundesweit Hinweise, dass es in einzelnen Regionen nicht zur vollständigen Auslieferung der bestellten Mengen kommt. Ich habe mir mal die Mühe gemacht nachzuschauen, was so ungefähr der Lagerbestand sein dürfte. Und man sieht eigentlich, dass über die gesamte Zeit ungefähr 8 bis 10 Millionen Impfdosen lagern, in Zentren, in den mobilen Impfteams und Impfzentren und was da noch so betrieben wird und in niedergelassenen Arztpraxen. Wenn man das mal so runterbricht auf die impfenden Arztpraxen sieht man, dass gar nicht so viel schneller es gehen könnte, weil im Prinzip nur so für eine bis maximal zwei Wochen überhaupt Impfstoff derzeit vorrätig ist.

Nößler: Aha. Also fast schon wieder Impfstoffknappheit, das Thema. Da gehen wir gleich noch mal ins Detail rein. Ich will vorher noch mal Martin Scherer fragen, nämlich die andere Headline, die ich da eingangs zitiert hatte: Kollabieren die Hausärzte unter der vierten Welle, Herr Scherer?

Scherer: Ich habe ja von Ihnen gelernt, Herr Nößler, dass man Journalisten keine Gegenfragen stellen soll. Aber ich wäre schon geneigt, Sie zu fragen, ob Sie von einem kollabierenden Supermarkt sprechen würden, wenn alle gleichzeitig losrennen, um Klopapier zu kaufen?

Nößler: Na ja, das ist dann eher eine leerer Supermarkt.

Scherer: Das ist eben genau die Sache. Wenn jetzt alle 30-Jährigen auf einmal losmarschieren, um sich boostern zu lassen, dann ist es sicherlich auch eine Situation, wo manch einem das Narrativ der überforderten Hausarztpraxen in den Sinn kommt. Aber genau dieses Narrativ führt völlig in die Irre. Also Kollaps, Überforderung, das ist nicht das Richtige. Es geht vielmehr um gut geplante Herausforderungen, Anforderungen. Das hat viel mit Timing zu tun, das hat viel mit Kommunikation zu tun. Das ist jetzt kein Spezifikum einer Hausarztpraxis, dass wenn alle gleichzeitig auf eine Struktur losrennen, dass diese Struktur dann zeitweilig überlastet ist. Das muss man planen. Das ist eine Frage eines konzertierten, gut abgestimmten Vorgehens. Das müsste eigentlich ein Vorgehen aus einem Guss sein, wo so eine STIKO-Empfehlung eine politische Verlautbarung, die Einbeziehung der Kolleginnen und Kollegen einem planvollen Vorgehen folgt. Das wäre es eigentlich.

Nößler: Aber die Frage hat natürlich auch was durchaus Relevantes. Wir erleben ja – vielleicht ist das ein bisschen eine Analogie, in der jetzt auch wieder in dieser vierten Welle die Diskussion um die Intensivkapazitäten. Wir beobachten ganz genau, wie viele Betten sind noch frei, wie viele Menschen müssen behandelt werden auf der ITS mit COVID-19. Und es geht immer auch darum, kollabiert das System. Jetzt noch mal Ihre Einschätzung, Herr Scherer. Kommen wir da durch im ambulanten Sektor?

Scherer: Wenn wir es gut planen. Es müsste sich die Auffassung durchsetzen, und zwar in der gesamten Breite der Gesellschaft, dass die hausärztliche Ressource eine sehr wertvolle ist, mit der wir achtsam umgehen müssen. Deshalb braucht es eine gute Planung. Und ein vorausschauendes Abschichten der Anforderungen. Und dann funktioniert es auch. Aber das ist das, was Herr Schneider-Rathert auch mit dem Puls-fühlen meint. Also so ein bisschen Ruhe reinbringen, ein bisschen Nachdenken, ein bisschen Vorausplanen. Und dann kriegt man das auch hin.

Schneider-Rathert: Also wenn ich dann noch mal ein bisschen von der Basis was sagen darf. Das mit dem Klopapier kann ich so als Arbeitsgruppenleiter Impfen nicht stehen lassen. Ich bin wenigstens da für Nudeln. Aber es ist schon so. Genau, wir sind leergekauft. Wir haben im Moment nicht die dinglichen Ressourcen, um das zu tun. Und das muss sichergestellt werden. Ich möchte einfach noch einmal darauf hinweisen, ich kollabiere regelmäßig, und zwar immer dann, wenn ich Ankündigungen aus der Politik sehe und dann unsere Telefonleitungen auch für Angina-pectoris-Patienten dicht sind, weil Dinge in die Welt gesetzt werden, die nicht gut vorbereitet sind. Und deshalb bin ich da ganz bei unserem DEGAM-Präsidenten, der sagt, das muss bitte etwas konzertiert und abgesprochen sein. Und auch das treibt mich seit Beginn der Pandemie um. Hausärztliche Expertise muss vermehrt von der Politik abgefragt werden. Denn wenn wir koordiniert gemeinsam vorgehen, kollabiert niemand.

Nößler: Also wenn jetzt die GMK beschlossen hat: Liebe Menschen ab 18, ihr dürft euch jetzt alle boostern lassen, dann kommen die Menschen mit einem akuten Koronarsyndrom nicht mehr durch.

Schneider-Rathert: Ja, und das war ja auch gleichzeitig total inkonsequent. Wenn wir uns noch mal kurz erinnern: Wir haben im August diese Empfehlung rausgegeben und haben dann aber gemeinschaftlich beschlossen, die Impfzentren abzuschaffen. Das ist in sich inkonsistent. Wenn man selbst an die Macht der Boosterimpfung glaubt und auch meint, dass jüngere Menschen prioritär jetzt geimpften werden sollen, dann ist völlig klar, dass wenn man alle gleichzeitig losschickt, dann brauchen wir die Impfzentren. Die sind aber gleichzeitig zugemacht worden. Das heißt, irgendwie ist das inkonsistent, was die Ministerinnen und Minister da ausgesonnen haben. Man kann nicht einerseits einen riesen Bedarf wecken und dann die Hälfte der Supermärkte dicht machen.

Nößler: Und dann kann man keine Nudeln kaufen. Die Herren, ich muss an dieser Stelle einen kleinen Punkt machen. Ich hatte nämlich angekündigt, dass wir das Thema Hörerpost noch schnell bearbeiten wollen. Wir sind jetzt schon fast im Thema drin. Aber wir sollten noch den Hörern zuliebe die Beiträge bearbeiten, die sie uns geschickt haben zur letzten Episode. Und dann kommen wir zum Impfthema zurück. Wobei, auch diese Hörerpost wird sich gleich wieder mit dem Thema Impfen beschäftigen. Vielleicht noch mal an alle Hörerinnen und Hörer der Tipp: Evidenz-Update@Springer.com ist die E-Mail-Adresse. Dort bitte zahlreich und freundlich uns bitte Zuschriften senden. Dann können wir die auch bearbeiten. Es gab tatsächlich, bevor wir zu den Fragen zum Impfen kommen, Herr Scherer, vielleicht an Sie gerichtet, eine Frage von einem Hörer, warum die DEGAM unter anderem Budesonid als Kann-Empfehlung in der S1-Empfehlung drin hat. Obwohl andere Fachgesellschaften davon abraten. Und er fragt danach, warum die DEGAM – nach seinen Worten – als einzige Fachgesellschaft auch für Fluvoxamin eine Kann-Empfehlung ausspricht. Das hatten wir letztens thematisiert. Er persönlich sagt, er habe große Bauchschmerzen damit, sehe große Schwächen in den zugrundeliegenden Studien. Was wollen Sie dem Kollegen von Ihnen antworten?

Scherer: Dass es im Wesentlichen darum geht, einen Spagat zu machen. Wir hatten das schon häufiger hier auch thematisiert. Diese Brücke zu schlagen aus mageren Daten und dem Wunsch, etwas in den Händen zu haben. Also es geht im Grunde genommen um die Grauzonen der Versorgung. Und wir können auch nicht alles immer nur top-down machen. Die reine Evidenz, für die die DEGAM steht, die ist schön und gut. Aber es kommen auch sehr viele Anfragen, gerade bei Budesonid war das der Fall, wo viele Kollegen uns geschrieben haben und gesagt haben, wir setzen das auf jeden Fall ein. Das war ein richtiger Budesonid-Sturm der Euphorie, der über Twitter hinwegfegte, wo viele geschrieben haben, wir wollen das, wir brauchen das, wir machen das. Und daraus muss man den Spagat machen. Dass man sagt, auf der einen Seite haben wir eine Datengrundlage, die nicht berauschend ist, auf der anderen Seite einen Wunsch, doch etwas in den Händen zu halten. Und darum haben wir es in die Leitlinie aufgenommen, als Kann-Empfehlung. Und dazu muss man sagen, dass hier einfach nur ein Korridor aufgemacht wird, ein Handlungskorridor. Kann heißt, man kann es einsetzen, man kann es aber auch sein lassen. Und das ist eigentlich das, was die Kolleginnen und Kollegen sich wünschen, dass man ihnen eine Orientierung gibt, dass man ihnen sagt, wie die Datengrundlage ist, aber dass sie dann selber mit ihren Patientinnen und Patienten entscheiden können. Und zum Fluvoxamin muss man sagen, das ist tatsächlich das im Augenblick bestuntersuchteste Medikament für den ambulanten Bereich, weil der Trial, der uns vorliegt und den wir in der letzten Ausgabe besprochen haben, schon eine Aussagekraft hat, die man ernst nehmen muss und für den primären Endpunkt, das heißt Krankenhauseinweisung, auch Wirksamkeit gezeigt hat.

