Hamburg

Check-up zur Diabetes-Aufklärung nutzen

Zwei Drittel der Hamburger bewegen sich zu wenig und haben damit ein erhöhtes Diabetes-Risiko. Gefährdete Menschen will die Hansestadt vor allem in sozial schlechter gestellten Vierteln erreichen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

HAMBURG. Patienten erwarten von ihren Ärzten Empfehlungen zur Gesundheitsförderung. Dies ergibt sich aus einer Befragung der Hamburger Gesundheitsbehörde von 1500 Hamburgern, deren Ergebnisse in den aktuellen Diabetes-Bericht für Hamburg eingeflossen sind.

Danach erwartet fast jeder Befragte entsprechende Tipps seines behandelnden Arztes, wenn dieser solche Maßnahmen für erforderlich hält. Jeder vierte Befragte hat im vergangenen Jahr an einer Maßnahme zur Gesundheitsförderung teilgenommen und fast jeder zweite davon auf Anraten des Arztes.

Wie wichtig Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sind, zeigt ein weiteres Ergebnis: Zwei Drittel der Hamburger bewegen sich weniger als fünf Stunden pro Woche und haben damit ein höheres Risiko, übergewichtig zu werden und an Diabetes Typ 2 zu erkranken.

Deren Zahl wird sich von 122.000 im Jahr 2011 bis 2030 um mehr als 18.000 auf über 140.000 erhöht haben, lautet die Prognose für Hamburg. Besonders hoch wird dieser Anstieg in einzelnen Vierteln wie Kirchwerder oder Wilhelmsburg ausfallen.

Bewusstsein schaffen

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sieht das Gesundheitssystem in ihrer Stadt zwar grundsätzlich gut aufgestellt, um eine stärkere Ausbreitung der chronischen Erkrankung zu verhindern, will dies aber durch flankierende Maßnahmen begleiten: „Wir wollen das Bewusstsein der Menschen über ernährungs- und verhaltensbedingte Gesundheitsrisiken weiter verbessern und Lebensbedingungen schaffen, die ein gesundheitsförderndes Verhalten erleichtern.“

Ein Instrument dafür ist mehr Aufklärung. Denn laut Diabetes-Bericht unterschätzen viele Menschen, bei denen schon mehrere Risikofaktoren für Diabetes bestehen, ihre persönliche Erkrankungswahrscheinlichkeit. 84 Prozent der Hamburger bis 60 Jahre haben nur ein niedriges Erkrankungsrisiko.

Bei elf Prozent ist das Risiko „noch niedrig“, bei fünf Prozent dagegen ist dieses Risiko erhöht oder hoch. Diese Risikoträger sind häufig bereits durch andere chronische Erkrankungen belastet oder in gesundheitlicher Sicht eingeschränkt.

Insbesondere Männer mit niedrigem Bildungsniveau sind betroffen. Diabeteserkrankungen kommen in den sozial schlechter gestellten Vierteln Hamburgs vergleichsweise häufig vor.

Hausärzte als Anlaufstelle

Die Gesundheitsbehörde strebt deshalb an, dass in diesen Vierteln die Inanspruchnahme des Gesundheits-Check-Ups erhöht wird. Dabei legt die Behörde den Fokus auf einen Personenkreis, der nur selten oder nur zur Krankschreibung die Arztpraxis aufsucht – „also diejenigen, die sich nur um ihre Gesundheit kümmern, wenn sie krank sind“, heißt es im Bericht.

Um diese Menschen zu erreichen, soll die Funktion der Hausärzte als erste und langfristige Anlaufstelle gestärkt werden. Die Gesundheitsbehörde will deshalb prüfen, ob den Praxen Informationsmaterial, das Patienten als Hilfsmittel zum ärztlichen Beratungsgespräch über gesundheitsförderliche und präventive Angebote erhalten, zur Verfügung gestellt wird.

An die Adresse der Hausärzte heißt es im Bericht: „Der Check-Up sollte genutzt werden den Lebensstil zu thematisieren, weil eben nicht eine akute Erkrankung prioritäres Thema ist.“

Weil einzelne Viertel besonders stark betroffen sind, sucht die Gesundheitsbehörde auch das Gespräch mit der KV Hamburg. Ziel ist „eine Perspektive für eine verbesserte vertragsärztliche Versorgung“ in diesen Vierteln. Diese Gespräche dürften nicht einfach werden – denn eine Einflussnahme der Aufsicht auf die Versorgungsplanung und Verteilung der Praxen stößt in der KV auf Skepsis.

Die Behörde mahnt aber: „Die Prognose sollte bei der Weiterentwicklung der ambulanten vertragsärztlichen Bedarfsplanung berücksichtigt werden.“Positiv wertet die Gesundheitsbehörde die gute Inanspruchnahme des Screenings auf Schwangerschaftsdiabetes.

Diabetes bei fast 1000 Schwangeren diagnostiziert

Im ausgewerteten Jahr 2016 hatten sich drei Viertel der schwangeren Hamburgerinnen daran beteiligt, bei fast 1000 wurde ein Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert. Adipositas ist als Risikofaktor für Schwangerschaftsdiabetes zu Beginn der Schwangerschaft bei jeder zehnten Frau festzustellen.

Als Konsequenz aus den Ergebnissen hält die Gesundheitsbehörde insbesondere in Vierteln, in denen viele Kinder geboren werden, Hinweise auf regionale Anlaufstellen für Ernährungsberatung und Essstörungen für sinnvoll. Diese Hinweise sollten in gynäkologischen Praxen bekannt sein und bei Bedarf auch vermittelt werden, heißt es im Bericht.

Statt eines flächendeckenden Konzeptes gegen Gestationsdiabetes sei ein regionalspezifischer, selektiver Zugang sinnvoll – hier schlägt die Behörde eine Kooperation zwischen Beratungsstellen, ambulanten Versorgungseinrichtungen und dem öffentlichen Gesundheitsdienst vor.

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