Befragung unter 2000 Bürgern

Corona rüttelt am Vertrauen in Güte des Gesundheitssystems

Seit Ausbruch der Pandemie sind immer weniger Bundesbürger der Ansicht, die Gesundheitsversorgung klappe gut. Besonders chronisch Kranke und pflegende Angehörige sind zunehmend unzufrieden, so eine Umfrage für die AOK.

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Fühlen sich in Corona-Zeiten allein gelassen: Insbesondere pflegende Angehörige bemängeln zunehmend die Qualität der Gesundheits- und Pflegeversorgung.

Fühlen sich in Corona-Zeiten allein gelassen: Insbesondere pflegende Angehörige bemängeln zunehmend die Qualität der Gesundheits- und Pflegeversorgung.

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Berlin. Die Corona-Pandemie hat vor allem am Vertrauen pflegender Angehöriger und chronisch Kranker in das hiesige Gesundheitssystem gekratzt. Das legt eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts „Forsa“ für den AOK-Bundesverband nahe. Befragt wurden von Ende April bis Ende Mai rund 2000 Bundesbürgerinnen und -bürger.

Demnach geben seit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 immer weniger Menschen in Deutschland an, dass sie die Gesundheitsversorgung in ihrer Region für „gut“ oder „sehr gut“ erachten. Nach der ersten Corona-Welle im Sommer 2020 hatten sich noch 78 Prozent der Befragten positiv geäußert. Im Mai 2022 verteilten nur noch 62 Prozent die Noten „gut“ oder „sehr gut“.

Nur noch gut 60 Prozent vergeben gute Noten

„Anlass zur Sorge“ gibt laut AOK, dass Personen mit pflegebedürftigen Angehörigen oder schlechtem Gesundheitszustand noch einmal deutlich unzufriedener mit Versorgungsangeboten sind. Letztere Personengruppe bewerte die medizinische Versorgung im Jahr 2022 insgesamt um 19 Prozentpunkte schlechter als der Durchschnitt, teilte die Gesundheitskasse am Donnerstag mit. Auch die Versorgung speziell in der Pandemie werde von dieser Gruppe weit kritischer gesehen. Hier stufen nur 58 Prozent die Versorgung als „gut“ oder „sehr gut“ ein.

Die Kritik spiegele sich auch an den Zufriedenheitswerten mit konkreten Angeboten wie etwa der stationären Versorgung wider: So seien unter den Personen mit schlechtem Gesundheitszustand nur knapp 63 Prozent zufrieden mit der Krankenhaus-Versorgung gewesen – knapp zehn Prozent weniger als im Durchschnitt.

AOK-Verbandschefin Dr. Carola Reimann rief angesichts der Umfrageergebnisse dazu auf, stärker auf Belange von vulnerablen Gruppen zu achten: „Es darf nicht sein, dass wir die gesundheitlich und sozial schlechter gestellten Menschen weiter abhängen.“

Reimann: Vulnerable Gruppen stärker in den Blick nehmen

Dass es während der Corona-Krise mehr Probleme in der medizinischen und pflegerischen Versorgung gegeben habe, verwundere niemanden, so Reimann. Auffällig sei aber, dass die Zufriedenheit insgesamt deutlich sinke, insbesondere bei sozial Schwächeren und Personen mit Pflegebedarf oder schlechterem Gesundheitszustand.

In der Wahrnehmung der Befragten lagen die Hauptprobleme in der Corona-Krise vor allem bei verschobenen Klinikbehandlungen und teils überforderten Gesundheitsämtern. Auch die hohen Belastungen für pflegende Angehörige durch das Wegbrechen von Hilfsangeboten werden als Ärgernisse genannt.

Ebenfalls auffällig: Nur noch zwei von drei Befragten hatten im Mai 2022 das Gefühl, dass die Notfallversorgung in der Pandemie funktioniere. 2020 waren es noch drei Viertel. Probleme mit der Notfallversorgung wurden ebenfalls überdurchschnittlich häufig von Personen mit schlechtem Gesundheitszustand genannt.

Nur Minderheit hat Erfahrung mit Videotelefonie

Positive Erfahrungen mit der Videotelefonie werden laut Umfrage bisher nur von einer Minderheit der Bundesbürger genannt: Sieben Prozent der Bevölkerung sind demnach bislang via Videotelefonie vom Haus- oder Facharzt behandelt worden – das seien zwei Prozentpunkte mehr als im Jahr 2020, teilte die AOK mit.

Allerdings war die Zufriedenheit dieser noch recht kleinen Gruppe mit dem Angebot groß – 90 Prozent zeigten sich „sehr“ oder „eher zufrieden“ damit. Auch die Aufgeschlossenheit für Videotelefonie ist gestiegen: Während sich im Jahr 2019 nur jeder Zweite eine ärztliche Behandlung per Videotelefonie vorstellen konnte, sind es inzwischen zwei von drei Befragten.

Zweifel an dezentralem Krisenmanagement wächst

Eine deutliche Verschiebung gegenüber 2020 zeigt sich auch bei den Angaben zu den viel zitierten Pandemie-Lehren. So bejahen nur noch 34 Prozent, dass sich das deutschlandtypische „dezentrale Krisenmanagement“ bewährt habe. Im Corona-Jahr 2020 waren es noch 48 Prozent.

Ansonsten gibt es weiterhin hohe Zustimmungswerte von jeweils weit über 90 Prozent zu Aussagen, wonach es eine gute Versorgung auch in ländlichen Regionen brauche, Pflegeangebote aufrechtzuerhalten seien und Pflege- und Gesundheitsberufe mehr Wertschätzung verdienten. Punkte, die im Koalitionsvertrag der Ampel aufgerufen sind, bislang aber der Umsetzung in Form konkreter Gesetzespläne harren. (hom)

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