Krankenversicherung 2030

"Allgemeine Deutsche Krankenversicherung" – neues Label, alter Inhalt

Die SPD ist mit dem Konzept Bürgerversicherung gescheitert – doch ganz begraben hat sie die Idee noch nicht.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Beamte in Hamburg, die sich für die GKV entscheiden, müssen die Kosten künftig nicht mehr allein tragen.

Beamte in Hamburg, die sich für die GKV entscheiden, müssen die Kosten künftig nicht mehr allein tragen.

© Woodapple / Fotolia

SSie ist zum Gesicht des "Hamburger Modells" geworden – und laut eigener Aussage auch zur Kummerkastentante für Beamte anderer Bundesländer. Das Bild der lebensweisen Adressatin für knifflige Fragen wählte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) bei einer gesundheitspolitischen Diskussionsrunde, zu der die Gesundheitswirtschaft Rhein-Main nach Frankfurt eingeladen hatte. "Sowohl Beamtinnen und Beamte aus anderen Bundesländern als auch von Bundesbehörden schicken mir Briefe und klagen mir ihr Leid", berichtete Prüfer-Storcks.

Beamte, die freiwillig gesetzlich versichert sind, beschwerten sich bei ihr darüber, dass sie ihre Krankenkassenbeiträge zu 100 Prozent selber zahlen müssen. Die, die wie vorgesehen in der PKV versichert sind, berichteten von hohen Zuschlägen bei chronischen Krankheiten oder Behinderungen. Und auch für viele Beamtenfamilien sei die Unzufriedenheit groß, weil sie jedes Familienmitglied privat einzeln versichern müssten. Es gebe auf der Seite der Beamten viele gute Gründe, lieber das gesetzliche System zu wählen – das zeigten die Zuschriften deutlich, so die Gesundheitssenatorin.

Bei der Frühjahrstagung, bei der Experten aus Politik und Ökonomie unter dem Titel "Krankenversicherung 2030 – Systemüberwindende Reform?" diskutierten, war das Interesse am Hamburger Beihilfe-Modell groß. Erst wenige Tage zuvor hatte die Bürgerschaft der Hansestadt zugestimmt, neuen Beamten ab 1. August bei der Krankenversicherung die freie Wahl zu lassen: Wer sich für eine gesetzliche Versicherung entscheidet, erhält künftig alternativ zur bisherigen individuellen Beihilfe eine sogenannte "pauschale Beihilfe", die die Hälfte der anfallenden Kosten einer Krankenvollversicherung trägt. Bisher erhielten sie lediglich einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung.

In welchem Umfang die Möglichkeit von den Hamburger Beamten angenommen wird, wird sich Mitte des Jahres zeigen, da im Sommer traditionell eine Welle der Neueinstellungen insbesondere im Schulbereich zu erwarten ist. Fest steht schon jetzt: Ein Optimierungsmodell mit kurzfristigen mehrfachen Wechselmöglichkeiten wird es nicht geben: "Die Entscheidung wird einmal getroffen und ist dann endgültig", betonte die Gesundheitssenatorin.

Durch Debatte sehr belastet

Das Hamburger Modell gilt als "halber Schritt" in Richtung Bürgerversicherung – bekanntlich ein lang gehegtes Herzensprojekt der SPD auf Bundesebene, das sie aber nicht durchsetzen konnte. Prüfer-Storcks nutzte die Bühne in Frankfurt, um noch einmal in Kurzform zu erläutern, worum es ihrer Partei beim Konzept eigentlich geht. Um einen einheitlichen Versicherungsmarkt nämlich, auf dem sowohl GKV als auch PKV diese "Allgemeine Krankenversicherung" anböten – aber keine Einheitskasse und keine ärztliche Einheitsbezahlung nach EBM.

Konkret hatte die SPD mit einem "beihilfefähigen Tarif" geplant, wie er bis in die 80er Jahre hinein von der DAK angeboten worden sei, erklärte Prüfer-Storcks.

Wäre es gelungen, ihn wieder einzuführen, hätten nicht die Länder pauschal entscheiden müssen, sondern jeder Beamte hätte für sich die Entscheidung treffen können. "Zu ihrem Erstaunen" habe es aber einen starken Abwehrkampf der CDU dagegen gegeben. "Ich glaube, dass das kurzsichtig ist – denn die Beihilfekosten sind drückende Lasten für die Länder", so die Gesundheitssenatorin.

Fest steht in ihren Augen, dass der Begriff Bürgerversicherung durch die lange Debatte schwer belastet ist . Deshalb müsse man sich früher oder später wohl von der Begrifflichkeit verabschieden, so Prüfer-Storcks – und das Projekt Bürgerversicherung mindestens umbenennen. Ihr Alternativvorschlag lautet "Allgemeine Deutsche Krankenversicherung".

Länder sollen Signal nach Berlin schicken

Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzender des Bundesgesundheitsausschusses, war ebenfalls zur Diskussionsrunde geladen und sagte in seinem Impulsvortrag, es brauche auf beiden Seiten der Koalition die Offenheit für einen Veränderungsprozess im Gesundheitswesen. Als Unions-Mann muss er, schon qua Amt, gegen eine Bürgerversicherung sein. Aber: "Ich denke, wenn sich das Hamburger Modell in den Ländern durchsetzt, wird es auch eine entsprechende Dynamik in Richtung Berlin geben. Dann wird man sich dort intensiver mit dieser Thematik aus- einander setzen müssen."

Rüddel formulierte so betont neutral, dass er sich anschließend genötigt sah, seinen Standpunkt etwas weiter auszuführen. "Sie merken an dieser Äußerung, dass ich nicht der Vorreiter in meiner Partei dafür sein möchte, das Hamburger Modell auf den Bund zu übertragen", erklärte er. Aber wenn sich die Länder nach und nach dem Hamburger Beispiel anschlössen, würde es auch eine entsprechende Diskussion in Berlin geben.

Und das, so schwang zwischen den Zeilen mit, sei nicht das Schlechteste. Unterm Strich sei die Unzufriedenheit mit der Finanzierung des Gesundheitssystems derzeit nicht groß genug, um erneut auf die Tagesordnung zu drängen. "Das würde uns auch nur von den wichtigen Aufgaben ablenken, nämlich dass wir im Leistungsbereich mehr Konvergenz brauchen", so Rüddel.

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