Nößler: Das war der Together-Trial, über den wir gesprochen hatten aus Argentinien.

Scherer: Ganz genau.

Nößler: Also vielleicht noch mal nachgefragt, Herr Scherer, wird da vielleicht das eine oder andere Mal zu oft auch vergessen, dass nach Sackett zu dem EBM-Dreieck eben auch die eigene ärztliche individuelle Erfahrung noch mit dazuzählt?

Scherer: Die eigene Erfahrung, also die interne Evidenz, dann die externe Evidenz, die wir in der Leitlinie darlegen, die Patientenpräferenz und natürlich der objektive klinische Befund. Und da, wo sich alles überlappt, da findet dann die gute evidenzbasierte Entscheidung statt. Also noch mal: Wir machen hier Handlungskorridore auf. Und was wir da vermelden, ist nicht Wort Gottes, sondern eine Empfehlung. Man kann es probieren. Und die Datengrundlage für Fluvoxamin ist gar nicht so schlecht.

Nößler: Und wer Loriot kennt, der weiß, dass es ganz viele Graustufen gibt.

Schneider-Rathert: Ich wollte einfach auch noch mal das unterstützen und sagen, hier handelt es sich ja um nicht hochpreisige Therapien. Also das Solidarsystem wird nicht mit großen Summen belastet. Und es handelt sich um im Wesentlichen – also bei Budesonid ja nahezu nebenwirkungsfreie Behandlungen, da ist ja der SOA als Erstes zu nennen, als mögliche Nebenwirkung, die kann man aber bei sachgerechter Anwendung vollständig verhindern. Und auch das Fluvoxamin ist jetzt nicht eine extrem nebenwirkungsträchtige Substanz. Und als niedergelassener Praktiker macht man ja jeden Tag Überlegungen, wie man die Beschwerden, die häufig in der Primärarztpraxis unspezifisch sind, wie man dort pragmatische Lösungen findet. Viele Praktiker verordnen ja auch bei postinfektiösem Husten auch ein bisschen Budesonid, weil es dann halt nach der ärztlichen Erfahrung schneller aufhört. Aber keine wird jemals ein Trial dazu machen. Deshalb bitte die Kirche im Dorf lassen. Eine Kann-Empfehlung ist eine Kann-Empfehlung und gibt eben gerade Sicherheit uns Praktikerinnen und Praktikern an der Basis.

Nößler: Dann richten wir an dieser Stelle, was das Thema Budesonid und auch Fluvoxamin angeht, Grüße aus an einen wohlgesonnenen Hörer. Der nächste Hörerhinweis, Herr Schneider-Rathert, bleiben wir gerade bei Ihnen, vielleicht können Sie was dazu sagen. Da hat uns auch jemand geschrieben: Die größten Probleme, mit denen ich in der Versorgung derzeit zu kämpfen habe, sind die Fälle, in denen Geimpfte erkranken. Hier kommt man schnell in Erklärungsnöte. Und er zitiert jetzt mal so eine mögliche Frage von seinem Patienten: Warum soll ich jetzt mein Kind impfen lassen, wenn es dann doch COVID-19 kriegen kann und die Oma am Ende doch ansteckt? Herr Schneider-Rathert, es geht hier um diese fälschliche Vorstellung, die vielleicht draußen breit bei uns noch hier und da rumwabert, der sterilen Immunität. Und wir wissen alle, dass wir schon etliche Wochen nach der vollständigen Impfung uns wieder infizieren, andere anstecken können. Wie gehen Sie argumentativ in der Praxis damit um, wenn die Leute mit so einer Frage kommen?

Schneider-Rathert: Die Frage finde ich ganz prima, weil die ganz entscheidend ist. Was wir jetzt brauchen, ist ein Paradigmenwechsel im Denken, Fühlen und Wahrnehmen der Diagramme, die uns täglich in den einschlägigen Nachrichtenseiten gezeigt werden. Da geht es linear nach oben. Die Impfrate steigt, sie ist vielleicht nicht hoch genug, aber es wird von Tag zu Tag besser und immer mehr Menschen sind geschützt. Aber es gibt die dritte Dimension der Zeit bei diesem Diagramm. Und es ist eben nicht sachgerecht zu sagen, ältere Menschen, die im Januar oder Februar geimpft sind, die sind formal geimpft, aber wir wissen heute aus bereits publizierten Studien aber auch, was einer demnächst zur Publikation in The Lancet anstehenden schwedischen Kohortenstudie, dass nach sieben Monaten der Schutz vor einem schwerwiegenden Verlauf, also dass ich ins Krankenhaus oder auf die Intensivstation komme, insbesondere für die Älteren nur noch bei 42 Prozent liegt. Nun bin ich als Praktiker immer so für Pi mal Daumen. Im Prinzip kann man sagen, dass die, die wir im Februar, März, April geimpft haben, das sind ja die Älteren gewesen, aufgrund der damals herrschenden Priorisierung. Die dürfen wir nur noch im Prinzip, salopp gesprochen, zu Hälfte als geimpft betrachten. Und genau deshalb brauchen wir diese Boosterungen so schnell und so dringend. Und genau deshalb hat ja die Ständige Impfkommission diese Empfehlung auch herausgegeben. Letztendlich muss man sagen, der Mensch, der das anfragt, ist kein Impfskeptiker, sondern einfach gut informiert. Und ich würde antworten: Sie müssen sich das so vorstellen, die Impfung ist wie ein Schirm. Zunächst ein großer Schirm, unter dem auch noch jemand anderes passt. Der wird aber mit zunehmender Zeit immer kleiner. Erst ist er nicht mehr groß genug für die anderen, die neben uns stehen. Dann schützt er nur noch uns selbst. Wir bekommen dann nasse Füße und gegebenenfalls nach sieben bis acht Monaten ist der Schirm so klein, dass der eine oder andere, ungefähr jeder Zweite vollständig nass wird. Ganz durchnässt würde ich jetzt in diesem Bild gleichsetzen mit einem schweren Impfdurchbruch mit Krankenhausaufenthalt. Und deshalb hat der Frager vollständig recht, dass die Impfung von Kindern aktuell nicht der wichtigste Schritt ist. Ich werde natürlich nicht sagen, dass Kinder nicht geimpft werden sollen. Das muss man in der Praxis immer individuell abwägen. Aber erst braucht die Oma ihren Schirm wieder in der ursprünglichen Größe, erst braucht die Oma ihre Boosterimpfung und dann, das wissen wir ja auch aus den Daten aus Israel, ist sie weitestgehend save. Sie ist um einen Faktor 10 bis 20 vor schweren Verläufen geschützt im Vergleich zu: Sie ist nicht geboostert. Die Pandemie steht und fällt mit den Älteren. Sie steht eher mit Hedwig und Klaus, ob die geimpft sind oder nicht. Und sie steht eher nicht mit den unter 30-Jährigen, wie Joshua. Wir brauchen eine möglichst vollständige Impfung und Boosterung aller über 70, so wie es die STIKO empfiehlt. Und dann müssen wir, angepasst an die weitere Entwicklung, Schritt für Schritt diese Boosterimpfung auch auf die Jüngeren ausdehnen. Und dann kann man gegebenenfalls auch schauen, ob ein Kind dann noch geimpft werden sollte, je nachdem, wie sich die Pandemie weiterentwickelt. Die Diskussion bei den Kinderimpfungen, wenn ich das noch erwähnen darf, steht und dreht die um einen Dreh- und Angelpunkt. Nämlich gibt es mehr Herzmuskelentzündungen nach der natürlichen Infektion oder mehr Herzmuskelentzündungen nach der Impfung? Die amerikanischen Daten sagen uns: Es gibt mehr Herzmuskelentzündungen nach der Infektion, weshalb die Amerikaner die Kinderimpfung intensiver betreiben als wir hier in Deutschland. Das wiederum liegt daran, dass wir in Deutschland im Meldesystem nicht annähernd so viele Herzmuskelentzündungen bei Kindern feststellen können wie die Amerikaner nach natürlicher Infektion. Das heißt, bei uns sieht es nach den derzeitigen Daten eher so aus, als ob die Impfung möglicherweise etwas mehr Herzmuskelentzündung macht als die natürliche Infektion. Deshalb kann ich eine abwartende Haltung bei Kinderimpfung durchaus nachvollziehen.

