Westfälischer Ärztetag

Ärzte in NRW verunsichert: Werden Portalpraxen den INZ geopfert?

Wann kommt sie nun, die neue Notfallversorgung per Integrierten Notfallzentren? Beim Westfälischen Ärztetag wurde heftig über die Organisation solcher INZ diskutiert. Ärztekammerpräsident Dr. Johannes Albert Gehle fürchtet eine Zerschlagung der Portalpraxen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Notaufnahme an einer Klinik: Nach Plänen von Gesundheitminister Spahn sollen künftig am Krankenhaus angesiedelte Integrierte Notfallzentren (INZ) zur zentralen Anlaufstelle für Patienten werden.

Notaufnahme an einer Klinik: Nach Plänen von Gesundheitminister Spahn sollen künftig am Krankenhaus angesiedelte Integrierte Notfallzentren (INZ) zur zentralen Anlaufstelle für Patienten werden.

© Sonja Werner, Fotografie

Münster. In die geplante Reform der Notfallversorgung soll nach dem Stillstand durch die Corona-Pandemie wieder Bewegung kommen. „Es gibt noch viel Gesprächsbedarf“, sagte Sabine Weiss, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, beim 13. Westfälischen Ärztetag in Münster. „Natürlich müssen die in der Pandemie gemachten Erfahrungen berücksichtigt werden“, betonte sie.

Zu dem im Januar eingebrachten Referentenentwurf sind über 100 Stellungnahmen von Ländern und Verbänden eingegangen. Nach der Anhörung im Februar ist der Prozess ins Stocken geraten. Jetzt gelte es, die Diskussion wieder aufzunehmen, sagte Weiss.

Für das Gesetzgebungsverfahren gebe es zwar noch keinen Zeitplan, aber Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wolle das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach bringen. Es bleibt nach ihren Angaben das Ziel, ein bundesweit einheitliches Konzept für die Notfallversorgung zu schaffen. Ein entscheidender Faktor sei dabei die verbindliche Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern.

Am Krankenhaus angesiedelte Integrierte Notfallzentren (INZ) sollen künftig zur zentralen Anlaufstelle für Patienten werden. Sie werden von Krankenhäusern und Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam errichtet und von den KVen betrieben. Die Formulierung im Referentenentwurf, dass die INZ unter fachlicher Leitung der KVen stehen sollen, habe zu Missverständnissen geführt, sagte Weiss. „Gemeint ist die organisatorische Leitung“, stellte sie klar.

NRW: Erfolgsmodell Portalpraxen

Nicht jedes Krankenhaus werde ein INZ vorhalten können. Die in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebrachten Portalpraxen mit einem gemeinsamen Tresen von Klinik und niedergelassenen Ärzten werden bei der Standortfestlegung berücksichtigt werden, versicherte sie.

Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe Dr. Johannes Albert Gehle bezeichnet die insbesondere in Westfalen-Lippe weit verbreiteten Portalpraxen als „Erfolgsmodell“. „An diesem westfälischen Weg sollte man sich orientieren, diesen Weg sichern und weiterentwickeln“, schlug er vor. Gehle fürchtet eine Zerschlagung der Portalpraxen durch die im Referentenentwurf vorgesehene Umwandlung in INZ.

Auch der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ist vom Konzept der Portalpraxen überzeugt. Allerdings: „Portalpraxen passen nicht zu 100 Prozent zum Referentenentwurf.“ Deshalb müsse NRW bei der Gesetzgebung seinen Einfluss geltend machen. „Manchmal wäre der Bund gut beraten, wenn er unterschiedlichen Strukturen toleranter gegenüberstehen würde“, findet Laumann.

Laumann: Nicht INZ und Portalpraxen nebeneinander!

Ob INZ oder Portalpraxen – für den Gesundheitsminister steht fest, dass die Einrichtungen eine Planung benötigen. „Es führt kein Weg daran vorbei, dass die letzte Entscheidung beim Land NRW liegen muss.“ Die INZ dürften nicht zu denselben Zeiten geöffnet sein wie die Praxen der niedergelassenen Ärzte.

Von den Niedergelassenen forderte Laumann eine ehrliche Antwort, ob sie die Notfallversorgung zu den Praxiszeiten übernehmen wollen. „Dann müssen sie es auch tun.“ Sonst könnten das die Krankenhäuser übernehmen – beides nebeneinander kann er sich aber nicht vorstellen. „Bitte nicht zwei Strukturen nebeneinander, das bringt uns am Ende des Tages nur Ärger“, sagte er.

Debatte um Verantwortlichkeiten in der Notfallversorgung

Nach Ansicht des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe Dr. Dirk Spelmeyer bietet die Reform der Notfallversorgung die Chance, erstmals das Konzept der integrierten Versorgung wirklich umzusetzen. „Dann können wir es auch auf andere Bereiche übertragen“, hofft er.

Die KV habe überhaupt kein Interesse daran, den Ärzten in den INZ fachlich zu sagen, was sie tun müssen, betonte Spelmeyer. Aber die KVen seien nun mal zuständig für die Sicherstellung des Notfalldienstes. „Das werden wir weiter wahrnehmen.“

Aus Sicht von Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), gibt es eine Reihe von Faktoren, die gegen die Sicherstellung durch niedergelassene Ärzte sprechen. Er nannte unter anderem die „zunehmende Ökonomisierung der vertragsärztlichen Versorgung“, den Trend weg von der Einzelpraxis und ein verändertes Patientenspektrum mit einem höheren Bedarf an Interdisziplinarität. Niedergelassene Ärzte würden die Patienten häufig an die Krankenhäuser verweisen, betonte er. „Daran haben auch die Bereitschaftsdienstpraxen nichts geändert.“

Nach Meinung des VKD geht der Referentenentwurf in die falsche Richtung. „Für eine Versorgung ohne Brüche wäre die Einrichtungen von Polikliniken organisatorisch sinnvoll“, sagte Düllings. Das zeigten die Erfahrungen aus der Schweiz oder Dänemark. Klar ist aber auch für ihn: „Eine Lösung sollte gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten umgesetzt werden.“

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