Ursachen für Lieferengpässe

AOK und Pharmaverband liegen über Kreuz

Sind Rabattverträge mitverantwortlich für Arzneimittel-Lieferengpässe? AOK und Industrie finden in dieser Frage keinen Konsens.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Für AOK-Chef Martin Litsch sieht „Desinformationskampagnen“, die den „Erfolg unserer Rabattverträge“ zu torpedieren versuchen.

Für AOK-Chef Martin Litsch sieht „Desinformationskampagnen“, die den „Erfolg unserer Rabattverträge“ zu torpedieren versuchen.

© Britta Pedersen / dpa

Berlin. Die AOK hat Behauptungen zurückgewiesen, Rabattverträge seien schuld an Lieferengpässen. Die Verträge leisteten vielmehr einen „Beitrag zur Versorgungssicherheit“, sagte der Chef des AOK-Bundesverbandes Martin Litsch bei einem Pressegespräch am Donnerstag in Berlin. Unter den 9000 Arzneimitteln, für die es einen AOK-Rabattvertrag gebe, habe der Anteil der lieferbaren Präparate zuletzt 99,7 Prozent betragen, so Litsch mit Verweis auf Analysen des Wissenschaftlichen Instituts der Kasse (WIdO). Er sprach von „Desinformationskampagnen“, die Pharmaindustrie und Apothekerschaft lancierten, um den „Erfolg unserer Rabattverträge“ zu torpedieren. „Sowohl wirtschaftlich als auch für die Versorgung der Patieten.“

Der Pharmaverband BPI widersprach umgehend und bezeichnete die Rabattverträge als „zentrales Problem“ in der Arzneimittelversorgung. Das sei „breiter Konsens“, so Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. Besonders exklusive Rabattverträge, bei denen jeweils nur ein Anbieter zum Zuge kommt, seien kritisch zu sehen. „Bei Exklusivität und Ausfall des einen Herstellers gibt es dann nämlich oft gar keinen Ersatz.“ Exklusivverträge dürfte es deshalb „überhaupt nicht mehr geben“.

Der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg und Chef-Verhandler der AOK-Rabattverträge Dr. Christopher Hermann hielt dem entgegen, „nicht Liefersicherheit, sondern Profitstreben“ veranlassten Pharmafirmen, Exklusivverträge infrage zustellen. „Was soll sich aber verbessern, wenn drei Unternehmen den Zuschlag erhalten, deren Produkte alle aus derselben Fabrik kommen?“ Lohnherstellung, also Fertigung im Auftrag eines anderen Unternehmens, sei bei europäischen Generika-Anbietern „die Regel“. Unter 193 in Europa tätigen Herstellern fänden sich nur elf meist kleinere, „die tatsächlich für sich selbst produzieren“.

Deutschland erlebe „einmal mehr eine aufgebauschte Kampagne und inszenierte Situation bei sehr hoher Lieferfähigkeit“, so Hermann. Von „großen Defekten“ könne überhaupt keine Rede sein.

Um die Arzneimittelversorgung zu sichern, brauche es Transparenz in der Lieferkette und verpflichtende Engpass-Meldungen, fügte AOK-Chef Litsch hinzu. Hersteller, Großhandel und Apotheken seien hier gleichermaßen in der Pflicht. Es sei erfreulich, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn entsprechende Pläne mit dem Faire-Kassenwahl-Gesetz vorantreibe und den Rabattverträgen die „Treue“ halte. Spahn hatte kürzlich erklärt, Rabattverträge stünden für ihn „generell“ nicht infrage. Sie trügen dazu bei, hohe Preise „herunterzuholen“. Laut WIdO beliefen sich die Einsparungen durch Rabattverträge seit 2010 GKV-weit auf über 27 Milliarden Euro.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

EU-Pharma Agenda: Impulse für die Arzneimittelversorgung in Deutschland

Arzneimittelversorgung in der EU: Status und Ausblick aus Sicht der GKV

Kooperation | Eine Kooperation von: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Der Empfang der Gynäkologen-Praxis in Gütersloh: Vor allem die starke Patientinnenbindung überzeugte am Ende das MVZ, das die Praxis erwarb.

© Andreas Peters

Praxismanagement

Privatpraxis abzugeben? Das lässt sich regeln!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Finanzdienstleister MLP
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Akutes Nierenversagen

Fragwürdige Nierentherapien: Nicht unnötig spülen!

Sie fragen – Experten antworten

Zoster-Impfung keine Hilfe bei Lippenherpes

Lesetipps
Eine Person balanciert auf einem Grad.

© RFBSIP / stock.adobe.com

Große Datenbankanalyse

Schwindel als mögliches Warnsignal für Alzheimer

RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?

© Porträt: Antje Boysen / DEGAM | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?