Nößler: In den USA heißt es Faktor 4, also höheres Risiko für Myokarditiden durch COVID-19 als nach der Impfung. Das ist so ein bisschen der Faktor, der da überliefert wird.

Schneider-Rathert: Genau. Die STIKO hatte, wenn ich mich recht erinnere, in ihrer Aktualisierung durchaus darauf hingewiesen, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen den Meldedaten in Deutschland und den Studiendaten aus den Vereinigten Staaten. Woran das liegt, kann man nur spekulieren. Ob Menschen in Amerika aufgrund der größeren sozialen Disparität später zum Arzt gehen, weil sie nicht versichert sind, und deshalb schwerere Verläufe haben, und das bei uns genauso – ich weiß es nicht. Fakt ist, das bleibt offen. Und richtig ist ja auch, dass die ständige Impfkommission die Kinderimpfung auch zur Vermeidung psychosozialer Nachteile für indiziert hält. Nicht direkt zur Vermeidung der schwerwiegenden Verläufe. Wenn wir die Daten der DIVI anschauen, sehen wir, dass auf den Intensivstationen im Moment 0,5 Prozent der Menschen, die da mit COVID liegen, sind unter 18. Und wenn man bedenkt, dass die unter 12-Jährigen im Moment gar nicht geimpft sein können, und die 12- bis 17-Jährigen nur ungefähr zur Hälfte geimpft sind, sieht man, dass die COVID-19-Infektion für Kinder und Jugendliche ein erheblich geringeres Risiko darstellt, als für Hedwig und Klaus.

Nößler: Sagt der Sprecher der AG Impfen der DEGAM, Herr Schneider-Rathert, das war jetzt eine ganze Fülle noch mal an Fakten, auch argumentativ, die Sie da Ihren Kollegen mitgegeben haben. Vielen Dank an der Stelle. Wir haben noch einmal Hörerpost. Da würde ich jetzt tatsächlich Martin Scherer zuspielen nach Hamburg. Und zwar, das darf ich an der Stelle verraten, von einem Fan unseres Podcast, aus Rostock. Der hat uns konfrontiert mit der Überlegung, ob ein COVID-19-Impfbooster insbesondere bei Menschen mit beruflicher Indikation – also da reden wir über Sie beide zum Beispiel – nicht eher kontraproduktiv sein könnte. Die Frage stellt er uns. Herr hebt darauf ab, Herr Scherer, dass in den maßgeblichen Zulassungsstudien, also die Phase-2/3-Studien als Endpunkt nach symptomatischen Infektion/Erkrankungen geschaut wurde und asymptomatische Infekte damit unerkannt oder gar nicht detektiert geblieben sind. Und das geht so ein bisschen in eine ähnliche Richtung wie das, was wir eben hatten. Er argumentiert jetzt wer geboostert ist und dann infiziert ist, merkt es eben nicht, weil er eher asymptomatisch bleibt. Das ist jetzt so ein bisschen die Überlegung, die er anstellt. Ergo: er erkennt nicht, dass er infiziert ist und könnte dadurch eher zu einer Gefahr werden, gerade wenn er im Gesundheitswesen tätig ist. Sein Tipp wäre, jeden Tag testen im Krankenhaus, insbesondere vielleicht in den Stationen, Abteilungen mit sehr kranken Menschen. Herr Scherer, wie bewerten Sie diesen Einwand?

Scherer: Es ist völlig richtig. Es wird auch gemacht, regelmäßige Pooltestungen in den Krankenhäusern. Wir empfehlen es auch für die Alten- und Pflegeheime. Wer geimpft ist und eine Veranstaltung besuchen möchte, sollte vorher einen Antigen-Schnelltest machen. Ich würde das insgesamt nicht als kontraproduktiv sehen. Das ist das Prinzip aller COVID-Impfungen. Wolfgang Schneider-Rathert hat es sehr schön beschrieben mit dem Regenschirm. Und ich vermute mal, dass der Hörer die Phase anspricht, in der der Regenschirm sehr groß ist und noch nicht mal die Füße nass werden, dass er dann sagt: Ja, das kann durchaus sein, dass man das Virus bekommt, nichts merkt, das Virus weitergibt. Deshalb sagen wir ja auch: Impfen plus Testen. Das ist aber keine Frage des Boosterns alleine. Sondern das ist eine Frage, welche grundsätzliche Haltung wir jetzt einnehmen. Und da hat er schon recht. Impfen plus Testen.

Schneider-Rathert: Da würde ich aber auch noch mal einhaken wollen. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im deutschen Gesundheitswesen sind jünger und älter. Und da muss man einfach unterscheiden auch zwischen Jüngeren und Älteren. Wir wissen aus Deutschland, aber auch insbesondere aus Italien, dass auch hausärztliche Kolleginnen und Kollegen und Mitglieder ihrer Teams ums Leben gekommen sind. Und dementsprechend brauchen wir – wir sind da genauso Patienten, wir sind genauso gefährdet, wenn unsere Impfung sieben oder acht Monate her ist. Und deshalb brauchen wir die Boosterimpfung und das Testen. Da bin ich ganz bei dem Kollegen. Aber gerade erst aktuell haben wir eine Mutter zwischen 40 und 50 Jahren mit einer Sauerstoffsättigung, die ungefähr ihrem Alter entsprach, einweisen müssen, die nur einmal Johnson & Johnson geimpft war, ohne die Boosterimpfung bekommen zu haben. Und es ist ja durchaus eben so, dass gerade auch die Johnson-&-Johnson-Impfung, weil sie ja angeblich nur einmal verabreicht werden musste, auch im Gesundheitswesen verabreicht worden ist. Wir brauchen diese Boosterung, also das eine tun, ohne das andere zu lassen. Aber auch das eigene Risiko nicht unterschätzen, auch das Expositionsrisiko nicht. Wir sind auch weiter in den Praxen gefährdet, aber nicht, wenn wir uns boostern und weiter konsequent die Hygieneregeln einhalten und gegebenenfalls testen.

Nößler: Das ist noch mal ein wichtiger Punkt, den Sie da machen. Es geht auch darum, sich selbst zu schützen und dass Sie hier auch in dieser breite Einigkeit sagen, diese ganze Diskussion um 2G, eigentlich 2G Plus, gerade im Gesundheitswesen, dann bitte auch immer testen.

Schneider-Rathert: Und die 19-jährige Pflegeschülerin, da kann man vielleicht dem Kollegen aus Rostock den Punkt gönnen. Das muss vielleicht nicht unbedingt sein.

Nößler: Grüße an dieser Stelle nach Rostock. Vielen Dank dafür. Wir sind einstweilen mit dem Punkt für die Hörerfragen durch und können uns jetzt mit dem eigentlichen Thema beschäftigen, nämlich dem: Wir schaffen das. Vielleicht noch mal an dieser Stelle der Hinweis: Evidenz-Update@Springer.com. Das ist unsere E-Mail-Adresse. Da erreicht man uns. Da kann man uns zum Beispiel Fragen, Impulse oder auch einfach mal ein bisschen Kritik schicken, je nachdem, was gewünscht ist. Wir sind wieder beim Boostern, wir sind beim Impfen, wie kommen wir jetzt durch diesen Herbst? Wir haben schon eingangs gesagt, Stichwort Nudelregal, Klopapier war auch kurz gefallen. Die entscheidende Frage ist jetzt: Wie können wir das organisieren? Der Begriff des Pulses ist ein bisschen gefallen. Herr Schneider-Rathert, erzählen Sie doch mal – man muss vielleicht dazu sagen, für alle, die Sie jetzt nicht direkt kennen, Sie sind in der Gemeinschaftspraxis. Ich glaube, insgesamt sind Sie zu fünft, darunter zwei Weiterbildungsassistenten. Wie organisieren Sie das Impfen bei sich in der Praxis?

