Schleswig-Holstein

Ärztezentrum Büsum entfaltet Sogwirkung

Schon wieder platzt das Ärztezentrum Büsum aus den Nähten: Innerhalb von fünf Jahren muss zum dritten Mal ausgebaut werden. Grund sind die vielen Gesundheitsanbieter, die am Zentrum andocken wollen. Für den Erfolg spielen angestellte Ärzte eine Schlüsselrolle.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Der Manager Thomas Rampoldt (links) und der Ärztliche Leiter des Büsumer Ärztezentrums, Dr. Volker Staats, können sich vorstellen, dass Ärzte aus dem Zentrum wieder in die Selbstständigkeit wechseln.

Der Manager Thomas Rampoldt (links) und der Ärztliche Leiter des Büsumer Ärztezentrums, Dr. Volker Staats, können sich vorstellen, dass Ärzte aus dem Zentrum wieder in die Selbstständigkeit wechseln.

© Dirk Schnack

Büsum. Es wächst und wächst: Das Ärztezentrum Büsum hat längst nicht nur Ärzte unter seinem Dach, sondern zahlreiche Gesundheitsanbieter angelockt. Derzeit wird es zum dritten Mal ausgebaut. Der Erfolg stellte sich zwar erst mit der Anstellung der Ärzte ein – die Akteure vor Ort halten die Selbstständigkeit dennoch für kein Auslaufmodell.

„Das Ärztezentrum hat eine Sogwirkung für das Personal und für andere Gesundheitsanbieter entfaltet“, sagt Thomas Rampoldt. Der Geschäftsführer der Ärztegenossenschaft Nord managt auch das Ärztezentrum der Gemeinde Büsum. Als Rampoldt damit im Jahr 2015 begann, gab es in dem Seebad ein Ärztehaus mit vier Einzelpraxen in der Westerstraße. Die dort niedergelassenen Ärzte wollten ihre Praxen abgeben, fanden aber keine Nachfolger.

Zentrum lockt immer mehr Gesundheitsberufe an

Heute ist vom damaligen Haus nur noch der Eingangsbereich nach und von den Ärzten Dr. Volker Staats, der 2015 jüngste Praxisinhaber. Heute ist Staats nicht mehr selbstständig, sondern angestellter ärztlicher Leiter in einem Team mit fünf weiteren Kollegen. Mit 63 Jahren ist Staats heute nicht mehr der jüngste, sondern der älteste Arzt. Hinter dem Eingangsbereich ist ständig um- und angebaut worden – derzeit gerade zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren.

Grund sind immer neue Anbieter, die in das Zentrum der Gemeinde drängen. Neben den Ärzten als Kern finden sich hier Apotheke, Physiotherapie, Heilpraktiker, der Kurmittelbereich, ein Schulungszentrum. Eine ärztliche Psychotherapeutin, ein Zahnarzt und ein Sanitätshaus kommen noch hinzu.

Alle sind oder werden Mieter in dem Zentrum, das einer hundertprozentigen Tochter der Gemeinde gehört. Das von Beginn an einkalkulierte Minus ist auch dank der Mieteinnahmen von Jahr zu Jahr geringer geworden. Im letzten bislang veröffentlichten Wirtschaftsjahr 2018 waren dies noch 30.000 Euro. Das sind überschaubare Kosten, auch weil im Gegenzug ein Millionenbetrag für den Kurmittelbereich nicht mehr anfällt.

Zentrum umfasst bald 4700 Quadratmeter

Insgesamt arbeiten rund 50 Menschen bei den verschiedenen Gesundheitsanbietern im Ärztezentrum, das nach Eröffnung des nächsten Bauabschnitts 4700 Quadratmeter umfassen wird. Wie viele Patienten und Kunden täglich die bald drei Eingänge des Gebäudes passieren, wurde noch nicht erhoben. Fest steht: Die Frequenz ist besonders in den Urlaubswochen extrem hoch.

Das ist aber nur die wirtschaftliche Seite des Zentrums. Wahrscheinlich noch wichtiger für Büsum sind nach Ansicht Rampoldts zwei weitere Punkte:

  • Die ärztliche Versorgung der Region wurde für viele Jahre gesichert. Ohne das neue Modell wäre es voraussichtlich nicht gelungen, jeden Praxissitz neu zu besetzen. Aus den vier damals gefährdeten Sitzen sind inzwischen 4,5 Sitze geworden, auf denen sich sechs Ärzte abwechseln, die bleiben möchten.
  • Büsum konnte seine Attraktivität und seinen Bekanntheitsgrad steigern. Die häufige Berichterstattung über das Modell in bundesweiten Medien auch außerhalb der Fachöffentlichkeit hat dazu beigetragen. Rund zwei Millionen Übernachtungen pro Jahr verzeichnet der Ort inzwischen.

Aus der Not geboren

Büsum war 2015 zum Handeln gezwungen, um die ärztliche Versorgung zu sichern, hatte aber auch die Perspektive, das Zentrum finanziell stemmen zu können. Hinzu kommt, dass man als kommunale Eigeneinrichtung damals Fördermittel unter anderem von der KV Schleswig-Holstein erhielt, die inzwischen nicht mehr fließen. Die KV setzt heute auf lokale Zentren, die von selbstständigen Ärzten geführt werden.

Führen also Zentren wie Büsum zu einem Ende der Selbstständigkeit? Staats, der selbst 22 Jahre niedergelassen war, hat trotz des Büsumer Erfolges die Vorteile einer Selbstständigkeit nicht vergessen. „Man ist sein eigener Herr und es ist finanziell attraktiver“, sagt er. Über das Thema Selbstständigkeit werde im Team gesprochen und für ihn steht fest: „Die Selbstständigkeit eines Arztes aus Büsum wäre nicht das Ende unseres Gemeinschaftsprojektes.“

Offen für die Selbstständigkeit

Rampoldt verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass jeder im Zentrum angestellte Arzt in die Niederlassung gehen und dennoch seine Praxis im Haus behalten kann. Dies war bei der Gründung Voraussetzung für die Förderung durch die KV und auch ein Wunsch der Ärztegenossenschaft, deren Mitglieder überwiegend niedergelassen sind.

Rampoldt hat die Hoffnung nicht aufgegeben, auch dieses Ziel mit dem Ärztezentrum erreichen zu können: „Ich kann mir gut vorstellen, dass einer unserer jungen Ärzte irgendwann diesen Schritt gehen wird.“

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