Ärzte und die FDP: Eine enttäuschte Liebe

Gesundheitsreformen sind bei Ärzten selten gut angekommen. Die große Überraschung ist: Auch die als ärztefreundlich geltende FDP kann bei ihrer Klientel nicht mehr punkten - trotz einer Reform im letzten Jahr, die speziell den Ärzten helfen sollte.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist eine Partei in der Gunst der Wähler derart abgestürzt wie die FDP. Ein Traumergebnis von 14,6 Prozent erzielten die Liberalen bei der Bundestagswahl im Herbst 2009.

Seitdem kennen die Umfragewerte nur eine Richtung: nach unten. Im Januar 2012 wurde mit zwei Prozent der Kellerboden nahezu erreicht.

Die FDP hat dabei wohl nicht nur alle Wechselwähler verloren - sie hat inzwischen auch bei ihrer Kernwählerschaft an Vertrauen in ihre Kompetenz eingebüßt.

Dabei waren die Hoffnungen hochgesteckt. Eine Umfrage der "Ärzte Zeitung" im Wahlkampfsommer 2009 ergab, dass sich eine Mehrheit von über 60 Prozent einen liberalen Gesundheitsminister wünschte: Daniel Bahr.

Der Wunsch ist inzwischen Wirklichkeit: Seit Mai 2011 ist er Ressortchef für Gesundheit.

Zuvor war Daniel Bahr Parlamentarischer Staatssekretär - ein Amt, das er anders als viele Vorgänger(innen) nicht nur als Repräsentativfunktion verstand.

Tatsächliche Arbeitsbilanz wird kaum wahrgenommen

Doch die offenbar hohen Erwartungen an einen grundlegenden Wechsel in der Gesundheitspolitik haben sich aus der Sicht vieler Ärzte nicht erfüllt, wie eine nicht repräsentative Umfrage der "Ärzte Zeitung" unter ihren Lesern zeigt.

Nur 13 Prozent der antwortenden 625 Leser der "Ärzte Zeitung" sind der Auffassung, dass die Bundesregierung grundlegende Reformen im Gesundheitswesen angepackt hat - 85 Prozent vermissen dies.

Zur Erinnerung: Als erstes hatte die schwarz-gelbe Koalition - verbunden mit heftigem internen Streit insbesondere mit der CSU - die GKV-Finanzierung reformiert, den Zusatzbeitrag neu definiert und vor allem den Sozialausgleich neu gestaltet.

Selten in der Geschichte der GKV war ihre Finanzausstattung so stabil wie heute, freilich begünstigt durch eine überraschend positive Wirtschaftsentwicklung 2010 und 2011.

Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz anerkannte der Gesetzgeber offiziell, dass Ärztemangel künftig eine Herausforderung für die medizinische Versorgung sein würde.

Ging es politisch bislang darum, durch eine Vielzahl von Eingriffen ärztliche Leistungen zu beschränken und das Geld hierfür zu verknappen, so setzt das neue, am 1. Januar 2012 in Kraft getretene Gesetz Anreize zur Leistung - zumindest dort, wo Ärzte künftig knapp werden.

Durchschnittsnote für Bahr: 3,8

Auch bei dem jüngsten Reformprojekt, dem Patientenrechtegesetz, für das seit Montag ein Referentenentwurf vorliegt, kommen die Ärzte gut weg: Unter Federführung des Bundesjustizministeriums ist das Richterrecht zur Arzthaftung als eigenes Paragrafenwerk im Dienstleistungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs verankert worden.

Wichtigster Punkt: eine Umkehr der Beweislast erfolgt nur bei groben Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten.

Akut in Arbeit sind Eckpunkte für eine Pflegereform - an Details wird gearbeitet, mit der Fertigstellung ist wahrscheinlich in Kürze zu rechnen.

Noch in diesem Jahr soll ein neues Transplantationsgesetz folgen, das mit einer Erklärungslösung das Potenzial für Organspenden verbessert und auch den Prozess der Organgewinnung in den Kliniken optimiert.