Schneider-Rathert: Schönen Dank für die Frage. Es ist ja so, wie ich es vorhin beschrieben habe. Wenn wir ganz ehrlich sind, hat uns alle die Dynamik irgendwie überrascht. Deshalb, als Erstes: Ruhe bewahren und den eigenen Puls fühlen und sich einen Überblick erschaffen. Und dann, wie es hausärztlich Grundtugend ist, praktisch priorisieren, was dran ist. Dann im Team arbeiten und genau überlegen, wie man es organisiert. Und zum guten Schluss auch die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um die eigenen Teams zu entlasten und vom Burnout zu schützen. Fangen wir mal bei Punkt 1 an, nämlich Ruhe bewahren und Überblick verschaffen. Was ist denn gewünscht? Was soll denn passieren? Wir sollen bis zum Jahresende 20 Millionen Boosterimpfungen verabreichen – wünscht sich unser anästhesiologischer Kollege Helge Braun, geschäftsführend im Kanzleramt. Wenn man das so ausrechnet, würde das bedeuten, wenn wir als Hausärzte/-innen alleine impfen, dass das ungefähr 400 Impfungen pro Arzt oder Ärztin wären. Da machen ja noch andere mit. Wenn man das dann mal so grob ausrechnet, bedeutet das, dass, wenn wir das ohne Unterstützung der medizinischen Fachangestellten machen würden, dass man so ungefähr ein bis zwei Wochen alleine damit beschäftigt wäre. Da haben wir aber schon gleich: Hm, das müssen wir irgendwie im Team machen. Aber das ist ja auch nicht das Problem. Wenn man sich überlegt, dass hier bei uns in der Praxis, und bei allen anderen auch, die meisten, die jetzt geboostert werden sollen, haben zweimal Biontech bekommen. Gefühlt sind das so irgendwas zwischen 50 bis 70 Prozent, die einfach schon zweimal Biontech haben. Das bedeutet, dass ja jetzt die im Prinzip den dritten Impfstoff noch mal bekommen. Das ist ja, wie wir eigentlich wissen, überhaupt nicht ungewöhnlich. Kleiner Exkurs: Bei Tetanus, bei Hepatitis B kennen wir dasselbe Impfschema. Deshalb auch noch mal der Hinweis auch den Skeptikern mit den Impfdurchbrüchen: Hey, das ist ein ganz normales Impfschema, wir haben vorher gewusst, dass Immunität gegen Coronaviren nicht lange anhaltend ist. Es ist cool, dass wir überhaupt einen Impfstoff haben, der diese Wirkung erzielt hat, die ja weit größer ist als die der Grippeimpfung. Und dementsprechend ist es auch überhaupt keine Katastrophe, jetzt zu boostern. Aber das ist jetzt eben auch dran. Jetzt müssen wir irgendwie Zeit dafür bekommen. Und diese Zeit, nachdem wir uns jetzt diesen Überblick verschafft haben, was wir an Zeit gewinnen müssen, bedeutet, wir müssen im Moment alles Verschiebbare absagen. Das bedeutet, Herzkreislaufcheckups kann man auch noch im Mai machen, Krebsvorsorge und Hautkrebsscreening kann man, wenn es dringlich ist, auch die fachärztlichen Kollegen bitten, dass sie es ausnahmsweise übernehmen. Und ich sage es ganz offen, auch wenn es mich selber auch hart ankommt, in diesen Zeiten schieben wir alle Überstunden. Herr Laumann ist herzlich eingeladen, bei uns mal eine Schicht mitzumachen. Gerne auch am Samstag.

Nößler: Braucht er nur keinen Golfschläger mitbringen.

Schneider-Rathert: Nein, wir gehen danach Minigolf spielen. Jetzt muss man dann im Team genau überlegen, wie organisieren wir das? Die medizinischen Fachangestellten können uns eine Menge Arbeit abnehmen, in denen sie diese Checklisten, wie sie in den Impfzentren üblich sind, wie sie sicherlich auch schon längst in jeder Praxis etabliert sind, wo nach Fieber gefragt wird, nach Allergien, ob in den letzten 14 Tagen eine Impfung stattgefunden hat, das können die MFA alles vorher abfragen. Wichtig ist natürlich immer, dass das unter ärztlicher Regie und ständiger ärztlicher Ansprechbarkeit passiert, damit bei jeglicher Unklarheit oder dem doch noch vorhandenen Wunsch bei der Drittimpfung noch mal darüber zu reden, vielleicht weil es bei der ersten oder zweiten Impfung eine Unverträglichkeit gab. Das muss natürlich gewährleistet sein. Aber hier können uns die MFAs deutlich entlasten. Und das Entscheidende ist eben der Unterschied zwischen der Apotheke, die ja auch gerne irgendwie impfen möchte und der Haushaltspraxis ist: Wir kennen unsere Patientinnen und Patienten und wir können auch im Falle einer Impfnebenwirkung schnell einschätzen, ob jemand nur hyperventiliert oder vielleicht doch eine Anaphylaxie hat. Man muss einfach auch ganz ehrlich sagen, Adrenalin und Apotheker passt beim Spritzen einfach nicht zusammen. Eine Impfung gehört in eine Praxis, die auch mit den, wenn auch seltenen lebensbedrohlichen Nebenwirkungen umgehend umgehen kann.

Nößler: Da muss ich eine Zwischenfrage jetzt stellen, Herr Schneider-Rathert: Was ist denn zum Beispiel mit Patienten – nehmen wir mal hochbetagte – die in der Frühphase dieser Impfwelle ab Weihnachten über mobile Impfteams geimpft wurden oder vielleicht sogar in einem Zentrum waren, weil sie selbst noch rüstig genug sind. Da würden Sie natürlich auch noch mal eine ordentliche Aufklärung machen, wenn die noch nicht bei Ihnen waren zur Impfung.

Schneider-Rathert: Das wäre gegebenenfalls auch noch mal einfach von der Politik klarzustellen. Also am Einfachsten sind natürlich diejenigen, die bei uns schon zweimal geimpft sind und jetzt nach Ablauf von sechs Monaten über 70 ihre Boosterimpfung wollen. Das braucht ja nicht viel Überlegungen. Das wäre schon zu überlegen, ob nicht die Politik Rahmenbeding schaffen könnte, in der sie sagt: Wenn jemand in einem Impfzentrum adäquat aufgeklärt worden ist, ist diese Impfung nicht zwingend für eine Drittimpfung, wenn sie anderswo stattfindet, zu wiederholen. Für mich und meine Praxis macht es keinen Unterschied. Ich habe da ein ausreichend breites Kreuz und bin mir sicher, dass ich das so machen kann mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Aber es wäre sicherlich hilfreich für diejenige, die juristische Bedenken haben und denken, dass man vielleicht auch die Drittimpfung noch mal schriftlich aufklären muss. Es wäre schon hilfreich, wenn die Politik zum Beispiel sagen würde, wenn jemand eine Bescheinigung aus einem Impfzentrum vorlegt, darf der Hausarzt, die Hausärztin davon ausgehen, dass eine schriftliche Aufklärung vorliegt. Und dann reicht ausdrücklich eine mündliche Aufklärung. Weil einfach die Unsicherheit in den Praxen da ist. Auch da müssen wir uns ehrlich machen, eine Impfung, die 90 Prozent vor Krankenhaus und Intensivstation und Tod schützt, ist der Kracher. Wir wären froh, die Grippeimpfung wäre so toll. Aber wir kaufen uns das schon ein, mit einer Impfung, die von der Verträglichkeit Abstriche machen muss, im Vergleich zu einer traditionellen Grippeimpfung. Auch das würde jede Praktikerin und jeder Praktiker sofort bestätigen. Und deshalb gibt es einfach eben bei den Kolleginnen und Kollegen gerade auch in der stellenweise etwas aufgeheizten Stimmung in der Gesellschaft, das Bedürfnis, sich abzusichern. Das kann ich gut verstehen. Deshalb wären solche Klarstellungen seitens der Politik hilfreich, um uns das Impfen zu erleichtern.

Nößler: Also da das Thema ärztliche Haftung gegebenenfalls auch noch mal, könnte man ja mit einer Rechtsverordnung oder in der Impfverordnung könnte man das regeln. Wir haben – kennt wahrscheinlich jeder – das Thema Impfschäden. Das ist da ja auch relativ besonders geregelt. Das wäre ja durchaus möglich. Ich will das Thema, Herr Schneider-Rathert, das Sie angesprochen haben mit den Impfzentren, gerne noch mal nach Hamburg zu Martin Scherer rüberwerfen. Das finde ich nämlich dann gar nicht so uninteressant. Weil wenn ich es jetzt richtig bei Ihnen rausgehört habe, das kann schon bei dem einen oder der anderen Kollegin von Ihnen durchaus ein bisschen Troubles verursachen. Herr Scherer, ich erinnere mich, wir hatten über die Impfzentren gesprochen neulich, da war auch eigentlich eher so der Tenor: Eigentlich brauchen wir die Impfzentren jetzt en gros nicht. Das Interessante dabei ist, dass es am UKE von Ihnen den sogenannten Praxisklimaindex gibt. Den machen Sie in der Coronapandemie. Der wurde von Ihnen auch schon öfter mal zitiert. Und da gab es just in dieser Woche eine neue Umfrage, eine neue Welle, eine neue Auswertung. Und da fand ich doch interessant, dass 58 Prozent der befragten Kolleginnen und Kollegen von Ihnen sagen: Halten Sie eine Reaktivierung der Impfzentren für nötig? Ja. Wäre das nicht durchaus für diese besondere Klientel, also auch die Menschen, die in Impfzentren ihre erste vollständige Impfserie bekommen haben, nicht die besser Wahl?

