Notdienst-Reform

Das große Rechnen im Südwesten

In Baden-Württemberg läuft die Reform des Notdienstes auf Hochtouren. Bei der VV am Mittwoch wurde klar: Das Projekt kostet Geld - auch zu Lasten der Ärzte.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Notdienst: In Baden-Württemberg mitten in der Reform.

Notdienst: In Baden-Württemberg mitten in der Reform.

© theissen / imagebroker / imago

STUTTGART. In Baden-Württemberg geht es bei der Reform des Bereitschaftsdienstes jetzt ans Eingemachte - es geht ums Geld. Auf Ärzte kommen nach dem derzeitigem Planungsstand eine landesweite Umlage und Sonderabgaben ab 2014 zu.

Die Vertreter der KV Baden-Württemberg gaben dem Vorstand am Mittwoch in Stuttgart mit auf den Weg, dass die Krankenkassen zu einer "substantiellen Beteiligung" herangezogen werden müssten.

Anderenfalls werde der Leistungsumfang des jetzt geplanten Bereitschaftsdienstes reduziert, hieß es in einem mit großer Mehrheit verabschiedeten Grundsatzbeschluss.

Kaum Streit gibt es grundsätzlich darüber, dass der im Südwesten bisher sehr kleinräumig organisierte Bereitschaftsdienst reformiert werden muss. KV-Vorstandsvize Dr. Johannes Fechner nannte als Beispiel Tübingen.

In der Universitätsstadt leisteten 66 Hausärzte Notdienst, 22 davon sind älter als 60 Jahre. Absehbar sei somit, dass das bisherige System langfristig nicht mehr funktionieren wird.

Im Juli dieses Jahres hatten die Vertreter beschlossen, dass die KVBW künftig die gesamte Organisation des Bereitschaftsdienstes übernehmen soll - vom Betrieb der Notfallpraxen bis zum Fahrdienst.

So soll die Dienstbelastung gesenkt werden - ein wichtiger Punkt gerade für Vertragsärzte, die ihre Praxen verkaufen wollen.

Der Neuzuschnitt der Notdienstbereiche ist weitgehend abgeschlossen: Von den bisher 380 Bezirken in Baden-Württemberg werden etwa 70 übrig bleiben, in denen es nach derzeitigem Stand 95 Notfallpraxen geben soll.

Patienten sollen maximal 30 Minuten mit dem Auto bis zur nächstgelegenen Notfallpraxis brauchen, lautet die Vorgabe.

Jetzt aber geht es um die Finanzierung - und da tun sich Löcher auf. Ein Reformbaustein ist nämlich die Vorgabe, dass Ärzte, die Notdienst leisten, ein garantiertes Stundenhonorar von 50 Euro erhalten sollen.

Hinzu werden Infrastrukturkosten für die von der KV betriebenen Notfallpraxen kommen sowie Kosten für den geplanten Fahrdienst.

Hier ist nach Angaben von Fechner bisher kein Konsens absehbar: "Die einen Kollegen fordern den Fahrdienst vehement ein, die anderen lehnen ihn genauso entschieden ab."

Fechner stellte den Vertretern ein Tableau von Gestaltungsoptionen mit jeweils verschiedenen Folgekosten vor.

Beispiel: Ein Fahrdienst auch werktags oder nur am Wochenende? Absehbar ist, dass die bisher von der KV aufgewendeten 52 Millionen Euro pro Jahr für den Bereitschaftsdienst im neuen Modell vorne und hinten nicht reichen werden.

Am Ende der Diskussion votierten die Vertreter für eine Variante, die am Wochenende einen diensthabenden Arzt in der Notfallpraxis ("Sitzdienst") von 8 bis 22 Uhr sowie einen Arzt im Fahrdienst rund um die Uhr vorsieht.

Werktags wird in dieser abgespeckten Variante auf den Sitzdienst verzichtet, lediglich ein Arzt im Fahrdienst steht in der Zeit von 19 Uhr bis 8 Uhr morgens bereit. Dieser soll jedoch nicht die eigentlich geplante Umsatzgarantie von 50 Euro je Stunde erhalten, sondern lediglich 100 Euro pauschal je Dienst.

Durch diese Variante würden im Vergleich zum Status quo 34 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr entstehen, die - wenn die Kassen sich nicht beteiligen - allein von den Ärzten finanziert werden müssten.

Die Zusatzkosten für die Ärzte werden sich aufteilen auf einen fixen Monatsbeitrag und eine prozentuale Umlage am Umsatz. Wie die Aufteilung genau erfolgt, steht noch nicht fest.

Dafür sollen die bisher geltenden und je nach Bezirksdirektion unterschiedlichen Sicherstellungsumlagen entfallen.

Der große Unbekannte sind die Krankenkassen. Unklar ist ihre Bereitschaft, sich finanziell zu beteiligen. Im alten Modell tun sie dies mit einem Zuschlag von 7,50 Euro je Notdienstfall.

Doch diese Regelung läuft Ende des Jahres aus. Besonders Hausärzte fürchten, dann beim Bereitschaftsdienst rote Zahlen zu schreiben.

Einzelne Vertreter regten angesichts der zu erwartenden Kosten an, es bei der Reform der Notdienstbereiche zu belassen und keine weiteren Anpassungen vorzunehmen.

Dem erteilte KV-Chef Dr. Norbert Metke eine klare Absage: "Dann landen wir in der Steinzeit, dann verabschieden wir uns als KV als ernstzunehmender Partner aus der Sicherstellung", warnte Metke.

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