Landessozialgericht

AOK Bayern lenkt bei Senioren-WGs ein

Kasse übernimmt die Kosten für Behandlungspflege erst einmal weiter, strebt aber eine endgültige juristische Klärung an.

Thorsten SchüllerVon Thorsten Schüller und Christiane BadenbergChristiane Badenberg Veröffentlicht:
Wer soll die Behandlungspflege in Senioren-WGs übernehmen und wie soll sie bezahlt werden? Diese Frage will die AOK Bayern juristisch klären lassen.

Wer soll die Behandlungspflege in Senioren-WGs übernehmen und wie soll sie bezahlt werden? Diese Frage will die AOK Bayern juristisch klären lassen.

© Peter Maszlen / Fotolia

MÜNCHEN. Die AOK Bayern übernimmt vorerst weiter die Kosten für die einfache Behandlungspflege in Wohngruppen. So sollen individuelle Härten vermieden werden. Gleichzeitig strebt die Kasse aber eine endgültige juristische Klärung dieser Frage an. Das hat die AOK nach einem Erörterungstermin am Landessozialgericht Schweinfurt, der am Dienstag keine weitere Klärung gebracht hat, mitgeteilt. Mit dem neuen Verfahren soll verhindert werden, dass Versicherte in ambulanten Wohngruppen unverschuldet in eine möglicherweise langwierige Rechtsklärung hineingezogen werden, heißt es.

Nach Auffassung der AOK, sind mit der monatlichen Pauschale in Höhe von 214 Euro je Versichertem, die die Pflegekasse an die Wohngruppen für die Präsenzkräfte überweise, auch einfachste Tätigkeiten der medizinischen Behandlungspflege abgegolten. Darunter fielen zum Beispiel das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen oder die Medikamentengabe. Bei der Pflege zu Hause würden die Aufgaben von Angehörigen übernommen, so die AOK.

Das Personal in den Wohngemeinschaften übernimmt bisher organisatorische und das Gemeinschaftsleben betreffende Aufgaben, wie gemeinsame Besuche von Festen oder Tanzveranstaltungen. Die medizinische Behandlungspflege gehöre nicht dazu und die Kräfte seien in der Regel dafür auch nicht ausgebildet, heißt es.

Sollte die AOK Bayern mit ihrer Argumentation Recht bekommen und sollten sich andere Kassen dieser Auffassung anschließen, dann bedeutet das bundesweit für die Bewohner ambulant betreuter Wohngemeinschaften sowie für deren Angehörige, dass sie tiefer in die Tasche greifen müssten, um hierfür geeignetes Personal anzustellen. Für viele würde das einen Umzug in ein Pflegeheim bedeuten.

Das Thema hatte in den vergangenen Tagen für viel Aufregung in Bayern gesorgt. Denn in ambulant betreuten Wohngemeinschaften, so auch in den 363 Senioren-WGs in Bayern, wird die häusliche Krankenpflege in der Regel vom ambulanten Pflegedienst übernommen und von den Krankenkassen bezahlt. Die AOK Bayern verweigerte jedoch mehrfach die Bezahlung dieser Leistungen. Daraufhin gingen bei den bayerischen Sozialgerichten einige Klagen ein.

Juristische Fragen offen?

Grundsätzlich begrüße die AOK neue Versorgungsformen in der Pflege, heißt es. Bei deren Umsetzung könne es aber zu juristischen Fragen kommen, die geklärt werden müssten, weil dafür noch keine Regelungen vorlägen. Hier sei vor allem der Bundesgesetzgeber gefragt, so die AOK.

Bei ihrem Vorgehen hat sich die Krankenkasse auf Urteile des Bundessozialgerichts und des Sozialgerichts Bayreuth aus den Jahren 2015 und 2018 berufen. In diesen Fällen ging es um Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen – laut AOK eine vergleichbare Situation. Die Gerichte entschieden in diesen Fällen, dass das Einrichtungspersonal einfache Tätigkeiten der medizinischen Behandlungspflege selber übernehmen müsse. Für die AOK bedeutet dies analog, dass die betreuenden Präsenzkräfte in den Senioren-WGs diese Aufgaben zukünftig übernehmen sollten.

Die Patientenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Martina Stamm-Fibich, hofft auf eine schnelle endgültige juristische Klärung. Sie begrüße die Entscheidung der AOK Bayern, die Kosten für die einfache medizinische Behandlungspflege solange zu übernehmen, bis eine endgültige juristische Regelung gefunden werde. Diese Entscheidung gebe den betroffenen Bewohnern und ihren Familien vorerst Planungssicherheit. Ihrer Meinung nach ist die aktuelle Gesetzeslage allerdings ausreichend, denn der Gesetzgeber habe bei der Einführung des Modells festgelegt: Die Behandlungspflege soll Teil der Erstattung sein. Das sei in Paragraf 37 Abs. 2 SGB V geregelt. Stamm-Fibich hat ihren Wahlkreis im fränkischen Erlangen.

Bei offener Rechtslage ist eine Klärung erforderlich, da Beitragsgelder der Versichertengemeinschaft zum Einsatz kommen.

Mitteilung der AOK Bayern

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