Scherer: Das ist oft in der Wissenschaft so, dass einem nicht immer alles in den Kram passt, dass man dann solche Daten erhält. Noch vor einer Woche habe ich gesagt, wir brauchen die milliardenschweren Impfzentren nicht. Und was sagen dann über 1.100 hausärztliche Kolleginnen und Kollegen – das ist ja schon eine große Fallzahl – zu 58 Prozent sagen sie, ja, eine Reaktivierung der Impfzentren könnte zumindest jetzt für diese zusätzliche Boosterbelastung Sinn machen. Vielleicht noch ganz kurz, Herr Nößler, Sie sagten, das Institut für Allgemeinmedizin macht diesen Praxisklimaindex, das ist richtig. Das ist auch ein DEGAM-Projekt. Und auch ein Projekt mit sehr tatkräftiger Unterstützung der Landesverbände, des Hausärzteverbands Hamburg, Niedersachen und Bayern. Und das ist sehr erfreulich. Und deshalb bemühen wir uns natürlich auch Fragen zu stellen, die ein brauchbares Meinungsbild dann erzeugen.

Schneider-Rathert: Von der Basis würde ich hier auch noch eine Erweiterung des Blicks anbieten wollen. Nämlich, die Umfrage, da erinnere ich mich auch, ich habe da auch dran teilgenommen. Die war vor den Entwicklungen dieser Woche. Die war zu einem Zeitpunkt, wo Hausärztinnen und Hausärzte 20 Euro pro Impfung angeboten worden sind. Ich sage immer scherzhaft: Wir sollen sämtliche Impfungen zum super Sparpreis machen und das auch noch samstags. Da hätte ich gerne einen Tipp von Herr Laumann, weil ich bei der Bahn samstags super Sparpreise kriege im ICE von Hannover nach Berlin. Jetzt ist es ja so, dass die Wertschätzung für hausärztliche Tätigkeit, wenn die Not nur groß genug ist, beginnt zu wachsen. Wir bekommen ja jetzt immerhin 28 Euro pro Impfung. Das ist immer noch nicht so viel wie in den Impfzentren, aber da kann man langsam mit arbeiten. Und es wurde ja tatsächlich auch erstmals angedacht, dass medizinische Fachangestellte auch mal ein Coronabonus bekommen können. Ich glaube, da ist so ein bisschen was in Bewegung gekommen. Und ich fände es total spannend zu schauen, wie im Lichte dieser Entwicklungen die Kollegen das sehen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man sagt: Wisst ihr was? Für 20 Euro belaste ich mein Team nicht weiter, dann macht doch euren Mist alleine.

Nößler: Da muss ich jetzt direkt nachfragen: Weil Sie das Thema Honorar ansprechen. Man kommt da nicht drum herum und da kann Herr Scherer immer auch noch sagen, er ist Wissenschaftler, aber am Ende gehört halt irgendwie das Thema Honorar dann doch dazu, gerade natürlich auch im niedergelassenen Bereich. Weil am Ende natürlich Ärzte auch – ich nehme mal diesen bösen Begriff – Unternehmer sind. Sie haben ja auch Verantwortung für die Praxis und die Leute, die da arbeiten und angestellt sind. Das Thema Honorar, 28 Euro, wurde erhöht, jetzt am Montag mit der neuen Corona-Impfverordnung. In dieser Corona-Impfverordnung, in der neuen Fassung, Herr Schneider-Rathert, steht auch drin, dass für das Impfen zur Unzeit, also ganz besonders hier am Wochenende Samstag und Sonntag, man 36 Euro pro verimpfter Dosis bekommt. Und was ich interessant finde, ist die Diskussion, die unter Ihren Kollegen stattfindet in den einschlägigen Foren, die man kennt, wo durchaus schon geschaut wird: Macht ihr am Samstag mal wieder so ein Impftag oder so. Das ist gar nicht so honorargetrieben, ist gar nicht mein Eindruck. Aber die Kolleginnen und Kollegen von Ihnen fragen sich schon: Wie organisiert ihr es, bündelt ihr es wieder an einem Tag? Ich erinnere mich, es war auch der Hörer aus Rostock, der hat mal im Erlebnisdorf geimpft. Wäre es so was, samstags so ein Impftag einzurichten, Herr Schneider-Rathert?

Schneider-Rathert: Ja, genau das überlegen wir auch. Das kann auch durchaus sein, dass das stattfindet. Aber ich sage mal so, die Honorierung ist jetzt beim Sparpreis angekommen. Und Hausärzte sind ja ein treues, idealgetriebenes Völkchen. Und zum Sparpreis kriegt man uns schon im Trab. Aber man sieht jetzt auch wieder, am Samstag wird laut Tarifvertrag den medizinischen Fachangestellten ein Gehaltszuschlag von 50 Prozent gewährt, was auch völlig richtig ist. Kann ich bei der Honorierung jetzt nicht direkt erkennen, wenn 8 Euro dazukommen. Es ist aber trotzdem natürlich so, man muss ja noch mal eins erinnern, wir haben schon vor der Pandemie Hausärztemangel gehabt. Was erwarten wir denn jetzt, was in der Pandemie passiert? Natürlich sind wir am Anschlag, das ist doch ganz klar. Sonst hätten wir vorher gelogen, dass wir Hausärztemangel haben. Natürlich ist es schwierig. Und deshalb ist die einfachste Form der Mehrarbeit, die Praxis aufzumachen an einem Tag, wo sie in der Regel nicht offen ist. Geld spielt da in der Regel bei diesen 8 Euro wirklich nicht die Rolle. Aber ja, man kann samstags aufmachen. Aber man sieht eben auch die mangelnde Wertschätzung von 8 Euro pro Impfung, kann ich nicht am Wochenende aufmachen, ich werde es vielleicht trotzdem tun, weil es einfach muss.

Nößler: Also der Weg, auf Samstag auszuweichen, beispielsweise, wäre jetzt wahrscheinlich eher auch dadurch getrieben, dass man dadurch die Praxisabläufe von Montag bis Freitag einfach ein Stück weit entlasten kann. Und damit die Leute dann eben, die ein akutes Koronarsyndrom haben, Angina pectoris, noch durchkommen.

Schneider-Rathert: Beziehungsweise, die sind ja am Wochenende sowieso gewohnt, dass sie andere Nummern wählen, nämlich den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst. Und was Sie ansprechen, ist ja sozusagen: Wir wollen ja noch gucken, welche Szenarien gibt es denn, wie kannst du das schaffen? Szenario 1 ist, separate Impfsprechstunde. Und damit haben wir auch gute Erfahrungen gemacht, das geht sehr gut und sehr glatt und mit kurzen Wartezeiten, total patientenfreundlich. Wir kriegen ganz viele Rückmeldungen, die sehr positiv sind, wie termintreu und wie gut organisiert das in so einer Praxis ablaufen kann. Gerade auch im Vergleich zu manchen Impfzentren. Andere Möglichkeit wäre aber eben auch, wo wir vielleicht auch noch drüber sprechen, dass man sozusagen im laufenden Betrieb mitimpft. Vorteil am Samstag ist natürlich, da hast du sonst nichts, da kannst du wirklich richtig loslegen.

Nößler: Gucken wir gleich noch mal, wie so die Best-Practice Praxis-Orga aussehen könnte im laufenden Betrieb, wie man das gut einstellt. Ich will noch mal Martin Scherer fragen. Mit Blick auch auf das Boostern. Wir hatten es eingangs schon besprochen, die Gesundheitsminister treffen sich am wunderschönen Bodensee im noch wunderschöneren Lindau und beschließen eine noch wunderschöneren Beschluss, dass jetzt alle die sechs Monate lang geimpft, vollständig, sich boostern lassen können. Und dann stehen die vor der Praxis. Und dann stehen – das ist jetzt meine Hypothese, Herr Scherer, bitte sagen Sie mir, ob sie stimmt oder nicht – auf einmal ein Haufen 30- oder 40-Jährige, die eigentlich gesund sind, vielleicht nicht zu den vulnerablen Gruppen zählen, weil sie keine Vorerkrankungen haben, in den Praxen. Wollen geboostert werden und dann ist das Wenige an Impfstoff, das im Moment verteilt werden kann, belegt. Und dann können wir nicht die 70-Jährigen boostern. Wie sieht das aus, Herr Scherer? Was kriegen Sie da von Kolleginnen und Kollegen zurückgespielt beziehungsweise wo sollte vielleicht die Politik jetzt auch noch mal einen Punkt machen?

