Positionspapier

AOK drängt auf Reform des Patientenrechte-Gesetzes

Die AOK macht Lücken im geltenden Patientenrechtegesetz aus. Patienten müssten umfassender als bisher informiert und die Beweisführung für sie erleichtert werden. Für Ärzte fordert die Kasse den zwingenden Nachweis einer Haftpflichtversicherung.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht: | aktualisiert:
Neues Patientenrecht: Die Beweisführung bei Arztfehlern soll erleichtert werden.

Neues Patientenrecht: Die Beweisführung bei Arztfehlern soll erleichtert werden.

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Berlin. Die AOK hat die Politik zu mehr Engagement beim Thema Patientenrechte aufgerufen.

Union und SPD zeigten derzeit eine „wahnsinnige Aktivität an Gesetzgebung“, auf die Stärkung der Patientenrechte verwende die Koalition aber „keine Energie“, kritisierte der Vorstandschef des AOK-Bundesverbandes Martin Litsch bei der Vorstellung eines Positionspapiers der Ortskrankenkassen am Donnerstag in Berlin.

„Die Erfahrungen aus der täglichen Beratung und Unterstützung unserer Versicherten im Falle vermuteter Behandlungsfehler zeigen, dass wir das Patientenrechtegesetz von 2013 weiterentwickeln müssen“, sagte Litsch.

Das Gesetz sei ein „erster wichtiger Schritt“ gewesen. Seither hätten sich aber Defizite bei der Durchsetzung von Patientenrechten wie auch Lücken bei bestehenden Regelungen gezeigt.

Bestehende Regeln gehören überpüft

„Das Thema Patientenrechte gehört daher auf die Agenda.“ Litsch erinnerte daran, dass im Koalitionsvertrag eine Stärkung der Patientenrechte verankert sei.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Sabine Dittmar sagte, eine Reform des Patientenrechtegesetzes sei in der Koalition bisher nicht aufgerufen worden. „Wir arbeiten den Koalitionsvertrag Schritt für Schritt ab.“ Ihre Fraktion werde darauf drängen, das Thema rasch anzugehen – sofern die Koalition weiter Bestand habe.

„Mit Blick auf die Situation der Opfer von Behandlungsfehlern dürfen wir uns mit dem Status quo nicht zufriedengeben“, betonte Dittmar. Nach wie vor gebe es für Patienten hohe Hürden, um ihre Rechte im Schadensfall durchzusetzen.

Die bestehenden Regelungen müssten daher dringend überprüft werden. „Wir werden die Gespräche dazu mit dem Koalitionspartner aufnehmen. So, wie wir das im Koalitionsvertrag vereinbart haben“, sagte Dittmar.

Erleichterte Beweisführung bei Arztfehlern

Einen Ansatz zur Stärkung der Patientenrechte sieht die AOK darin, die Beweisführung bei Behandlungs- und Aufklärungsfehlern zu erleichtern. Dazu sei das Beweismaß abzusenken: Für die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen sollte eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen Fehler und Schaden genügen, schlägt die AOK vor. Bisher ist eine „weit überwiegende Wahrscheinlichkeit“ nötig.

Zudem sollen Ärzte laut AOK gesetzlich verpflichtet werden, Patienten auch ohne deren aktive Nachfrage über vermutete Behandlungsfehler zu informieren. Dieser Wunsch sei in der Bevölkerung weit verbreitet, betonte Litsch unter Verweis auf eine aktuelle Online-Umfrage des Instituts YouGov unter mehr als 2000 Bundesbürgern. Demnach sprechen sich 90 Prozent der Befragten für eine entsprechende Regelung aus.

Pflichtversicherung für Ärzte

87 Prozent der Befragten stimmen zudem einer Regelung zu, mit der Ärzte zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet werden sollten, die bei Behandlungsfehlern einspringt. Die Einführung einer Pflichtversicherung für Ärzte sei auch eine Kernforderung der AOK, sagte Litsch. „Es kann nicht sein, dass jeder Autofahrer in Deutschland im Falle eines Unfalls selbstverständlich über die Haftpflicht abgesichert ist, während es für Ärzte keine verpflichtende Absicherung gibt.“

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Ärzteverbände verweisen darauf, dass eine Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung über die Kammern berufsrechtlich vorgesehen sei. In einigen Ländern sei die Verpflichtung auch im Heilberufegesetz verankert. Dort gebe es zudem eine entsprechende Meldepflicht. AOK-Vorstand Litsch sprach dagegen von „Intransparenz“.

Exakte Zahlen, wie viele Ärzte über welche Art von Haftpflichtschutz verfügten, existierten nicht. Auch SPD-Politikerin Dittmar mahnte eine verbindliche Regelung an. Zu definieren sei dabei auch die Höhe des abzusichernden Risikos.

Obligatorische Haftpflichtversicherung auch für MedTech-Hersteller

Der Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg Dr Christopher Hermann rief dazu, die Patientenrechte auch „mit Blick auf eine obligatorische Haftpflichtversicherung für Medizinproduktehersteller“ nachzubessern. Hier habe es die Große Koalition bislang „sträflich versäumt“, den eingeräumten nationalen Gestaltungsspielraum auch zugunsten der Menschen zu nutzen. „Das Medizinprodukteanpassungsgesetz-EU bietet die Chance, hier schnell nachzusteuern“, betonte Hermann.

Politiker der Oppositionsparteien forderten ebenfalls Nachbesserungen am Patientenrechtegesetz. Die Grünensprecherin für Gesundheit Maria Klein-Schmeink schloss sich der AOK-Forderung an, die Beweislast für geschädigte Patienten herabzusetzen. Zudem müsse ein „Härtefallfonds“ dafür sorgen, dass auch schwer geschädigten Patienten, deren Fall ungeklärt sei, in „einer existenziell belastenden Situation“ schnell geholfen werde. Die Bundesregierung müsse den im Koalitionsvertrag angekündigten Patientenentschädigungsfonds „zügig und ernsthaft“ prüfen und umsetzen.

Linke sieht „riesige Lücken“ bei bestehenden Regelungen

Die Linken-Politikerin Sylvia Gabelmann sprach von „riesigen Lücken“ bei den bestehenden Patientenrechten. Neben einer verpflichtenden Berufshaftpflicht für Ärzte und andere Beschäftigte im Gesundheitswesen müsse daher über Härtefallfonds, Beweiserleichterungen und Beweislastumkehr sowie eine patientenfreundlichere Ausgestaltung des Gutachterwesens diskutiert werden, sagte die Sprecherin für Arzneimittel und Patientenrechte der Linksfraktion.

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