Biologische Therapien

Austausch von Biosimilars in der Apotheke? Beratung im G-BA sorgt für Unruhe in der Biotech-Branche

Es soll funktionieren wie bei Generika: Apotheken sollen biologische Arzneimittel gegen gegen günstigere Nachahmerprodukte austauschen müssen. Dagegen wird branchenweit Kritik laut, von der Industrie bis zur Arztpraxis.

Veröffentlicht:
Blick ins Labor: Biotechnologie spielt in der Mikroökonomie der Apotheke ebenso eine Rolle wie in der Makroökonomie des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

Blick ins Labor: Biotechnologie spielt in der Mikroökonomie der Apotheke ebenso eine Rolle wie in der Makroökonomie des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

© Shutter2U / stock.adobe.com

Berlin. Ein schwebendes Verfahren beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beunruhigt die Biosimilar-Branche in Deutschland. Und das in Zeiten, in denen ein Koalitionsvertrag der Umsetzung harrt, in dem Union und SPD versprechen, Deutschland zum weltweit innovativsten Biotech-Standort zu machen.

Der Branchenverband Pro Generika warnt nun – nicht zum ersten Mal – gemeinsam mit der Industrie, Ärztinnen und Ärzten und Apothekern vor einer Ausweitung der automatischen Substitution in der Apotheke auf biopharmazeutische Fertigarzneimittel. „Ein funktionierendes System droht ruiniert zu werden“, mahnte der STADA-Manager Dr. Martin Spatz bei einer Veranstaltung der AG Pro Biosimilars von Pro Generika in Berlin. Die Branche werde in ein „race to the bottom“ getrieben. Planungssicherheit gerate in Gefahr.

„Der Kostendruck hat bereits die Generika-Versorgung destabilisiert und zur Abwanderung der Produktion geführt“, sagte der Vorsitzende der AG Biosimilars Walter Röhrer. Der bei den Biosimilars eingeschlagene Kurs müsse auf den Prüfstand.

Branchenkenner merken allerdings an, dass der Boden anders als bei den Preisen für Generika bei denen für Biosimilars noch ein Stück weit entfernt ist. Minimalmargen wie bei Generika gelten aufgrund des komplexen Entwicklungs- und Herstellungsaufwands für die Biologika als wenig wahrscheinlich.

Biosimilars sind biotechnologisch hergestellte Nachahmerprodukte bereits zugelassener biologischer Arzneimittel. Der G-BA Unterausschuss Arzneimittel hatte im Juni ein Stellungnahmeverfahren zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie eingeleitet. Damit sollen die Apotheken verpflichtet werden, an gesetzlich Versicherte möglichst immer das aktuell preisgünstigste Arzneimittel abzugeben, auch bei Biosimilars. Ein Austauschgebot gibt es zwar schon, aber bislang nur für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln.

Beim G-BA werden mögliche Probleme mit dem Austausch von Biologika durchaus gesehen. So sieht etwa eine Variante zur Änderung der Richtlinie vor, die Apotheker nicht nur zur umfassenden Aufklärung der betroffenen Patienten zu verpflichten. Informiert werden sollen auch die verordnenden Ärztinnen und Ärzte, wenn der Patient dies erlaubt. Das Stellungnahmeverfahren wird aktuell beim G-BA ausgewertet. Wann genau mit einem Beschluss im G-BA-Plenum gerechnet werden kann, lasse sich noch nicht sagen, so der G-BA auf Nachfrage der Ärzte Zeitung.

Rheumatologin warnt: Es kann auch teurer werden

Bei einer Veranstaltung der AG Biosimilars des Branchenverbands Pro Generika in Berlin warnten Vertreter der Industrie, der Ärzteschaft und der Apotheken vor einem Austausch von Biosimilars in der Apotheke. Die Kosten für Biosimilars seien im Verhältnis zu den Gesamtausgaben der Krankenkassen verschwindend gering. Das Berliner IGES-Institut hat in einer Untersuchung für Pro Generika dargelegt, dass die Kassen durch den Einsatz von Biosimilars allein 2024 rund 1,7 Milliarden Euro einsparen konnten.

