Ärztehonorar: Ungleicher Zuwachs stiftet neuen Unfrieden

Zwischen Null und 4,32 Prozent - so verteilt sich der asymmetrische Honorarzuwachs von 500 Millionen Euro unter den KVen. Das Votum des Erweiterten Bewertungsausschusses hat prompt neuen Streit entfacht.

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Streit-Topf: Die asymmetrische Verteilung der Zuwächse hat bei KVen ohne und mit unterdurchschnittlichem Zuwachs sofort Protest ausgelöst.

Streit-Topf: Die asymmetrische Verteilung der Zuwächse hat bei KVen ohne und mit unterdurchschnittlichem Zuwachs sofort Protest ausgelöst.

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BERLIN/MÜNCHEN/HAMBURG (hom/sto/HL). Die Aufstockung der Vergütung der rund 150 000 Vertragsärzte im nächsten Jahr hat ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) lobte die Selbstverwaltung dafür, dass sie sich bei der Frage der Honorare nun doch noch geeinigt hat. Versicherte müssten wegen der Honorarzuwächse nicht mit steigenden Zusatzbeiträgen im kommenden Jahr rechnen, sagte Rösler.

Insgesamt könnte die Vergütung der Vertragsärzte im kommenden Jahr um rund eine Milliarde Euro auf etwa 33 Milliarden Euro steigen (wir berichteten). Konkret vereinbart wurde im Erweiterten Bewertungsausschuss gegen das Votum der Kassen ein Zuwachs von 500 Millionen Euro, die asymmetrisch unter den KVen verteilt werden. Hinzu kommt eine lineare Erhöhung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung um 0,75 Prozent; das entspricht 175 Millionen Euro.

Am kommenden Montag wird über Begrenzungsregeln für bislang freie Leistungen verhandelt; dies ist im geplanten GKV-Finanzierungsgesetz vorgesehen. Weitere Honorarzuwächse sind möglich bei Leistungen, die überhaupt nicht gedeckelt sind, etwa gesetzliche Früherkennungsuntersuchungen. Bezieht man diese Wachstumsoptionen mit ein, dann könnte das Honorarplus der Ärzte im nächsten Jahr bei etwa einer Milliarde Euro liegen.

SPD: Neuer Schluck aus der Pulle "nicht vermittelbar"

Harsche Kritik an diesem Zuwachs kam von der SPD-Gesundheitsexpertin Marlies Volkmer. Der "erneute Schluck aus der Pulle" sei nicht vermittelbar. Noch ungeheuerlicher jedoch sei die Verwendung des Geldes. Statt bestehende Honorarunterschiede zwischen den Ländern auszugleichen, würden diese weiter verstärkt. Das Geld fließe nach Bayern und Baden-Württemberg. Das Nachsehen hätten die neuen Bundesländer, sagte Volkmer.

Der Vize-Chef der Barmer GEK Dr. Rolf-Ulrich Schlenker sagte, Ziel der letzten Honorarreform sei eine "Niveauangleichung" bei den Ärztehonoraren gewesen. "Wir als Kassen gingen davon aus, dass es damit sein Bewenden hat. Jetzt soll es noch einen weiteren Zuschlag für diejenigen Länder geben, die schon auf hohem Niveau waren", sagte Schlenker der "Ärzte Zeitung". Der Umstand, dass Ärzte in Bayern und Baden-Württemberg durch die asymmetrische Verteilung des Honorarzuwachses jetzt mehr Geld bekämen, wecke natürlich "Begehrlichkeiten" in den anderen Ländern. Einen solchen "Aufschaukel-Wettbewerb zwischen den KVen" würden die Kassen aber nicht mitmachen, betonte Schlenker.

Der Chef des Hartmannbund Professor Kuno Winn wies die Kritik der Kassen zurück. Statt "Propagandafeldzüge" gegen angeblich exorbitant steigende Arzthonorare zu führen, sollten die Kassen ihren Versicherten lieber mitteilen, "dass im nächsten Jahr mehr Geld für ihre Versorgung zur Verfügung steht", so Winn.

Bayern sieht sich erneut auf der Verliererseite

Die asymmetrische Verteilung der Zuwächse hat bei KVen ohne und mit unterdurchschnittlichem Zuwachs sofort Protest ausgelöst. Die gesundheitliche Versorgung der Hamburger werde schlechter gestellt. Das werde zu überproportionalen Leistungseinschränkungen führen, kündigte Dieter Bollmann, Vorsitzender der KV Hamburg an.

Als "enttäuschend und ungerecht" wertet die KV Bayerns die Entscheidung im Erweiterten Bewertungsausschuss. An den vereinbarten Honorarzuwächsen von 675 Millionen Euro würde Bayern nur mit rund 68 Millionen Euro partizipieren, erklärte KVB-Vorsitzender Dr. Axel Munte. "Gemessen an der Bevölkerungszahl und der Zahl der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten werden wir eindeutig benachteiligt", sagte Munte in München. Mit "dieser Honorarverteilung nach Gutsherrenart" müsse Schluss gemacht werden.

Es sei völlig unverständlich, dass Nordrhein-Westfalen rund dreimal mehr zusätzliche Gelder erhalte als Bayern. Eine Verbesserung der Versorgungsstrukturen in Nordrhein-Westfalen sei dadurch aber nicht zu erwarten. "Wir haben in der Vergangenheit in Bayern eine besondere Versorgungslandschaft aufgebaut, die wir nun nicht mehr erhalten können aufgrund der permanenten Benachteiligung der bayerischen Ärzte und Psychotherapeuten", sagte Munte. Bayern sei bundesweit die einzige Region, die in den vergangenen zwei Jahren und auch 2011 eine unterdurchschnittliche Honorarentwicklung verkraften müsse. Die für 2011 beschlossene asymmetrische Honorarverteilung berücksichtige keine regionalen Besonderheiten, kritisierte Munte.

Daher sollten die für die asymmetrische Honorarverteilung vorgesehenen 500 Millionen Euro in einen Strukturfonds fließen, aus dem dann bundesweit besondere Versorgungsstrukturen gefördert werden. "Das Geld sollte der Leistung folgen und nicht nach Gutdünken und politischem Kalkül verteilt werden."

Lesen Sie dazu auch: Neue Honorarverteilung schafft keine Befriedung Eine Milliarde Euro Plus bei Honoraren für Ärzte? Update: KBV dementiert!

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