"Bei Honoraren müssen wir schnell handeln"

Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) drückt beim Thema Ärzte-Honorar auf´s Tempo. "Die Zeit drängt." Ärzte müssten zudem von unnützer Bürokratie im Praxisalltag befreit werden. Nur so könne dem drohenden Ärztemangel in Deutschland begegnet werden, sagt Söder im Gespräch mit unserem Münchner Korrespondenten Jürgen Stoschek.

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Ärzte Zeitung: Sie haben sich im vergangenen Jahr für eine freie ärztliche Gebührenordnung ausgesprochen. Was ist daraus geworden?

Dr. Markus Söder: Wir wünschen uns dringend, dass gerade in diesem Punkt der Koalitionsvertrag rasch umgesetzt wird. Es wäre ein fataler Fehler, sich bei der Gesundheitspolitik allein auf die Frage der künftigen Finanzierung zu verengen.

Stattdessen geht es um die Frage, wie wir den Beruf des Arztes wieder attraktiver machen. Dazu gehört eine ehrliche und grundlegende Honorarreform. Die Leistungen der Ärzte müssen viel besser berücksichtigt werden. Zudem ist es notwendig, die überbordende Bürokratie abzubauen. Auch die unangemessene Struktur zwischen Regelleistungsvolumina und freien Leistungen soll bereinigt werden.

Ärzte Zeitung: Was werden Sie dazu unternehmen?

Söder: Mehrfach habe ich mich deswegen bereits schriftlich an den Bundesgesundheitsminister gewandt. Ich hoffe, dass wir rasch Gespräche über eine grundlegende Überarbeitung der Honorarreform führen. Wir müssen jetzt schnell handeln. Die Zeit drängt. Ende des Jahres ist die Konvergenzphase abgeschlossen. Dann kann nichts mehr geändert werden. Deshalb müssen wir jetzt mit Ärzten und Kassen reden.

Ärzte Zeitung: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung arbeitet bereits an einer Umstellung der Honorarverteilung und plant die Budgetierung freier Leistungen.

Söder: Das wird wieder Probleme bringen. Zuerst einmal muss die Basis der Ärzte in die Diskussion mit einbezogen werden. In vielen Gesprächen, die ich bisher mit Ärzten geführt habe, ist eines offensichtlich geworden: sie fühlen sich nicht richtig eingebunden. Deshalb ist es wichtig, dass ihre Position innerhalb der Selbstverwaltung gestärkt wird.

Der Dialog innerhalb der Ärzteschaft muss verbessert werden. Manchmal entsteht der Eindruck, dass zwischen der Herausforderung vor Ort und der Debatte in Berlin Welten liegen. Das darf nicht sein. Letztlich geht es dabei auch um die Legitimation der Kassenärztlichen Vereinigungen.

Ärzte Zeitung: Welche Ausrichtung sollte eine Reform der ärztlichen Honorierung haben?

Söder: In Zukunft müssen die Qualität und der medizinische Aspekt der Leistung stärker betrachtet werden. Außerdem wird heute die sprechende Medizin vernachlässigt. Dabei ist doch gerade in einer älter werdenden Gesellschaft das Gespräch so wichtig. Das jetzige System ist viel zu starr und misst dem Therapiegespräch zu wenig Bedeutung zu. Ärzte sollen den Freiraum haben, um mit den Patienten ausführlich über die Behandlung zu reden.

Ärzte Zeitung: Die Ärzte klagen immer häufiger über eine zunehmende Bürokratisierung.

Söder: Zurecht! Deshalb schlagen wir einen Entbürokratisierungsrat vor. Dieser soll aus unabhängigen Persönlichkeiten bestehen. Er soll das gesamte Gesundheitssystem auf Einsparmöglichkeiten durchforsten. Das Gremium könnte zumindest zum Teil dazu beitragen, das derzeitige Defizit von rund vier Milliarden Euro abzubauen.

Zum Beispiel: Wirtschaftlichkeitsprüfungen vereinfachen, Bagatellgrenzen einführen, Doppelerhebungen vermeiden, Anzahl der Formulare verringern. Im Arzneimittelbereich gibt es ein nicht unerhebliches Einsparpotenzial bei den innovativen Medikamenten. Wir haben das bereits im Gespräch mit den Arzneimittelherstellern ausgelotet.