Scherer: Also unser Paxisklimaindex, den Sie ansprachen, der liefert schon indirekte Hinweise darauf, dass wir hier ein Versorgungsproblem haben. Also die Belastung durch die Auffrischimpfung von Personen deutlich unter 70 Jahren, die wird als fast genauso groß eingeschätzt wie die Belastung der Auffrischimpfungen nach STIKO. Und das ist natürlich schon die Frage, ob wir diese Belastungssituation hier so haben müssen, inwiefern die hausgemacht ist. Wir haben das mehrfach angesprochen. Und da fließt natürlich alles mit ein. Das sind organisatorische Themen, das ist der Druck der Patientenzahl. Und das sind natürlich auch Fragen, wie ich den Impfstoff wann wie beschaffe, wie ich das time, wie ich die Terminierung mache. Das alles kulminiert. Aber unterm Strich ist es tatsächlich so, dass der Druck durch die Auffrischimpfungen von Jüngeren fast genauso groß ist wie die Belastung, die dadurch entsteht, dass man jetzt die auffrischt, die eigentlich prioritär auch dran sind.

Nößler: Und dann schickt man die Jungen weg und sagt: Du bist noch nicht dran?

Scherer: Das wird im Einzelfall unterschiedlich gehandhabt. Und es gibt hier auch Kollegen, die sagen: Mensch – das sind natürlich Einzelfälle – ich habe gar keine Lust mehr zu impfen, weil die ganzen 30-Jährigen, die hier stehen und aufgefrischt werden wollen, das ist mir jetzt einfach zu viel. Ich mache hier mal eine Impfpause. Das sind Einzelfälle, aber die gibt es. Und deshalb machen wir eben diesen Praxisklimaindex, weil die Situation eben heterogen ist. Und weil bei 55.000 Kolleginnen und Kollegen es da nie ein einheitliches Bild gibt. Aber ich glaube, was wir heute hier versuchen, und was auch Wolfgang Schneider-Rathert hier mit seinen Best-Practice-Beispielen anregt, das ist so ein bisschen Mut zu machen und zu zeigen, durch unterschiedliche Formen der Praxisorganisationen kann man den Druck rausnehmen, vielleicht mal etwas umschichten, etwas, was nicht so wichtig ist, mal anders machen und sich wirklich jetzt auf das konzentrieren, was dran ist und so ein bisschen seine individuelle Ordnung finden, wohl wissend, dass es hier nicht one size fits all gibt. Also das muss jetzt jeder für sich selber rausfinden, wie er das handhabt.

Schneider-Rathert: Aber Herr Scherer, das leitet eigentlich idealerweise über zum dritten Punkt. Wie schaffen wir das? Nämlich die Digitalisierung nutzen, um sich selbst und die eigenen Teams zu entlasten. Wie läuft das bei uns in der Praxis? Bei uns gibt es die Impftermine in den Impfsprechstunden nur online. Wir haben zentral auf unserer Webseite den Button installiert, der direkt zu unserem Terminvergabesystem führt. Und in dem System ist ganz klar benannt: Bist du über 70 oder bist du im Gesundheitsberuf tätig oder bist Johnson & Johnson geimpft, kriegst du einen Termin. Und das Schöne, wenn sich jetzt jemand mit 35 Jahren anmeldet, braucht unser MFA überhaupt nichts weiter zu tun, außer einen Button zu drücken: Ihr Termin konnte nicht bestätigt werden. Und damit verlagern wir ganz viele von diesen Diskussionen außerhalb der Praxis. Gleichzeitig muss ich aber auch eine Lanze für die Jüngeren brechen und gleichzeitig noch mal auf unsere Stärke in den Haushaltspraxen hinweisen. Ich oute mich, ich habe einen Universitätsprofessor geimpft, der war deutlich unter 70. Und warum habe ich das gemacht? Ich habe ihn geimpft, weil in seiner Familie ein ganz junger Mensch ist, der höchstvulnerabel ist und unlängst eine höchst kritische medizinische Maßnahmen über sich ergehen lassen musste und selbst nicht geimpft werden kann aus medizinischen Gründen. Und da war der nachvollziehbare Wunsch, dieses junge Familienmitglied durch eine entsprechende Boosterimpfung sicher zu schützen.

Nößler: Aber entspricht das nicht auch im Groben eigentlich schon der STIKO-Linie, die sagt: Naja, Angehörige von sehr Vulnerablen, ja, bitte.

Schneider-Rathert: Natürlich. Die STIKO wird da mit Sicherheit nicht widersprechen. Aber es ist ja, jetzt muss man auch sagen, bei den ständigen Aktualisierungen so, dass wir nicht an der Basis verlangen können, dass jemand die letzte Seite gelesen hat. Ich sage mal so, wir haben jetzt die Politik gebasht, das Gute an dem Gesundheitsministerbeschluss ist, dass ich im Prinzip individuell gute Lösungen finden kann, weil der Rechtsrahmen geschaffen wurde. Schick wäre halt gewesen, dass man das im Team mit der STIKO synchronisiert und schick wäre auch gewesen, deutlich zu sagen, dass die Priorität nicht auf 29-Jährigen liegt, die doch jetzt diesen Winter in Skiurlaub nach Ischgl wollen.

Nößler: Das mit der fehlenden Synchronisierung der politischen Ankündigung und der offiziellen STIKO-Empfehlung, das haben wir ja seit Ende letzten Jahres eigentlich. Das ist ja so ein kleines Problem, wenn ich das mal sagen darf. Auf der anderen Seite sagen Sie, wenn ich Sie jetzt beide so ein bisschen verstehe, individuelle Entscheidungen müssen möglich sein. Der Rechtsrahmen dafür ist da. Auf der anderen Seite wäre vielleicht auch noch mal so ein offizieller Hinweis nötig: Bitte lasst doch den Menschen mit hohen Risiken erst mal einen Vortritt. Das könnte doch eigentlich Teil auch noch mal einer Aufklärungskampagne sein, oder?

Scherer: Ob wir dann eine Kampagne brauchen, ist die Frage. Es würde schon helfen, wenn wir unter denjenigen, die gerne mal an ein Mikrofon treten, eine relativ einheitliche Sprachregelung finden würden. Aber ich glaube, so langsam kriegen wir das hin. Also eine Kampagne jetzt so schnell noch mal auf den Weg zu bringen, nur für diesen Punkt, das ist schwierig. Aber eigentlich sollte das klar sein, dass jetzt erst mal die drankommen, die es am dringendsten brauchen.

Nößler: Ich will noch mal, weil Herr Schneider-Rathert das angesprochen hat, die Praxisorganisation, das Best-Practice-Beispiel Querum aufgreifen. Mein Eindruck ist tatsächlich so in der Diskussion, was man mitbekommt unter den Hausärztinnen und Hausärzten, dass sie jetzt schon wirklich suchen nach Beispielen, wie machst du es, wie machst du es, wie organisiert ihr das? Sie haben gesagt, Sie haben einen digitalen Terminplaner, der schon mal so ein Stück weit auch filtert. Dass Ihnen da nicht die Buchungen um die Ohren fliegen. Wie organisieren Sie es sonst noch so im Team, damit eben nicht irgendwelche hinten runterfallen? Sie hatten schon gesagt: einen Überblick bewahren. Aber machen Sie es noch mal ganz konkret. Erklären Sie mal beispielsweise einem jungen Kollegen, der das noch nie so organisiert hat, was muss er jetzt konkret tun?

