Innovatiosnprojekte

Bald Start in der Praxis

Polypharmazie und Strategien gegen Antibiotikaresistenzen: Das sind zwei für die Praxis relevante Projekte, die aus dem Innovationsfonds gefördert werden.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen und Helmut LaschetHelmut Laschet Veröffentlicht:
Bald Start in der Praxis

© AlexRaths / Getty Images / iStock

DORTMUND. In Westfalen-Lippe sollen 1400 Hausärzte in den nächsten drei Jahren ein System zur besseren Versorgung von Patienten mit Polypharmazie erproben. Das Kooperationsprojekt "Anwendung für digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management" (AdAM) der Barmer GEK und der KV Westfalen-Lippe startet am 1. Januar und wird mit 16,4 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds gefördert.

Der Kern von AdAM: Wenn der Patient zugestimmt hat, erhält der Hausarzt Informationen über sämtliche Verordnungen aller Ärzte, die an der Behandlung beteiligt sind. Darüber hinaus informiert ein speziell entwickeltes Software-Programm den Arzt über Kontraindikationen, Unverträglichkeiten und Wechselwirkungen. Es können sich nur Ärzte beteiligen, die an das KV-Safenet angebunden sind.

"Ziel ist, dass der Hausarzt mit den fachärztlichen Kollegen in den Dialog über die Medikation tritt", erläuterte das neue KVWL-Vorstandsmitglied Thomas Müller. AdAM setzt auf ein Projekt zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) auf, das die KVWL bereits in den Netzen in Bünde und Siegen erprobt hat.

Auch Klinikdaten fließen ein

Neu an AdAM ist, dass auch Verordnungsdaten aus Krankenhäusern einbezogen werden. Diese Daten liefert die Barmer GEK. Zudem wird das Programm, das über Interaktionen informiert, durch einen Algorithmus ergänzt, der die Ärzte bei den weiteren Therapieentscheidungen unterstützt. Hierbei kooperieren Barmer GEK und KVWL mit Professor Daniel Grandt, Vorstand der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft.

"Die Weiterentwicklung des Programms erfolgt in Zusammenarbeit mit den medizinischen Fachgesellschaften", erläuterte Dr. Mathias Flume, Leiter des Geschäftsbereichs Verordnungsmanagement der KVWL. Die Fachgesellschaften erstellen medizinische Handlungsanweisungen zur Polypharmazie, die den Ärzten bei einer Vielzahl verordneter Medikamente die Priorisierung erleichtern sollen. Bei komplexen Fällen ist die Ergänzung durch ein fachärztliches Konsil wichtig, sagte Flume.

Mit dem AMTS-Projekt in Siegen konnten die Verordnungskosten im Schnitt um elf Prozent gesenkt werden. Bei einem Drittel der Patienten haben sich die Zahl der verordneten Medikamente und die damit verbundenen Kosten hingegen erhöht. Zum Konzept gehört, dass Ärzte den Patienten die Medikation regelmäßig erläutern. "Befragungen haben gezeigt, dass dies bei fast allen Patienten gut ankommt und sie die Arzneimitteltherapie dadurch besser verstehen."

Die Einsparungen, die bei AdAM erzielt werden, fließen zum Teil als Honorar an die Ärzte. Über die Förderung aus dem Innovationsfonds erhalten sie pro Patient und Jahr 80 Euro. Für die Konsile erhalten Hausarzt und Facharzt jeweils 40 Euro.

Die Projektpartner hoffen, dass sie rund 35.000 Patienten einbeziehen können. Die wissenschaftliche Evaluation wird koordiniert von Professor Ferdinand Gerlach, Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt. Nach Angaben von Müller ist die KVWL insgesamt an vier Projekten beteiligt, die einen Förderbescheid aus dem Innovationsfonds erhalten haben.

Projekt Antibiotikaresistenz

14 Millionen Euro fließen in ein weiteres Projekt mit dem Ziel der Resistenzvermeidung durch adäquaten Antibiotikaeinsatz. Projektpartner sind der vdek mit seinen Mitgliedskassen und die KBV. Teilnehmen können Ärzte aus elf KVen: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein, Westfalen-Lippe.

Zentraler Ansatzpunkt ist die Arzt-Patienten-Kommunikation und die Förderung der gemeinsamen Entscheidungsfindung. Hierzu wurden spezifische Instrumente entwickelt, darunter eine Online-Schulung für Ärzte sowie ein Instrumentenkoffer, der unter anderem Informationsflyer für Patienten und Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten enthält.

Das Projekt startet Anfang 2017. Die Evaluation liegt beim Institut für Allgemeinmedizin der Uni Rostock. Erste Erkenntnisse daraus sollen 2019 zur Verfügung stehen.

Die "Ärzte Zeitung" stellt die Projekte vor

29 Projekte zur Entwicklung neuer Versorgungsformen haben den Zuschlag aus dem Innovationsfonds erhalten. Das hat der GBA vergangene Woche mitgeteilt.

225 Millionen Euro stehen dafür insgesamt zur Verfügung.

Die "Ärzte Zeitung" stellt geförderte Projekte regelmäßig vor.

Auch ein Projekt zu sektorenübergreifenden telemedizinischen Netzwerken im Bereich Intensivmedizin und Infektiologie wird gefördert: www.aerztezeitung.de/924524

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