Arbeitgeber halten Gesundheitsprämie von 250 Euro im Monat für finanzierbar

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) trommelt für die Gesundheitsprämie und wirbt mit dem Argument, der Staat könne sogar sparen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

BERLIN. Bei einem kompletten Wechsel hin zu einer Prämie könnte der Staat unter dem Strich 4,5 Milliarden Euro sparen, hat das IW in einer am Montag in Berlin vorgestellten Studie errechnet.

Damit gibt es Schützenhilfe für FDP und Teile der Union, die die Umstellung auf eine Teil-Gesundheitsprämie befürworten. Doch das Institut will den Big Bang: Nötig sei eine Gesundheitsprämie von 250 Euro im Monat. Zahlbar von allen gesetzlich Versicherten über 20 Jahre. Dies entspricht im gegenwärtigen GKV-System einem Beitragssatz von 16,5 Prozent. Dieser ist nötig, um die GKV-Ausgaben des Jahres 2009 zu finanzieren. Weil der Bund im laufenden Jahr 15,7 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds überweist, beträgt der allgemeine Beitragssatz 14,9 statt der eigentlich nötigen 16,5 Prozent.

Im Modell des Arbeitgeber-Instituts zahlen die Unternehmen den bisherigen Arbeitgeberbetrag von sieben Prozent des beitragspflichtigen Entgelts direkt an die Beschäftigten aus. Unter dieser Prämisse würden alle erwachsenen Versicherten mit weniger als 1515 Euro einen Zuschuss erhalten. Nach Berechnungen des IW sind dies 38 Prozent der Bevölkerung. Der nötige Sozialtransfer hätte ein Volumen von 26,6 Milliarden Euro. Wie dieser Zuschuss administrativ abgewickelt werden kann, erläutert das Institut nicht.

Die neue GKV-Finanzierung würde Gewinner und Verlierer sehen: Wenn Arbeitnehmer ihre Krankenversicherungskosten komplett von der Steuer absetzen können, sinkt einerseits das zu versteuernde Einkommen. Der Staat büßt also Steuereinnahmen ein. Andererseits steigt für alle die Krankenversicherten mehr die Steuerlast, die mit der Prämie weniger zahlen als im bisherigen GKV-System. Nach Berechnungen des IW überwiegt dieser zweite Effekt, sodass der Staat 15,4 Milliarden Euro mehr Steuern einnähme. Zieht man diese Summe vom Volumen des Sozialtransfers (26,6 Milliarden Euro) ab, so kostet den Staat der soziale Ausgleich 11,2 Milliarden Euro - die Finanzspritze wäre um 4,5 Milliarden Euro geringer als der bisherige Steuerzuschuss.

Das IW wirbt politisch um Punkte mit dem Verweis darauf, dass im gegenwärtigen GKV-System vor allem Besserverdiener profitieren. Denn bisher wird der Grundsatz vielfach durchbrochen, dass ein GKV-Versicherter um so mehr zahlen soll, je höher sein Einkommen ist. Das gilt etwa dann, wenn bei Ehepartnern das Einkommen ungleich verteilt ist und ein Bruttogehalt über der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Dann sinkt die Beitragslast im Vergleich zu Doppelverdienern, deren beider Gehälter unter der Grenze von 3750 Euro liegt.

Ob das IW mit seiner Botschaft durchdringt, ein vollständiger Systemwechsel in der GKV sei finanzierbar, ist zweifelhaft. Das Motto der Studie, der radikale Schritt sei der Beste, ist mit der schwarz-gelben Koalition unvereinbar. Denn Union und FDP stecken sowohl hinsichtlich der Ziele als auch der Modalitäten für die Umsetzung einer Gesundheitsreform noch in der Selbstfindungsphase.

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