Sachsen

Bereitschaftsdienstreform entzweit KV und Hartmannbund

Vertragsärzte in Sachsen fürchten wegen der Bereitschaftsdienstreform explodierende Kosten – KV-Chef Heckemann widerspricht.

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Die neue Bereitschaftsdienstordnung in Sachsen sieht eigene Praxen der KV vor.

Die neue Bereitschaftsdienstordnung in Sachsen sieht eigene Praxen der KV vor.

© DOC RABE Media / adobe.stock.de

dVon Sven Eichstätt

DRESDEN. Die neue Bereitschaftsdienstordnung in Sachsen hat einen Streit zwischen dem sächsischen Hartmannbund und der KV Sachsen ausgelöst. In einem Briefwechsel kritisieren sich Sachsens KV-Chef Dr. Klaus Heckemann und der sächsische Hartmannbund-Vorsitzende Dr. Thomas Lipp gegenseitig.

Lipp, der der Reform des Bereitschaftsdienstes nach eigenen Worten im vergangenen Oktober "auch bewusst zugestimmt" hat, wirft Heckemann vor, dass für die neue Bereitschaftsdienststruktur eine "äußerst teure Implementierung" notwendig sei und spricht von "bis zu 20-fachen Mehrkosten als bisher für den einzelnen Arzt". "Lieber Herr Lipp, das 20-fache ist eine etwas irreführende und auch ein wenig polemische Zahl", erwidert Heckemann. "Das wissen Sie auch." Die Reform werde "leider" nicht zum "Nulltarif" zu erreichen sein. Es sei "natürliche eine erhebliche Steigerung, aber keinesfalls mehr als das Fünffache". Im Oktober war beschlossen worden, dass pro Mediziner 100 Euro pro Monat und 0,3 Prozent des Honorars als zusätzliche Umlage zu zahlen sind.

Fahrdienst für Hausbesuche

Die neue Bereitschaftsdienstordnung hat zum Inhalt, dass künftig durch die KV Sachsen eigene Bereitschaftsdienstpraxen eingerichtet sowie für Hausbesuche ein Fahrdienst mit eigenen Fahrern und von der KV geleasten Autos organisiert wird. Lipp sieht darin die "Gefahr einer zukünftig möglichen 7?/?24-Versorgung". Es sei ihm "schleierhaft, wie Patienten, denen eine solche Struktur angeboten wird, künftig bei einem Hausarzt bei akuten Beschwerden zwei bis drei Tage oder auch einmal länger auf einen Termin warten sollen, wenn sie dort gegebenenfalls gleich und rund um die Uhr versorgt werden können."

Allerdings sieht die neue Ordnung gar keine Öffnungszeiten der Bereitschaftspraxen rund um die Uhr vor. Sie sollen laut Paragraf 11 der neuen Ordnung montags, dienstags und donnerstags von 19 bis 22, mittwochs und freitags von 14 bis 22 Uhr sowie am Wochenende und an Feiertagen von 8 bis 22 Uhr geöffnet haben. Hinzu kommt, dass Hausbesuche von Bereitschaftsärzten auch nach der alten Ordnung schon üblich waren.

Heckemann schreibt dazu, er könne "in keiner Weise Ihre Bemerkung nachvollziehen, dass durch die Einrichtung der Portalpraxen den Hausärzten die Akutpatienten weggenommen würden". Nach seiner Vorstellung von hausärztlicher Tätigkeit bekomme ein Akutpatient beim Hausarzt sofort einen Termin. "Sollte ich mich hierin irren, wäre dies fatal, denn dann würden die Hausärzte die Akutversorgung freiwillig an teurere – von uns finanzierte – Strukturen abgeben", ergänzt Heckemann.

Es stehen sich also die Ansichten gegenüber, dass KV-Chef Heckemann davon ausgeht, jeder Akutpatient bekomme bei einem Hausarzt sofort einen Termin, und Hartmannbund-Vorsitzende Lipp annimmt, dass Akutpatienten bei einem Hausarzt "zwei bis drei Tage oder länger" auf einen Termin warten sollen.

Lipp schreibt weiter, dass Notfallpraxen "nicht per se überlaufen" seien, sie hätten "im Schnitt 0,1 Patientenkontakt pro Stunde". Hierzu erwidert Heckemann, "leider" sei diese Zahl "zumindest in den Zeiten, in denen wir Portalpraxen betreiben werden, schon in der Größenordnung falsch". Es werde "in der Betriebszeit der Praxen ein etwa 20-facher Patientenkontakt zu erwarten sein, also durchschnittlich zwei Patienten pro Stunde", ergänzt Heckemann.

Hartmannbund-Chef Lipp schreibt darüber hinaus, "ich frage mich nur, wie wir flächendeckend qualifiziertes Personal finden wollen, welches alleinig zu Unzeiten tätig ist". Das möge in Universitätsstädten funktionieren, aber nicht auf dem Land und in Kleinstädten. "Was, wenn wir kein Personal in der erforderlichen Menge und Qualifikation finden?", fragt Lipp. Dazu antwortet Heckemann, die KV wolle "hier – wie auch in anderen Bundesländern – einen Großteil des Personalbedarfs durch die zusätzliche Anstellung von in Arztpraxen fest angestelltem Personal absichern".

Lipp schließt seinen Brief an Heckemann mit den Worten: "Es bleiben Fragen über Fragen." Heckemann wiederum beendet seinen Brief an Lipp damit, er setze "weiterhin auf Ihre konstruktive Mitarbeit an unserer Reform, besonders in Ihren Funktionen als Mitglied der Vertreterversammlung (der KV Sachsen, d. Red.) und als Vorstandsmitglied des Hartmannbundes".

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