Schneider-Rathert: Das mache ich gerne. Da sieht man wieder, was für ein medizinischer Zehnkämpfer, was für eine medizinische Siebenkämpferin wir Hausärztinnen und Hausärzte sind. Das fängt erst mal bei der Telefonanlage an. Die Warteschleife muss besprochen sein und da wird besprochen: Wenn Sie sich für die COVID-19-Impfung interessieren, schauen Sie bitte auf unsere Webseite. Sie finden dann entsprechend die Möglichkeit, Ihren Termin online zu buchen. Das entlastet das Telefon schon mal. Was dann absolut wichtig ist, ist, dass Sie regelmäßige Teambesprechungen haben. Hören Sie auf Ihre medizinischen Fachangestellten. Mit die besten Ideen zur Pandemiebekämpfung, wie wir die Abstriche machen, wo wir die machen, verdanken wir unseren medizinischen Fachangestellten. Das ist auch ganz wichtig, wir kommen nur durch diese Zeit, wenn wir ausreichend und genug kommunizieren. Wir haben das große Glück, unter dieser wirklich sehr, sehr anstrengenden Belastung im Moment eine sehr stabile Teamstimmung zu haben, weil wir miteinander sprechen und einander wertschätzen. Anders geht es nicht. Dann ist es eben wichtig, dass sie das Terminvergabesystem so gestalten, dass völlig klar ist, wer Termine kriegt und wer nicht. Damit haben sie nämlich die Diskussion außerhalb ihrer Praxis ins Terminvergabesystem verlegt. Und wenn dann jemand sich nicht dran hält und einen Termin bucht, wo sie sehen können, das passt vorne und hinten nicht, dann können sie den, wie ich es vorher gesagt habe, mit einer SMS aufs Handy absagen. Sie haben die Diskussion nicht am Tresen. Das ist unglaublich entspannend für die medizinischen Fachangestellten. Gelichzeitig bietet ein solches System auch die Möglichkeit, wenn mal eine Lieferung nicht kommt, auf einen Schlag, mit einem Klick alle Termine abzusagen. Denken Sie sich eine Praxis, die ein solches System nicht nutzt. Stellen Sie sich vor, Sie sind medizinischer Fachangestellter und dürfen mal eben 50 Coronaimpfungen an einem Vormittag absagen, weil die Lieferung nicht gekommen ist. Ganz hartes Brot. Unnötig verplemperte Energie. Das muss aber entsprechend so überhaupt gar nicht sein. Sondern wenn Sie das in dieses System integrieren, werden Ihre medizinischen Fachangestellten Ihnen das deutlich danken. So ein System kann heutzutage auch etwas Weiteres, nämlich den Aufklärungsbogen, den Sie benutzen, das ist ja unterschiedlich, welche da benutzt werden. In der Regel empfiehlt sich ein hausärztlich pragmatischer Einseiter, den können Sie zeitglich mit der Terminbestätigung verschicken, sodass die Patientinnen und Patienten das schon ausgedruckt und unterschrieben mitbringen. Dann geht es auch noch mal schneller. Also es macht absolut Sinn, Schritt 1, Ruhe bewahren und sich den Überblick verschaffen, macht absolut Sinn, weil du danach viel Zeit sparst. Und den größten Fehler, den du jetzt machen kannst, ist irgendwie panisch werden und wie wild anzufangen zu arbeiten. Sondern überleg dir vorher, welche Zeitinvestition sich lohnt. Und die Zeitinvestition, eine digitale Terminvergabe zu haben, die direkt fürs Impfen ist, ist aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Schritt.

Nößler: Setzt dann aber sicherlich auch voraus, dass man da ein bisschen schaut, irgendein Tool – ich meine, wir haben in der PVS-Welt einige an Möglichkeiten. Und da fragt man sich auch immer wieder, welches soll ich jetzt nehmen. Also da müsste man auch immer gucken, was bietet mein eigener PVS-Anbieter an. Weil irgendwas Inkompatibles da hinstellen, macht ja auch keinen Sinn.

Schneider-Rathert: Dazu kann ich mich und werde ich mich definitiv nicht äußern, weil ich da einen großen Interessenskonflikt habe, weil ich selbst mit einem großen PVS-Anbieter zusammenarbeite. Ich rate schlicht und ergreifend: Tauscht euch miteinander kollegial aus und schaut, welche Erfahrung ihr habt mit eurem System und dann findet ihr auch sehr schnell das System, das zu euch passt.

Nößler: Da merkt man, dass jemand DEGAM-Mitglied ist, wenn er ein Interessenkonflikt hat und sagt, ich äußere mich jetzt dazu nicht. An dieser Stelle, ich will vielleicht zum Ende hin noch mal zwei andere Dinge ansprechen, Stichwort Impfstoffknappheit. Jetzt hatten Sie es schon angedeutet, das könnte wieder so ein kleines Nadelöhr werden. Herr Scherer, noch mal vom Großen und Ganzen geblickt, wenn es jetzt am Ende so ist, dass man die beste Praxisorganisation hat, die beste Truppe an MFA, die man sich vorstellen kann und alles super organisiert, vielleicht sogar ein cooles Terminvereinbarungssystem. Und am Ende hat man Dutzende einbestellt für einen Tag und dann kommt der Impfstoff nicht. Dann sind wir doch eh wieder gekniffen.

Scherer: Natürlich ist man da gekniffen, wenn man jetzt 50 Patienten terminiert hat für einen ganzen Tag und alle ist darauf ausgerichtet, man hat eine MFA dann dafür auch bereitstehend und jeder ist vorbereitet. Der Impfstoff kommt nicht, die Patienten müssen dann umbestellt werden. Das ist natürlich erst mal für so einen Tag ein Super-GAU. Muss man vermeiden. Kommt hoffentlich nicht oft vor, ich habe es persönlich noch nicht erlebt.

Schneider-Rathert: Auch da mein Tipp. Wir vergeben keine Termine für Impfstoff, den wir nicht in der Praxis haben. Das hat den Nachteil, dass Patienten häufig keine freien Termine sehen und mehrfach auf unserer Webseite gucken müssen. Aber wir stellen erst Termine online für Dinge, die wir im Kühlschrank haben. Weil selbst, wenn man das so schick mit dem digitalen System absagen kann, viel Freude macht man damit nicht.

Nößler: Das heißt, Sie planen auch nicht so Pi mal Daumen aus der Vergangenheit, naja, ich weiß, so und so viel Impfstoff bekomme ich von der Apotheke, bestellen Sie ein. Mit Blick auf das, was Sie eben geschildert hatten von Kollegen, die dann einfach nur ein Drittel von der Apotheke bekommen haben und absagen – Sie gucken, was ist im Kühlschrank drin, was habe ich bekommen und so viel Termine geben Sie frei.

Schneider-Rathert: Genau. Und man kann natürlich auch mit einer verantwortlichen Vorratshaltung – man muss ja nicht Ende der Woche auf null sein. Mit einer gewissen Schwankungsbreite kann man die Abläufe einfach glätten.

Nößler: Und der Impfstoff hält sich nun auch ein paar Tage, sechs Monate in der Summe, glaube ich, maximal.

Schneider-Rathert: Ein Monat im Kühlschrank. Da muss man ja immer aufpassen, das erschwert ja auch wieder die Imfperfei. Es berichten immer wieder Kolleginnen und Kollegen, dass sie den Impfstoff schon aufgetaut, mehrere Tage aufgetaut bekommen und dann eben der Zeitraum zum Verimpfen knapp wird.

Nößler: Da muss man eben die Grenze beobachten. Aber auch da dürfte ja mittlerweile Routine drin sein. Vielleicht noch mal so zum Ende hin: Der Impfstoff ist nun mal jetzt auch ein rares Gut. Das war im Herbst noch ein bisschen anders, haben Sie eben geschildert. Jetzt haben wir ja durchaus diese Parallelstrukturen. Und ich habe ja, Martin Scherer, Ihnen eben so ein bisschen das Commitment pro Impfzentren eigentlich herauslocken wollen. Das ist mir nicht gelungen. Jetzt haben wir aber trotzdem diese Parallelstrukturen, wir haben die niedergelassenen Ärzte, die impfen. Wir haben natürlich nach wie vor auch vielleicht Betriebsärzte, die damit unterwegs sein können. Wir haben die Krankenhäuser, die impfen können, die mobilen Teams und sogar in den Kommunen vereinzelte Impfzentren noch. Könnte so was nicht eine Knappheit oder eine Fehlallokation des Impfstoffs forcieren?

Scherer: Das weiß ich jetzt nicht. Aber ich denke, dass die Stadtstaaten das ziemlich gut vorgemacht haben. Wir haben sowohl in Hamburg als auch in Bremen sehr hohe Impfquoten. Genau durch die Kombination von Regelversorgung und Zusatzangeboten. Da gibt es diese mobilen Impfteams, da gibt es dann noch feste Impfstellen. Es gibt zusätzlich die Regelversorgung. Und ich denke, das ist der Weg. Vielleicht steckt dann in dieser Frage: Brauchen wir nicht doch die Impfzentren und in der Antwort vieler Kolleginnen und Kollegen auch der Wunsch drin: Ja, wir brauchen Unterstützung, wir brauchen Zusatzangebote. und vielleicht müssen es dann auch nicht immer diese großen Strukturen sein. Vielleicht würde es dann auch reichen, die Personalkapazitäten, die die Impfzentren betrieben haben, dann für mobile Teams oder für Zusatzangebote einfach einzusetzen.