Nicht zuletzt beteuert Bundesgesundheitsminister Bahr seinen festen Willen, die seit nahezu 30 Jahren fast unveränderte GOÄ zu reformieren - wenn eine Einigung zwischen den vielen Beteiligten gelingt.

Dennoch reagiert eine Mehrzahl der Ärzte in unserer Umfrage eher übellaunig. Im Durchschnitt geben sie dem Bundesgesundheitsminister für seine Arbeit die Note 3,8 - ein gutes "Ausreichend".

Wachsende Arbeitslast - vor allem durch Bürokratie

Nur knapp zwölf Prozent der Leser vergeben die Bestnoten "gut" und "sehr gut", ein knappes Viertel urteilt mit "befriedigend". 27 Prozent befinden die Arbeit als ausreichend. Aber die mit 34 Prozent größte Gruppe sieht die Gesundheitspolitik als "mangelhaft" an.

Das kann auch damit zusammenhängen, dass von den antwortenden Lesern nur sechs Prozent sagen, ihre Gesamtsituation habe sich unter Schwarz-Gelb verbessert. Für 38 Prozent ist die Lage unverändert, aber für 54 Prozent hat sie sich verschlechtert.

Das mag auch an steigender Arbeitsbelastung liegen: Für 78 Prozent der Ärzte hat sie sich in den Jahren zwischen 2008 und 2011 erhöht, bei nur 19 Prozent ist sie gleich geblieben. Eine Entlastung sehen nur zwei Prozent.

Hauptursache der wachsenden Belastung ist die Bürokratie: 72 Prozent der Leser sehen sie als Kern des Übels. Eine eher untergeordnete Rolle spielen eine steigende Zahl von Patienten (27 Prozent) und eine höhere Krankheitslast (37 Prozent).

Dem zusätzlichen Aufwand steht jedoch bei den meisten Ärzten keine wachsende Prosperität gegenüber.

Ihre eigene wirtschaftliche Situation schätzen die antwortenden Leser nur zu 15 Prozent als besser im Vergleich zu 2008 ein, für ein Drittel ist sie gleich geblieben. 49 Prozent sehen eine Verschlechterung.

Lesen Sie dazu auch: Schlechte Noten für die Koalition

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Habemus GKV-Finanzloch – und nun, Michael Hubmann?

Kommentare
Dr. Michael D. Lütgemeier 18.01.201214:14 Uhr

Sinnlos auch nur ein Wort zu verlieren zur Rolle der FDP

Aus und vorbei. Im Text oben steht: "trotz Reform die speziell den Ärzten helfen sollte" - soll ich mal lachen? Wer hat denn das recherchiert? Die FDP ist sofort eingebrochen und hat alles andere getan als einem freiheitlichen Beruf wieder aufgeholfen. SELBSTVERSTÄNDLICH BLIEBE DIE GESAMTVERGÜTUNG GEDECKELT UND BUDGETIERT. Hierfür haben die Befürworter harte Strafen verdient. Es ist unerhört mit welcher Chuzpe und Dummheit hier vorgegangen wurde, als ob sich Ärzte dauerhaft kasteien lassen - jedenfalls ohne mich. Der übrigbleibende Rest an charakterlosen Abnickern und Hamsterrad-Läufern wird es der Bevölkerung schon besorgen - ich lach'' mich tot.

Dr. Thomas Georg Schätzler 18.01.201214:01 Uhr

Lavieren und Havarieren

Die FDP zeigt, wie so oft, keine klare Kante. Profillos schlingert sie wie ein führungsloses Kreuzfahrtschiff zwischen gefährlichen Untiefen und kollidiert schließlich mit uneinsehbaren Untergründen.

Mit 14,6 Prozent Wählerstimmen im Rücken glaubte die FDP, eine unsoziale und verfassungswidrige Kopfpauschale sei zur GKV-Finanzierung g e g e n die CDU/CSU möglich. Mit dieser Fehleinschätzung scheiterte der damalige Bundesgesundheitsminister und Kollege, Dr. med. Philipp Rösler. Und wurde mit unkalkulierbaren "Zusatzbeiträgen" im GKV-FinG getröstet, weil die krasseste Form der Umverteilung von Unten nach Oben mit der teuren GKV-Einheitspauschale von 250 € mtl. für Geringverdiener und der daraus resultierenden Beitragsverbilligung für Gutsituierte vor die Wand gefahren war.

