Antibiotika

Abgewandelte Nutzenbewertung angedacht

Für Antibiotika-Innovationen deutet sich eine Modifikation der Nutzenbewertung an. Orphan Drugs, bei denen der Zusatznutzen mit der Zulassung anerkannt ist, könnten das Vorbild sein.

Von Helmut Laschet Veröffentlicht:
Die Entwicklung neuer Antibiotika ist von Besonderheiten gepräg, betont ein Hersteller.t

Die Entwicklung neuer Antibiotika ist von Besonderheiten gepräg, betont ein Hersteller.t

© CDC / James Gathany

Berlin. Um die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika gegen resistente Bakterien zu stärken, prüft das Bundesgesundheitsministerium gegenwärtig Optionen für eine Korrektur des Nutzenbewertungsverfahrens.

„Die Herausforderung ist, ein neues Geschäftsmodell für Antibiotika-Innovationen zu finden“, sagte der Leiter der Abteilung Arzneimittel im Bundesgesundheitsministerium, Thomas Müller, bei einem Symposium des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) über Strategien gegen Antibiotikaresistenzen in Berlin.

Auf der G7-Agenda

Während die Forschungspipelines der Industrie gegenwärtig stark auf die Onkologie fokussiert sind – neue Krebstherapeutika machen künftig über 50 Prozent der neu eingeführten Wirkstoffe aus –, müsse eine Adjustierung der Rahmenbedingungen für die spezielle Situation neuer Antibiotika durch die führenden Industrieländer geprüft werden.

Dies sei auch von der Bundeskanzlerin auf die G 7-Agenda gesetzt worden und werde auch Thema der EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr sein, sagte Müller. Deutschland werde aber in der Logik sowohl des AMNOG- wie auch des Festbetragssystems bleiben.

Besondere Rahmenbedingungen

Die Entwicklung neuer Antibiotika sowie deren Rahmenbedingungen im Markt seien von Besonderheiten geprägt, die dazu geführt hätten, dass etliche Unternehmen – Astra Zeneca, Novartis, Sanofi, Bayer, Boehringer Ingelheim und Merck Darmstadt – diesen Forschungszweig inzwischen aufgegeben hätten, sagte Dr. Robert Welte, Leiter Market Access von Glaxo SmithKline:

  • Die Herstellerabgabepreise patentfreier Antibiotika liegt pro N1-Packung bei 35 Cent bei Chinolonen und reicht bis 70 Cent bei Penicillin. Der Preisanker für Erstattungsbetragsverhandlungen nach der Nutzenbewertung liegt damit extrem niedrig.
  • Der Nachweis eines Zusatznutzens durch RCT, die eine Überlegenheit zeigen, sei aus ethischen Gründen kaum zu erbringen.
  • Antibiotika-Innovationen sollen nur als Reserve-Arzneimittel gegen resistent gewordene Bakterien eingesetzt werden und ältere Arzneimittel nicht ersetzen. Damit sei – im Unterschied zu Innovationen mit Zusatznutzen in anderen Gebieten – das Absatzpotenzial extrem beschränkt und daher die Refinanzierung der Forschung fraglich.

Welte plädierte dafür, den Sonderstatus der Orphan Drugs in der frühen Nutzenbewertung auf neue Antibiotika-Wirkstoffe zu übertragen. Damit würde ein Zusatznutzen allein aufgrund der Zulassung anerkannt werden, und der Bundesausschuss würde – wenn möglich – nur noch über das Ausmaß des Zusatznutzens entscheiden.

Nicht gelöst sei damit aber die Frage einer zur Refinanzierung ausreichenden Absatzmenge. Denkbar seien Garantiezahlungen oder Versicherungsmodelle, also Prämienzahlungen, die aufgrund der Tatsache erfolgen, dass eine Therapie verfügbar ist, ohne dass diese auch in Anspruch genommen wird.

Die Sensibilität der Bundesregierung für diese Probleme ist vorhanden. Es gebe einen ministeriellen Prüfauftrag, so Müller, und man werde sich die nächsten Nutzenbewertungen neuer Antibiotika genau anschauen.

„Implosion des Marktes“

Anders und kontrovers wird hingegen die Situation auf dem generischen Antibiotikamarkt beurteilt. Der stellvertretende BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Hermann Kortland wies darauf hin, dass die Zahl der Antibiotika-Anbieter zwischen 2009 und heute von 65 auf 40 und die Zahl der verfügbaren Fertigarzneimittel von 450 auf 240 zurückgegangen sei. Hier sei eine „Implosion des Marktes“ zu befürchten.

Dem widersprach Müller nachdrücklich. Es gebe unstrittig eine Marktkonzentration, aber keine Implosion. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Krauß verwies darauf, dass die Selbstverwaltung in der Vergangenheit Vorgaben des Gesetzgebers – etwa zur differenzierten Festbetragsbildung – nicht umgesetzt habe.

Das habe sich seit dem Amtsantritt von Spahn geändert. Dabei, so betonte Müller, werde man auch ein Auge darauf haben, dass die Intention des Gesetzgebers beachtet werde.

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