Nößler: Dann möchte ich zum Ende hin noch über einen kleinen Aspekt mit Ihnen sprechen. Das kommt auch so ein bisschen aus der Ecke Best Practice. Da können wir mal schauen, was geht. Nämlich das Thema Koadministration COVID-Vakzinen und Influenza-Vakzinen. Da hatten wir in der letzten Episode darüber gesprochen. Und da war auch einhellige Auffassung: Ja, STIKO sagt, das könnt ihr machen, Koadministration; Martin Scherer pragmatisches Vorgehen. Wenn doch der Mensch gerade da ist, dann einmal links, einmal rechts und rein damit. Die Frage, die sich natürlich auch stellen könnte, ist: Was könnte denn dagegensprechen? Also Stichwort beispielsweise Verwechselung werfe ich jetzt einfach mal rein. Das Thema Nebenwirkung. Wenn es eine Impfnebenwirkung gibt, welchem Impfstoff ordne ich die dann zu? Ist jetzt Influenza schuld oder die COVID-19-Vakzine? Herr Schneider-Rathert, wie machen Sie das? Immer Koadministration bei denen, die auch eine Influenza-Impfung haben wollen?

Schneider-Rathert: Nein. Es ist so, dass wir beides machen. Die Situation ist viel zu ernst, als dass man sich jetzt hier verkünsteln muss. Wenn ein Mensch in die Praxis kommt und sagt, ich hätte gerne beides, beikommt er oder sie beides. Wir müssen uns überlegen, dass diejenigen, die wir doppelt impfen, in der Regel Menschen über 60 Jahre sind. Und das sind ja diejenigen, die die Coronaimpfstoffe in der Regel gut vertragen. Ich habe gerade heute wieder etliche Boosterimpfungen bei Älteren durchgeführt. Und auf die Frage, wie war es denn so die ersten beiden Male, habe ich mehr oder weniger Blicke kassiert: Warum fragst du eigentlich. Und das wäre bei 25- bis 30-jährigen Krankenschwestern, die AstraZeneca bekommen haben, ganz anders gewesen. Das heißt, die STIKO hat ja nicht auf den blauen Dunst hin, sondern mit ihrer Expertise empfohlen, dass man diese Patientengruppen durchaus doppelt impfen kann. Ich sage aber auch ganz deutlich: Aus meiner Sicht ist die Boosterung der Coronaimpfung ganz klar prioritär in der jetzigen Situation. Und wer da obendrein noch seine Grippeimpfung haben will, kann sie gerne bekommen. Eine Verwechselungsgefahr ist da völlig ausgeschlossen. Die schönen 0,3er Spritzen mit dem DEGAM-Luftbläschen obendrauf, dass man verstellungsfrei den ganzen Impfstoff verimpft, das ist nicht zu verwechseln mit einer Fertigspritze. Das fängt erst an, wenn das Impfen uns endlich einfach gemacht wird, dass wir auch die Coronaimpfung als Einzelimpfoff haben. Aber so lange gibt es da keine Verwechslungsgefahr. Wir machen das ganz pragmatisch. Neben der Coronaimpfung liegen immer noch eins, zwei Grippeimpfungen, die aus dem Kühlschrank rausgeholt worden sind. Und wenn die weg sind, legen wir neue nach.

Nößler: Ganz pragmatisches Vorgehen. Genauso wie Martin Scherer neulich sagte: Das eine Thema, das da aufgepoppt ist mit dem Thema Nebenwirkung. Jetzt habe ich links eine Impfung drin, rechts eine Impfung drin und jetzt habe ich Impfnebenwirkung oder etwas, was für eine Impfnebenwirkung spricht. Ich kann dann natürlich nicht wirklich exakt zuordnen, welche Impfung ist jetzt schuld. Das geht dann eigentlich nicht mehr.

Scherer: Ja, das ist dann schwierig. Aber vielleicht sollten wir auch nicht zu viel über Nebenwirkungen sprechen, Herr Nößler. Wir wissen aus der Nocebo-Forschung, dass Impferwartungen auch wahrgenommene Nebenwirkungen triggern können. Und deshalb sollten wir das Thema hier an dieser Stelle vielleicht beenden.

Nößler: Oje, na gut. Also, der Chef hat gesprochen. Wir beenden das Thema Nebenwirkungen. Damit sind wir dann aber auch schon am Ende dieser Podcast-Episode, nämlich der Episode, in der wir über Best Practices im Umgang mit den Impfungen in dieser Zeit, in diesem Herbst und dem drohenden Winter, hätte ich fast gesagt, hinbekommen. Wolfgang Schneider-Rathert hat mal aus seiner Praxis berichtet, wie er da ganz pragmatisch mit seinen Kolleginnen und Kollegen vorgeht, was er so tut. Martin Scherer hat auch noch mal so das, was eingangs mit dem Impuls erzählt wurde, angesprochen. Hat gesagt, wie wir jetzt pragmatisch vorgehen sollen. Und es bleibt am Ende wieder viel bei Graustufen. Das ist das, was ich mitgenommen habe. Aber auch die Ansage, man kann das, wenn man sich ruhig hinsetzt, plant, überlegt, organisiert, alles gut hinkriegen. Das war jetzt die Take-Home-Message, die ich von Ihnen beiden mitnehme. Ich hoffe, das wäre so das Ziel, das Sie auch gesetzt haben wollen.

Scherer: Gut zusammengefasst, auf jeden Fall.

Schneider-Rathert: Ich würde gerne von meiner Seite aus noch ergänzen wollen, dass wir bislang nur über die separaten Impfsprechstunden gesprochen haben und dass viele Kolleginnen und Kollegen es eben auch so machen, dass Patientinnen und Patienten, die ohnehin schon für einen Termin in die Praxis kommen, schlicht und ergreifend gleich mit Corona geimpft werden. Und dann ist die Nachbeobachtungszeit, wenn das direkt vor der Konsultation ist, direkt unter ärztlicher Aufsicht. Und dafür kann es einfach auch hilfreich sein, sich in seinem eigenen EDV-System so einen Reminder zu basteln. Gängige Arztinformationssysteme können das. Dass man eben entsprechend guckt, hey, habe ich jetzt über sechs Monate zurückliegend eine Erst- oder Zweitimpfung mit den gängigen Impfstoffen vorgenommen? Ist der Mensch über 70 Jahre alt und hat er noch keine Boosterimpfung bekommen? Das kann man ja alles an den Abrechnungsziffern erkennen. Und dann kann eine solche Rückmeldung eben auch da sofort aufpoppen, sodass die medizinischen Fachangestellten sofort die Patientinnen und Patienten ansprechen können oder auch den Arzt, die Ärztin vor der Sprechstunde ansprechen können. Es soll ja Praxen geben, die ihre Sprechstunde kurz vorbereiten. Und dann kann man eben genau sehen: Guck mal, heute kommen sieben oder acht, die im Prinzip einen Booster brauchen, da können wir schon ein Vial aufmachen und dann machen wir das quasi to go.

Nößler: Wow, Herr Schneider-Rathert, gleich noch mal so ein Practice Pointer am Ende raus. Ist gar nicht verkehrt, dass man sich so was auch fürs Ende aufhebt. Also Tipp: Liebe Leute, guckt in eure AIS/PVS hinein. Und schaut, kann man auswerten, kann ich schauen über die entsprechenden Ziffern, die entsprechenden Codierungen, wer wäre jetzt eigentlich dran für ein Booster, auch nach dem Alter geschaut. Und sobald die einen Termin haben und man macht morgens die Kartei auf, sieht man: Booster. Und dann kann man schon mal was beiseitelegen. Das wäre jetzt noch mal so eine richtige Take-Home-Massage on top. Vielen Dank an Sie beide. Herr Scherer, von uns beiden natürlich auch vielen Dank an Wolfgang Schneider-Rathert, dass Sie hier waren.

Schneider-Rathert: Sehr gerne.

Scherer: Vielen Dank auch von mir.

Nößler: Dann bin ich mich an der Stelle, dass ich mich bei Martin Scherer bedanke für diese feine Episode. Und ihn wie immer in guter Tradition fragen muss, ob er es wieder mit einem Cliffhanger versuchen möchte.

Scherer: Über Mabs werden wir sprechen das nächste Mal, verschiedene Mabs.

Nößler: Jetzt hätte ich mich fast in der Sesamstraße gesehen. Wir werden über Mabs reden. Ich ahne, was auf uns zukommen könnte. In diesem Sinne, vielen Dank an die Hörerinnen und Hörer. Vielen Dank, Martin Scherer, vielen Dank, Wolfgang Schneider-Rathert. Bleiben Sie gesund! Auf bald! Ahoi. Tschüss!

Scherer: Tschüss. Danke.

Schneider-Rathert: Tschau.

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