Die Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen Dr. Silke Zinke sieht in den Plänen allerdings auch mögliche Kostenrisiken für das Gesundheitssystem. Sollte der Austausch kommen, sei es zwingend notwendig, dass die Apothekerinnen und Apotheker die im Rabattvertrag aufgeführten Medikamente tatsächlich ausgäben. „Was wir auch sehen, ist, dass halt ein anderes beschafft wird, wenn das gerade einfacher zu besorgen ist“, sagte Zinke. Das sei zwar rechtens, könne aber auch zum Nachteil der Patienten sein.

Lesen sie auch

Es gebe Patienten, die für mehrere Erkrankungen biologische Therapien bekämen. Deren Immunsystem befinde sich sowieso in einer ständigen Austauschsituation. Es drohe dann die Gefahr, dass man bei der nächsten Therapie in eine Eskalationsstufe gehen und auf „richtig teure“ Medikamente ausweichen müsse, sagte Zinke.

Die Vorsitzende der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Gabriele Overwiening nahm die Perspektive ihrer Kundinnen und Kunden ein. Wenn ein Apotheker zum Beispiel von einem Pen zur Fertigspritze wechsele, weil diese Darreichungsform günstiger sei, könne dies Patienten erschrecken. Zum Beispiel, wenn im Beipackzettel zum Austauschprodukt weniger Indikationen aufgeführt würden. Es könne sogar sein, dass die Indikation dieser Person nicht ausdrücklich genannt werde.

„Ich müsste dann diesen Menschen fragen, wofür er das Medikament braucht“, sagte Overwiening. Und dann müsste sie ihm mitteilen, er solle sich nicht sorgen, das Medikament funktioniere auch, wenn seine Indikation nicht aufgeführt sei. „Das ist psychologisch fast nicht machbar“, sagte Overwiening. Auch die Dokumentation werde an dieser Stelle trotz ePA nicht einfacher. Overwiening warb für ein Verfahren, das die Verordner über die günstigsten Produkte informiere. Damit seien beide, Ärzte und Apotheker, auf der sicheren Seite.

Lesen sie auch

Die Interessen von Patienten, Ärzten, Apothekern, Krankenkassen und Pharmaunternehmen gleichzeitig im Blick haben muss die Bundesregierung. „Wir haben es im Bundesgesundheitsministerium auf dem Schirm, dass das Thema wichtig ist“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär in Nina Warkens Haus Tino Sorge (CDU).

„Uns geht es darum, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sienicht zur Last für den Standort werden“, sagte Sorge. Mitdenken müsse man immer das Thema Innovation, und wie sich nachteilige Effekte auf die Innovation vermeiden ließen. Deshalb habe das Ministerium auch die Austauschbarkeit von Biosimilars im Blick.

Sorge kündigte an, dass die angekündigte Fortsetzung des Pharmadialogs zwischen Wirtschaft und Politik „demnächst“ losgehen werde. Er wolle vermeiden, dass durch nicht optimale Anreizsysteme im generischen Bereich eine Spirale in Gang gesetzt werde, die „wir so nicht haben wollen“, sagte Sorge. (af)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Grippe und COVID-19

Apothekenkammer aktualisiert Leitlinie zu Schutzimpfungen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

© Springer Medizin Verlag GmbH

AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
In Deutschland gibt es immer weniger klinische Forschung. Was Deutschland hingegen zu leisten imstande ist, zeigte sich zuletzt bei der COVID-19-Pandemie: mRNA-basierte Impfstoffe wurden schnell entwickelt und produziert.

© metamorworks / stock.adobe.com

Handlungsempfehlungen

Deutschland-Tempo statt Bürokratie-Trägheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Alexandra Bishop ist Geschäftsführerin von AstraZeneca Deutschland.

© AstraZeneca

Pharmastandort Deutschland

Deutlich mehr wäre möglich

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Abrechnung

Die wichtigsten EBM-Änderungen zum Quartalswechsel

Lesetipps
TI-Messenger Symbol

© Ruslan / stock.adobe.com

Digitalisierung

Arzt-Patienten-Kommunikation jetzt über die ePA möglich

Eine Frau lässt sich in einem Kosmetikstudio permanent Eyeliner auftragen.

© Maxim / stock.adobe.com

Riskante Kosmetik

Wenn das Permanent-Make-up ins Auge geht