HINTERGRUND

Ärzte in Nordhessen streiten über Ersatzkassenvertrag

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:

Im Streit um den Kasseler Ersatzkassenvertrag nach Paragraf 73 c Sozialgesetzbuch V ist die nordhessische Ärzteschaft offenbar gespalten. Der Vorstandsvorsitzende der Ärztegenossenschaft Doxs, Withold Kietzmann, rückte auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" deutlich von der kritischen Position seines Aufsichtsratsvorsitzenden Uwe Popert ab. Das MVZ Medikum in Kassel widersprach der Kritik und erzielte einen rechtlichen Erfolg gegen die KV Hessen.

Wie berichtet, will das Medizinische Versorgungszentrum Medikum in Nordhessen für den Ersatzkassenverband VdAK eine vollständige Versorgung abseits der Kassenärztlichen Vereinigung aufbauen. Popert hatte die Verträge des Medikum als "juristisch unerprobt, finanziell nicht lukrativ und organisatorisch aufwändig" kritisiert.

Für die eingeschriebenen Versicherten beende der VdAK die freie Arztwahl "und verhindert damit einen fairen Wettbewerb unter vergleichbaren Bedingungen", schreibt er auch auf den Internet-Seiten der Ärzte-Organisation Gesundheitsnetz Nordhessen (GNN). Der Kasseler Allgemeinarzt Popert ist Vorsitzender des GNN, das zu den Gründungs-Organisationen der Doxs-Genossenschaft zählt.

Chef des Ärztenetzes GNN ist für ein "einheitliches Auftreten"

Der Doxs-Vorstandsvorsitzende Kietzmann bezeichnete die Kritik als Poperts "persönliche Meinung". Der Doxs-Vorstand habe zwar eine Beteiligung der Genossenschaft an dem 73c-Vertrag abgelehnt, den gut 750 Mitgliedern eine Zusammenarbeit mit dem Medikum aber freigestellt. "Wir überlassen das den Kollegen, wir müssen das nicht werten", sagte Kietzmann der "Ärzte Zeitung". "Ich bin nicht glücklich, dass jetzt eine zweite Front aufgemacht wird." Dazu erklärte Popert, in der Genossenschaft werde natürlich diskutiert. Auch er wünsche aber ein "einheitliches und gemeinsames Auftreten".

Kietzmann war früher Vorsitzender der Doxs GmbH, einer als Wirtschaftsunternehmen geführten Organisation von Ärzten aus dem Kasseler Osten, die als Gründungs-Organisationen ihren Namen an die Doxs-Genossenschaft abgegeben hat. Der Doxs GmbH wurde in nordhessischen Gesundheitskreisen eine größere Nähe zu dem ebenfalls als GmbH geführten MVZ Medikum nachgesagt.

KV Hessen darf nicht mehr zum Boykott aufrufen

Das Medikum reagierte zufrieden auf die Klarstellungen des Doxs-Vorstands. "Damit ist die von interessierter Seite aufgebaute Boykottkulisse vollständig in sich zusammengebrochen", erklärte Sprecher Michael Wangard. In Sachen Boykott verzeichnete das Medikum zudem auch einen juristischen Erfolg: Das Landgericht Kassel bestätigte mit einem am 30. April verkündeten Urteil eine einstweilige Verfügung vom November gegen die KV Hessen. Wie das Landgericht bestätigte, darf danach die KV ihre Vertragsärzte nicht mehr dazu auffordern, nicht an dem zwischen Medikum und VdAK geschlossenen Vertrag teilzunehmen und nicht dem Medikum zu kooperieren.

Vergütung der Ärzte soll mit einer Kopfpauschale erfolgen.

Eine Zielgröße für die Zahl der beteiligten Ärzte gibt es nach Medikum-Angaben nicht. Wangard bestätigte aber die Zahl von bislang 30 "Partnerärzten". Zehn davon arbeiten im MVZ Medikum selbst und könnten wohl schon alleine das Ziel von 750 eingeschriebenen Versicherten in sechs Monaten erreichen. Auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" widersprach das Medikum nun aber auch inhaltlich der Kritik Poperts.

Die Vergütung der Ärzte solle mit einer Kopfpauschale je eingeschriebenem Versicherten erfolgen, unabhängig von Art und Zahl der Behandlungen. Dies sei übersichtlich und "mit Sicherheit transparenter als bei der KV", sagte Geschäftsführer Lutz Schäfer. Auch die Vergütung werde "letztendlich höher sein". Ziel sei es, das wirtschaftliche Verhalten der Ärzte zu stärken und "über eine bessere Prophylaxe weniger Krankheiten zu haben", ergänzte Wangard.

Wegen eines bislang unzureichenden Angebots werde der SchwalmEder-Kreis möglicherweise zunächst aus dem Projekt herausfallen, sagte Wangard weiter. In Stadt und Kreis Kassel sollten die Einschreibungen nun spätestens Anfang Juni beginnen. Letzte Einzelheiten des Pilotprojekts wollen Medikum und VdAK kommende Woche klären. Dabei gehe es unter anderem darum, ob der VdAK dem geplanten Verzicht auf die Praxisgebühr zustimme. Unterdessen will der VdAK mit der KV Hessen über die "Budgetbereinigung", die Notdienste und den "Fremdausgleich" bei Behandlungen in anderen Bundesländern verhandeln, sagte die Sprecherin Michaela Gottfried.

STICHWORT

Ersatzkassenprojekt

Das Pilotprojekt der Ersatzkassenverbände in Nordhessen ist ein Modellprojekt nach Paragraf 73 c Sozialgesetzbuch V. Wenn die Versicherten mitziehen und sich genügend Partnerärzte in Kassel und im Schwalm-Eder-Kreis finden, soll der Sicherstellungsauftrag auf die Ersatzkassen übergehen. Geplant ist zudem eine Bereinigung der Gesamtvergütung.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mediziner und Unternehmer

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