Der damalige FDP-Parteivorsitzende Westerwelle wurde mit einer SPIEGEL-Titelstory: „Der unglaubliche Guido“ bloß gestellt. Sozusagen als intellektuelle Rakete behauptete er, die spätrömische Dekadenz sei vom damaligen Prekariat ausgelöst, der anstrengungslose Wohlstand werde nur durch Staatsknete und nicht durch Erbschaft erworben bzw. die Bankenkrise sei eine Sternstunde des Sozialismus gewesen.

Dass ein erneuerter Parteivorsitzender und Bundeswirtschaftsminister Rösler schon als Fachminister im Land Niedersachsen reüssierte, entspricht nicht den Tatsachen. Seine Amtszeit als Wirtschaftsminister in Hannover betrug knapp 9 Monate (Februar bis Oktober 2009). Da gab es noch nichts vorzuweisen, außer fehlenden fundierten volkswirtschaftlichen Kenntnissen.

Der aktuelle Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr ist als Bankkaufmann und Master of Business Administration (MBA) frei von medizinischen Grundkenntnissen. Er verwaltet die GKV eher, als dass er inspirieren könnte. Und nach dem Abgang von FDP-Generalsekretär Lindner ist es eher dürftig, zu den "Jungen Wilden" der FDP gezählt zu werden.

Auch der "Alte Wilde", FDP-Fraktionsvorsitzender Rainer Brüderle, wird weiter ein Redner im Deutschen Bundestag sein, für den eine Übersetzung ins Hochdeutsche als Fließtext eingeblendet werden müsste. Während FDP-Fraktionssirene Birgit Homburger versuchen kann, im Parteivorstand mal m e h r richtig als falsch zu machen.

Ach ja, da wäre noch die FDP-Europa (altgriechisch eurís ‚weit‘ und ops ‚Sicht‘: "die mit der weiten Sicht") Silvana Koch-Mehrin. Ihre juristisch noch umstrittene Dissertation steht in idealer Weise für "lügenfreie Unwahrheiten". Diese treffen sich perfekt mit der Performance des ehemaligen CSU-Strahlemanns, Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg bzw. des Bundespräsidenten Christian Wulff.

Kein Wort der FDP darüber, dass die Mehrwertsteuer-Halbierung für Hoteliers verfassungswidriges Protegieren potentieller Parteispenden-Kandidaten war. Kein Wort zu Philipp Röslers Versprechen: "Wenn die Kopfpauschale nicht kommt, trete ich zurück". Kein Wort zu den Insolvenzen der City-BKK und der BKK Gesundheit. Keine Entschuldigung für den Rohrkrepierer unfinanzierbarer Steuers e n k u n g e n angesichts Euro-Krise, Bankenrettungsfonds, und Griechenland-Italien-Portugal-Stütze. Kein Bedauern über die E r h ö h u n g der Krankheits- an den Arbeitskosten durch GKV-Beitragssatzerhöhung, GKV-Auszehrung durch S e n k u n g der Beitragsbemessungsgrenze und Nichtberücksichtigung sonstiger Einkommensarten bei sinkender Lohnquote.

Klärende Äußerungen zur Atomfrage und Energiepolitik werden von der FDP nicht zu hören sein. Man will doch nicht seine Hauptsponsoren verschrecken. Globalisierung, Datenschutz, Schul- und Kulturpolitik, Umwelt und Nachhaltigkeit? Hier ist ein breites Betätigungsfeld der FDP für eine Kakophonie unverbindlicher "Sowohl-als-Auchs", gefälliger Artigkeiten und staatstragender Allgemeinplätze. Von Nachhaltigkeit, Wertbeständigkeit, Achtsamkeit bei dieser FDP keine Spur. Sie möchte so gerne "unkaputtbar" sein, ist es aber nicht.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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