Statistik
Bundesbürger gehen heute noch genauso oft zum Arzt wie vor 20 Jahren
Ungeachtet spezifischer Krankheitsbilder werden deutsche Arztpraxen im EU-weiten Vergleich mit am häufigsten beansprucht.
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Das Wartezimmer – in Deutschland nicht erst seit gestern ein besonders beliebter Aufenthaltsort.
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Wiesbaden. Passend zur Debatte um bessere Patientensteuerung liegt jetzt eine neue Studie zur Frequentierung ärztlicher Praxen vor.
Im europäischen Ländervergleich gehen danach die Deutschen mit am häufigsten zum Arzt – „belegen gleichzeitig aber bei der Lebenserwartung nur einen mittleren Rang“, wie es in einer Mitteilung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB) zu Wochenbeginn heißt. An der Untersuchung, die in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlicht wurde, waren auch Mitarbeiter des BIB beteiligt.
Bausteine fürs Primärarztsystem
So soll die ressourcenschonende Patientensteuerung gelingen
Grundlage der Studie bildeten Befragungen von rund 147.000 Personen ab dem 50. Lebensjahr in den Zeiträumen 2004 bis 2019, den Pandemiejahren 2020 und 2021 sowie dem postpandemischen Jahr 2022. Für die Langzeitbetrachtung (2004 bis 2019) wurden die Daten bereinigt um Alterseffekte und spezifische Gesundheitszustände auf eine Referenzperson zugeschnitten: 75-jährig, ohne chronische Beschwerden.
Finnen nur halb so oft
Danach fiel die Besuchsfrequenz in Arztpraxen zuletzt (2019) und in dieser Reihenfolge leicht absteigend in Luxemburg, Belgien, Italien, Österreich und Deutschland europaweit am höchsten aus. Für die persönlichen Arztkontakte der Bundesbürger ließ sich ein statistischer Mittelwert von 4,47 (Frauen) und 3,98 (Männer) errechnen.
„In Ländern mit einer höheren Lebenserwartung wie etwa Frankreich, der Schweiz und Spanien suchen die Menschen deutlich seltener eine Arztpraxis auf als hierzulande“, so die Einordnung des BIB. Am wenigsten beanspruchten im Berichtsjahr die Finnen ihre ambulanten Mediziner (2,20 Praxisbesuche Frauen, 1,96 Männer). Vergleichbar niedrige Werte werden für Zypern und Malta genannt.
Dabei hat über den gesamten Beobachtungszeitraum seit 2004 die Arztinanspruchnahme in Deutschland kaum signifikant nachgelassen. Beispielsweise hätte sich in Spanien und Frankreich bei ähnlich hohen Ausgangswerten (2004) die Anzahl der Praxisbesuche in 20 Jahren und „im Kontext einer steigenden Lebenserwartung“ um rund ein Viertel verringert, betont Studienautorin Dr. Anna Reuter vom BIB.
Deutschland verzeichne dagegen „nur einen minimalen Rückgang und verharrt weiterhin bei einer hohen Rate an Praxisbesuchen pro Kopf.“
Pandemie-Delle schnell ausgeglichen
Zur Entwicklung in und nach der Coronapandemie heißt es, der allgemein zu beobachtende Frequenzrückgang während der Krise habe sich anschließend schnell wieder erledigt. Die Inanspruchnahme ambulanter Gesundheitsversorgung habe jedenfalls im älteren Bevölkerungsteil (ab 50.) „weitgehend wieder das Niveau vor der Pandemie erreicht“.
Ausgenommen nur Personen mit chronischen, aber nicht krebsbedingten Erkrankungen, die „weiterhin in geringerem Maße“ zum Arzt gingen als vor der Pandemie. Für die Zukunft und zur Vorbereitung auf künftige Gesundheitskrisen lasse sich daraus die Forderung ableiten, bessere Unterstützungssysteme für Ältere zu entwickeln, wenn die Möglichkeit persönlicher Arztkontakte eingeschränkt ist. (cw)