Hintergrund

Brandenburg nimmt Kampf gegen Ärztemangel selbst in die Hand

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Neue Ärzte braucht das Land. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen die Brandenburger Akteure im Gesundheitswesen weniger auf das Versorgungsstrukturgesetz als auf eigene Ideen.

Von Angela Mißlbeck

Brandenburg ist das Bundesland mit der geringsten Arztdichte. Ärztemangel ist dort vielerorts bereits Realität.

Aktuell sind 170 Hausarztsitze und 15 Facharztsitze unbesetzt. In den märkischen Kliniken sind rund 170 Arztstellen offen. Patienten beklagen sich bei der Landesärztekammer, dass sie ein Jahr auf einen Termin beim Augenarzt warten müssen.

Bahr verweist gerne auf Brandenburg

Solche Versorgungsprobleme will Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mit dem Versorgungsstrukturgesetz (VStG) lösen. Wiederholt hat er auf Brandenburg verwiesen, um sein Gesetzesvorhaben zu begründen.

Die Brandenburger Akteure im Gesundheitswesen übten daran jedoch anlässlich einer Fachtagung des Landesgesundheitsministeriums zur "Zukunft der Allgemeinmedizin" viel Kritik.

"Schritt in die richtige Richtung"

Brandenburgs Plan gegen den Ärztemangel

Das 30 Seiten starke "Konzept zur künftigen Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung im Land Brandenburg" hat das märkische Gesundheitsministerium (MUGV) im Januar 2011 vorgelegt.

Es basiert auf den Gesprächsrunden mit allen Akteuren des Gesundheitswesens, den Vertretern von Kommunen und Landkreisen und der Arbeitsagentur. Das Konzept legt acht Handlungsfelder auf Landesebene fest, darunter ärztliche Nachwuchsgewinnung, Bedarfsplanung und Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung.

Zudem wird das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert, Bedingungen zu schaffen, die Studenten an die hausärztliche Versorgung heranführen, und die hausärztliche Berufstätigkeit attraktiver zu gestalten. (ami)

Als "Schritt in die richtige Richtung" würdigte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) Andreas Schwark das Gesetz. Er forderte aber Nachbesserungen bei der Regionalisierung der Honorarverteilung.

Schwark verwies darauf, dass Ärzte in Brandenburg zehn bis 15 Prozent mehr Patienten behandeln als im Bundesdurchschnitt.

Dabei erhalten sie nach seinen Angaben aber aufgrund der historisch gewachsenen regionalen Honorarunterschiede pro Versichertem von den Krankenkassen nur 334 Euro statt wie im Bundesdurchschnitt 344 Euro.

Forderung: Auf Bundesdurchschnitt anheben

Vor einer Regionalisierung der Honorarverteilung sei es deshalb "unbedingt nötig, dass das Geld, das die Krankenkassen zur Verfügung stellen, auf Bundesdurchschnitt angehoben wird", so Schwark.

Er verwies damit auf eine Forderung mehrerer Kassenärztlicher Vereinigungen, die sich zur Arbeitsgemeinschaft Lava zusammengeschlossen haben.

KV wundert sich über die Landesregierung

Zudem zeigte Schwark sich verwundert, dass das Land Brandenburg einem entsprechenden Antrag der Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen im Bundesrat nicht beigetreten ist.

Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) begründete die Enthaltung in der Länderkammer damit, "dass die Art der Antragstellung möglicherweise zu einer Entsolidarisierung geführt hätte".

Vom Versorgungsstrukturgesetz verspricht sie sich, dass es eine bessere Zusammenarbeit von Ärzten in Klinik und Praxis ermöglicht. Dass es wie beabsichtigt Ärzte aufs Land bringt, glaubt Tack nicht. Dazu seien vielmehr Eigenansätze aus der Region gefragt.

Tack kritisiert, dass Aus- und Weiterbildung ausgegliedert worden ist

Tack forderte vor allem "mehr Akzeptanz und Unterstützung für die Allgemeinmedizin". In diesem Zusammenhang bezeichnete sie es als großen Nachteil des Gesetzes, "dass der gesamte Bereich der Aus- und Weiterbildung ausgegliedert worden ist" und damit die Zustimmungspflicht der Länder entfallen sei.

Das Landesministerium fordert schon in seinem "Konzept zur Sicherstellung" mehr Gestaltungsmöglichkeiten der Länder in der Gesundheitsversorgung (siehe Kasten).

Gesetz "nachbesserunsgbedürftig"

Der Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg Dr. Jens-Uwe Schreck bezeichnete das Gesetz als "nachbesserungsbedürftig". Besonders skeptisch sieht er die Einschränkungen bei der Trägerschaft Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) und die Regelungen für den spezialärztlichen Sektor.

"Es ist gerade in einem Flächenland problematisch, wenn Krankenhausleistungen in der Onkologie eingeschränkt werden sollen", so Schreck.

Zudem kritisierte er, dass die Krankenhäuser durch das Versorgungsstrukturgesetz erneut zu Einsparungen gezwungen würden, weil die Bezahlung für nicht vereinbarte Mehrleistungen gekappt werden soll.

Kammern fühlen sich vom Gesetzgeber übergangen

Bei der spezialärztlichen Versorgung hätte sich der Präsident der Ärztekammer Brandenburg (ÄKBB) Dr. Udo Wolter ein Mitspracherecht der Ärztekammern gewünscht. Er bezeichnete es als "ärgerlich, dass der Gesetzgeber den Kammern die Tür vor der Nase zugeschlagen hat".

Über den Nutzen des Gesetzes für Brandenburgs Gesundheitsversorgung äußerte sich Wolter nicht. Sein Fazit zu den regionalen Initiativen gegen den Ärztemangel fiel jedoch eher negativ aus.

"Trotz aller Bemühungen ist es uns nicht gelungen, die Zahl der Zugänge in der Allgemeinmedizin zu verbessern", sagte der Kammerpräsident.

Er vertrat die Auffassung, dass die Gründe nicht allein in der Weiterbildung und im Gesundheitssystem selbst zu suchen sind. Es sei vielmehr "eine Frage der Infrastruktur", wo sich Ärzte niederlassen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Guter Brei trotz vieler Köche?

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