Ärzte Zeitung: Was wollen Sie gegen den drohenden Ärztemangel unternehmen?

Söder: Wir brauchen sowohl im ambulanten wie auch im stationären Bereich eine angemessene Honorierung. Der Mediziner soll sich auf seinen eigentlichen Beruf konzentrieren können. Er darf nicht in Bürokratie ersticken.

Ärzte Zeitung: Das heißt konkret?

Söder: In vielen ländlichen Regionen besteht die Gefahr einer Unterversorgung. Deshalb wollen wir in Bayern ein Stipendienprogramm für junge Mediziner aufbauen. Die Studierenden sollen Geld erhalten, wenn sie sich verpflichten, nach ihrem Abschluss fünf Jahre in einer unterversorgten Region zu praktizieren. Zudem wünsche ich mir mehr Investitionen in Programme, die eine Praxisübernahme erleichtern - etwa über die Städtebauförderung.

Gemeinden und Kommunen sollten mit öffentlichen Mitteln eine Praxis einrichten dürfen, die Ärzte für einen bestimmten Zeitraum nutzen können. Im Übrigen werden auch niedergelassene Medizinerinnen viel bessere Möglichkeiten haben, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Als Angestellte mit festen Schichtdiensten in der Klinik ist das schwieriger.

Zur Person

Dr. Markus Söder (43) ist seit Oktober 2008 Staatsminister für Umwelt und Gesundheit in der bayerischen Landesregierung unter Ministerpräsident Horst Seehofer. Der gelernte Jurist und Vater von vier Kindern ist seit 1983 Mitglied der CSU und seit 1994 Landtagsabgeordneter.

Vor seiner Promotion an der Universität Erlangen-Nürnberg war Söder kurze Zeit als Redakteur beim Bayerischen Rundfunk tätig. Von 2003 bis 2007 war Söder Generalsekretär der CSU, vorgeschlagen vom damaligen Parteivorsitzenden Edmund Stoiber. Anschließend war Söder bis Oktober 2008 Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten. Seit Juni 2008 ist der gebürtige Nürnberger auch Vorsitzender des CSU-Bezirksverbands Nürnberg-Fürth-Schwabach. (sto)

"Bürgerlich föderales Gesundheitsmodell"

Freiberuflichkeit statt Staats- und Konzernmedizin, Regionalismus statt Zentralismus - das ist das gesundheitspolitische Credo der CSU. Bei einer Klausurtagung im vergangenen Jahr hat der Parteivorstand ein entsprechendes Grundsatzpapier beschlossen.

"Das deutsche Gesundheitssystem ist in Gefahr! Permanente staatliche Eingriffe haben in über 25 Jahren zu Budgetierung und einem Übermaß an Reglementierung geführt", heißt es darin.

Bei der Honorarreform werde dies besonders deutlich: Sie sei intransparent und bürokratisch und benachteilige bayerische Patienten und Ärzte.

Notwendig sei nun ein Neustart: An die Stelle einer "zentralistisch gesteuerten Staatsmedizin" müsse ein "bürgerlich-föderales Gesundheitsmodell" treten. Im Mittelpunkt der Versorgung stehe der Patient mit seinem Recht auf freie Arztwahl.

Bei den Leistungsvergütungen seien die regionalen Kostenstrukturen zu berücksichtigen. Die freien Berufe sieht die CSU als Rückgrat einer humanen Versorgung. Medizinische Versorgungszentren sollten nur zugelassen werden, wenn sie von Ärzten getragen werden. Den Einstieg von "Kapitalgesellschaften" lehnt die CSU ab.

Weitere gesundheitspolitische Ziele: Beitragsautonomie der Kassen, Stärkung des Regionalitätsprinzips, Rückführung des Morbi-RSA und Beibehaltung der PKV als Vollversicherung. (eb) Das Grundsatzpapier ist im Wortlaut abrufbar unter: www.csu.de/dateien/partei/beschluesse/090404_banz_gesundheit.pdf

 

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