Gesundheitsökonomen raten

Chipkarte für Asylbewerber

Gesundheitsökonomen empfehlen, Asylbewerber so früh wie möglich in die GKV-Regelversorgung aufzunehmen. Sie haben errechnet: Die gegenwärtige Praxis kostet fast 40 Prozent mehr.

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HEIDELBERG/BIELEFELD. Gesundheitsökonomen der Universitäten Heidelberg und Bielefeld empfehlen, die medizinische Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung so früh wie möglich für Asylbewerber zu öffnen und vor allem eine umfassende Versorgung mit primärmedizinischen Maßnahmen sicherzustellen.

 Sie kritisieren die mit bürokratischem Aufwand verbundenen eingeschränkten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von 1993 als kostentreibend und kontraproduktiv.

In der Studie haben Dr. K Kayvan Bozorgmehr (Abteilung für Allgemeinmedizin der Uni Heidelberg) und Professor Oliver Razum (Abteilung für Epidemiologie und Public Health der Uni Bielefeld) Daten des Statistischen Bundesamtes für die Zeit von 1994 bis 2013 ausgewertet.

Danach lagen die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für medizinische Versorgung bei Asylsuchenden mit nur eingeschränktem Zugang zur medizinischen Versorgung in den letzten 20 Jahren um rund 40 Prozent oder 376 Euro höher als bei jenen Asylsuchenden, die bereits Anspruch auf GKV-Leistungen haben.

Die Ergebnisse wurden im internationalen Fachblatt "PLOS ONE" (2015; online 22. Juli) veröffentlicht.

Rückenwind für das Bremer Modell

"Die Diskussion um die Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern wurde bislang rein politisch geführt", kritisiert Bozorgmehr.

"Rationale, gesundheitswissenschaftliche und ethische Grundsätze müssen dringend stärker berücksichtigt werden." Dürfen Asylsuchende ohne bürokratische Hürden Regelversorger wie Allgemein- und Kinderärzte aufsuchen, seien die Gesundheitsausgaben niedriger.

Die Studie belege, dass eine bundesweite Umsetzung etwa des Bremer Modells nicht zwingend mit Mehrkosten verbunden sind, so Ko-Autor Oliver Razum.

In Bremen hat der Senat mit der AOK eine Vereinbarung geschlossen, mit der Asylsuchende GKV-Leistungen via Chipkarte erhalten. Der Senat erstattet der AOK die gesamten Behandlungskosten und spart dadurch vor allem erheblichen Administrationsaufwand.

Die Ergebnisse der Studie stützen die Forderung des Deutschen Ärztetages. Er hatte im vergangenen Jahr eine Entschließung gefasst, mit der der Bundesgesetzgeber aufgefordert wird, Asylbewerbern die gleiche Gesundheitsversorgung zukommen zu lassen wie GKV-Versicherten. (HL)

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