Adipositas-Tagung in Kiel
Ärzte sollen behandeln, nicht beraten
Die Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG) hat zum Auftakt ihrer Jahrestagung am Donnerstag in Kiel therapeutische Lösungen für Betroffene in der Regelversorgung gefordert. Die Experten erwarten außerdem ein klares Signal der Politik für einen NutriScore.
Veröffentlicht:KIEL. Die Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG) hat zum Auftakt ihrer Jahrestagung am Donnerstag in Kiel therapeutische Lösungen für Betroffene in der Regelversorgung gefordert. Die Experten erwarten außerdem ein klares Signal der Politik für einen NutriScore, um überhöhte Zuckergehalte in industriell verarbeiteten Lebensmitteln zu kennzeichnen.
Deutlich wurde in Kiel auch, dass Betroffene von Ärzten wirksame Unterstützung erwarten. „Andere bekommen von ihren Ärzten eine Behandlung, ich bekomme einen Rat“, sagte Melanie Bahlke in Kiel. Der in der Selbsthilfe engagierten Frau hilft die reine Empfehlung, sich mehr zu bewegen und abzunehmen wenig. Sie vermisst von Ärzten die Bereitschaft, Adipositas als Erkrankung zu betrachten und Betroffene als Mensch wahrzunehmen. Sie kann sich vorstellen, dass entsprechende Fortbildungen für Ärzte helfen könnten.
Auch DAG-Präsidentin Professor Martina de Zwaan fordert weitergehende Maßnahmen als ärztliche Ratschläge. Sie beobachtet, dass Betroffene mit solchen Empfehlungen oft allein gelassen werden, weil es keine Angebote in der Regelversorgung gibt. Folge ist oft, dass Betroffene viel Geld für nur kurz wirksame Angebote zur Gewichtsreduktion ausgeben. Ein erster Schritt wäre nach ihrer Ansicht die Integration eines Adipositas-Moduls in das bestehende DMP Diabetes Typ 2.
Zwaan sieht außerdem die Politik in der Verantwortung, die Nahrungsmittelindustrie zu einem NutriScore zu verpflichten. Die DAG hält die Strategie von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU), auf freiwillige Maßnahmen der Industrie zu setzen, für wirkungslos. Den Nutri-Score als Nährwertkennzeichnungsmodell halten die DAG-Experten dagegen für geeignet, insbesondere Betroffene und Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss Orientierung zu geben.
Auch Berufspolitik in der Pflicht
70 Prozent der Besucher der DAG-Tagung sind Ärzte verschiedener Fachgruppen. Ernährungsmediziner Professor Manfred Müller hat beobachtet, dass deren Bereitschaft zur Fortbildung zum Thema vorhanden ist. Allerdings kann er sich vorstellen, dass die Inhalte überdacht werden sollten:
Es gehe nicht nur um theoretisches Wissen, sondern darum, den Zugang zum Patienten zu finden. Müller ist überzeugt, dass nicht allein die Politik Verantwortung übernehmen muss: „Wäre es nicht auch Sache der Ärztekammern, ein klares Signal für die Unterstützung der Betroffenen zu senden?“