Thüringen / Sachsen

Angriffe auf Retter: Kassenärzte fordern größeres Problembewusstsein

Beschimpft oder körperlich bedroht: Immer wieder kommt es zu Angriffen auf Rettungskräfte. Hier müsse dringend das öffentliche Bewußtsein geschärft werden, so die KV Thüringen. Die Retter arbeiteten für, nicht gegen die Menschen.

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Rettungskräfte beim Nachteinsatz: Immer öfter beklagen Helfer, dass sie angefeindet oder bedroht werden. Dabei gibt es eine hohe Dunkelziffer, da viele Vorfälle nicht der Rettungsleitstelle oder Polizei gemeldet werden. (Archivbild)

Rettungskräfte beim Nachteinsatz: Immer öfter beklagen Helfer, dass sie angefeindet oder bedroht werden. Dabei gibt es eine hohe Dunkelziffer, da viele Vorfälle nicht der Rettungsleitstelle oder Polizei gemeldet werden. (Archivbild)

© Julian Stratenschulte / dpa / picture alliance

Dresden/Erfurt. Rettungskräfte und Feuerwehrleute in Sachsen fühlen sich bei ihrer Arbeit oft bedroht oder werden beschimpft. „Die Mitarbeiter werden behindert oder zugeparkt“, sagt Rebekka Biederbeck von der Johanniter-Unfall-Hilfe in Sachsen. Unbeteiligte versuchten, in die Fahrzeuge zu gelangen, beleidigten Rettungskräfte oder drohten mit Gewalt.

Laut Innenministerium stieg die Zahl der Übergriffe auf Rettungsdienst-Mitarbeiter im vergangenen Jahr auf 105, im Jahr zuvor waren es 82. Rettungsassistenten und Feuerwehrleute hatten demnach vor allem unter tätlichen Angriffen zu leiden. Drei von ihnen wurden schwer verletzt, es gab 50 Betroffene mit leichteren Verletzungen.

KV: „Das kann und darf nicht sein“

In Thüringen hat die Kassenärztliche Vereinigung (KVT) angesichts der auch im Freistaat immer wieder vorkommenden Angriffe auf Rettungskräfte jetzt ein größeres öffentliches Bewusstsein für das Problem gefordert. Rettungskräfte engagierten sich, um das Leben anderer Menschen zu retten, und würden ausgerechnet dabei angegriffen. „Das kann und darf nicht sein“, sagte ein KVT-Sprecher in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Das sei schlicht nicht hinnehmbar. „Die Ärzte und Rettungsdienste arbeiten für die Menschen, nie gegen sie.“

Nach Zahlen des Thüringer Innenministeriums kommt es im Freistaat seit Jahren immer wieder zu Angriffen verschiedener Art auf Rettungskräfte. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr leicht und waren zuletzt – mutmaßlich auch wegen der Corona-Lockdowns im vergangenen Jahr – leicht rückläufig. So registrierte das Innenministerium nach Angaben eines Sprechers zwischen 2015 und 2020 jedes Jahr etwa 50 bis 70 Angriffe auf Medizinerinnen und Mediziner, Feuerwehrleute und ähnliche Rettungskräfte. Das ergibt im Schnitt mindestens einen Angriff pro Woche.

Deeskalationstrainings für Retter

Besonders viele Fälle verzeichnet die Statistik für 2017 und 2018. Damals waren 70 beziehungsweise 71 Übergriffe erfasst worden. Darunter vor allem Körperverletzungen, aber auch Bedrohungen und Beleidigungen. Die tatsächliche Summe der jährlichen Übergriffe dürfte weit über diesen Zahlen liegen. Aus Rettungsdienst-Kreisen heißt es, es sei schlicht nicht möglich, jede Beleidigung oder Bedrohung, der man sich im täglichen Einsatz ausgesetzt sieht, zu melden und anzuzeigen.

Ein Sprecher des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Thüringen sagte, derartige Angriffe kämen nach den Erfahrungen der Helferinnen und Helfer dieser Organisation in Thüringen vor allem in den größeren Städten wie Erfurt, Jena und Gera vor. Vor allem, wenn alkoholisierte Menschen in irgendeiner Art von den Einsätzen betroffen seien, geschehe dies zwar auch hin und wieder in den ländlichen Regionen. Allerdings sei das Risiko für die Helfer in den Städten erkennbar höher. Gleichzeitig dürfe das Problem nicht überdramatisiert werden. Das, was Rettungskräfte in Thüringen an Anfeindungen erlebten, sei nicht zu vergleichen mit dem Rettungsalltag in deutschen Metropolregionen wie Berlin.

Inzwischen bieten verschiedene Organisationen ihren Mitgliedern Schulungen zur Deeskalation oder auch zur Selbstverteidigung an. Die Nachfrage nach solchen Angebote schien regional sehr unterschiedlich. (dpa)

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