AOK stemmt sich gegen Bahrs Drohung

Gesundheitsminister Bahr will die Kassen notfalls per Gesetz zu Prämienzahlungen zwingen. Die AOK wehrt sich dagegen mit einer Alternative. Die wiederum gefällt auch dem Minister.

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Jürgen Graalmanns Idee, die Überschüsse zu nutzen, um das Leistungsangebot zu verbessern, gefällt Gesundheitsminister Bahr.

Jürgen Graalmanns Idee, die Überschüsse zu nutzen, um das Leistungsangebot zu verbessern, gefällt Gesundheitsminister Bahr.

© Stephanie Pilick

BERLIN (af/ths). Die AOK-Gemeinschaft stemmt sich geschlossen gegen die Drohung von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, die Krankenkassen notfalls per Gesetz zur Prämienausschüttung an Versicherte zu zwingen.

Dies hat AOK-Sprecher Udo Barske der "Ärzte Zeitung" am Dienstag bestätigt.

"Wir wollen kein Prämien-Jojo" ergänzte ein Sprecher der AOK Nordwest. Ihr sowie der AOK Rheinland/Hamburg und der AOKplus in Sachsen und Thüringen wird zugetraut, Überschüsse auszahlen zu können.

Die AOK-Gemeinschaft verfügt derzeit über Überschüsse von rund 1,3 Milliarden Euro. Die AOKen unterliegen der Aufsicht der Länder.

Graalmann will in langfristige Versorgung investieren

Gegen eine Prämienrückzahlung sprach sich auch Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands, aus.

"Ich halte es für klüger, nachhaltig mit den Finanzen umzugehen. Wir als AOK werden die Überschüsse in die langfristige Sicherung der Versorgung investieren und keine Prämien ausschütten", sagte er im Interview mit der "Rheinischen Post".

Dass die gesetzlichen Krankenkassen Milliarden-Überschüsse erzielten, sei schließlich ungewohnt, sagte Graalmann. Dies habe in der Politik zu einem Reflex geführt, dass Prämien ausgeschüttet werden sollen.

Statt Prämien zurückzuzahlen werde die AOK ihre Leistungsangebote weiter verbessern, kündigte der Chef des AOK-Bundesverbandes an.

Minister will Kassen im Blick behalten

Diese Worte stießen bei Gesundheitsminister Bahr auf offene Ohren. Echte Verbesserungen der Leistungen seien ebenfalls akzeptabel, sagte der FDP-Politiker am Dienstag in Berlin.

Kassen, die Überschüsse aufwiesen, könnten ihren Mitgliedern auch solche Leistungsverbesserungen zukommen lassen."Wir müssen uns dann aber genau anschauen, ob die auch greifen", sagte der Minister.

Bahr erneuerte seine Aussage, dass "Kassen keine Sparkassen" seien. Prämienrückzahlungen bedeuteten ein Stück Transparenz für die Versicherten. Daran könnten sie ermessen, welche Kasse mit dem Versichertengeld besser umgehe und welche nicht.

Etwa 30 Kassen sieht Bahr dazu in der Lage, den Mitgliedern etwas zurückzugeben. Lediglich zehn tun dies bereits heute.

TK will Fristverlängerung

Erst vor einer Woche hatte Daniel Bahr erklärt, die Krankenkassen wenn nötig gesetzlich zu zwingen, Überschüsse in Form von Prämien an die Versicherten zurückzuzahlen. Darüber werde in der Koalition verhandelt, sagte der FDP-Politiker.

Allerdings nicht mit ausdrücklicher Unterstützung des Gesundheitsministers. "Ich bin kein Fan einer gesetzlichen Regelung", sagte Bahr.

Weit fortgeschritten scheinen die Überlegungen ohnehin nicht zu sein. Welche Wirtschaftsdaten einer Kasse genau eine Rückerstattung auslösen könnten, sei bislang nicht geklärt.

Zuvor hatte das Bundesversicherungsamt (BVA) drei Kassen aufgefordert, angesichts hoher Rücklagen bis zum 8. Juni eine Prämienzahlung zu prüfen. Diese Nachricht erhielten die Techniker Krankenkasse (TK), die IKK gesundplus und die Hanseatische Krankenkasse.

Die TK hat nun das Amt um Aufschub bis nach dem 22. Juni gebeten. Erst dann tage der Verwaltungsrat, der die Finanzhoheit habe, bestätigte eine TK-Sprecherin.

Schlechte Prognosen: GKV 2013 wieder im Minus

Insgesamt verfügen alle Kassen zusammen über Überschüsse von rund zehn Milliarden Euro. Weitere zehn Milliarden über den aktuellen Bedarf hinaus liegen im Gesundheitsfonds.

Die überwiegende Mehrzahl der Kassen will die Überschüsse den Rücklagen zuführen und verweist auf die gesamtwirtschaftlichen Prognosen. Demnach könnten die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung schon 2013 wieder ins Minus rutschen.

 Das Risiko, dann Zusatzbeiträge erhöhen zu müssen und dadurch Mitglieder zu verlieren, ist den Marktbeteiligten zu hoch.

"Für dieses Jahr hat der Schätzerkreis der Gesetzlichen Krankenversicherung eine negative Prognose abgegeben. Danach werden die Leistungsausgaben um 4,7 Prozent steigen, während die beitragspflichtigen Einnahmen lediglich um 2,2 Prozent steigen. Dieses Ungleichgewicht wird zu einem Defizit bei vielen gesetzlichen Krankenkassen führen", sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender der AOK Nordwest.

Anders argumentieren die Linken. "Die unterschiedlichen Finanzsituationen der AOKen sind nicht mit gutem oder schlechtem Wirtschaften zu erklären, sondern vor allem mit ihrer unterschiedlichen Versichertenstruktur. Schuld daran trägt die Bundesregierung, die nicht verhindert, dass Krankenkassen mit älteren Versicherten weiterhin benachteiligt werden. Die Bundesregierung blockiert schon lange die Behebung von Fehlern im Risikostrukturausgleich trotz entsprechender Forderungen im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats," kommentierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken die Berichte.

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