KBV-Vorstände im Interview

"Der Vorwurf ist Unsinn!"

Die Umfrage zum Sicherstellungsauftrag, stockende Honorarverhandlungen in den Regionen und die "Währungsreform" im EBM: Es gibt aktuell eine Menge Aufregerthemen für die KBV. Die "Ärzte Zeitung" hat die Vorstände Regina Feldmann und Dr. Andreas Köhler dazu befragt.

Veröffentlicht:
Die beiden hauptamtlichen KBV-Vorstände: Dr. Andreas Köhler und Regina Feldmann.

Die beiden hauptamtlichen KBV-Vorstände: Dr. Andreas Köhler und Regina Feldmann.

© Florian Schuh / dpa

Ärzte Zeitung: Die KBV hat alle Vertragsärzte und -psychotherapeuten dazu befragen lassen, wie sie zum Sicherheitsauftrag stehen. "Beibehalten", "zurückgeben" oder "an mittelfristig einzulösende Bedingungen knüpfen", lauteten die möglichen Antworten. Wie entscheiden sich die Ärzte, gibt es eine Tendenz?

Dr. Andreas Köhler: Die ersten Trends werden wir in der Vertreterversammlung an diesem Freitag vorstellen. Was mich freut, ist die hohe Beteiligung der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten. Obwohl die Befragung noch nicht allzu lange läuft, haben schon weit über 50.000 Niedergelassene mitgemacht. Das ist ein tolles Ergebnis. Und die Befragung läuft ja noch einige Zeit. Wir werden also auf jeden Fall repräsentative Ergebnisse haben.

Ärzte Zeitung: Der Hausärzteverband sieht in der Umfrage ein Mittel, die Selektivverträge zu schwächen. Soll die Umfrage die Ärzte hinter dem Kollektivvertragssystem versammeln?

Regina Feldmann: Die hohe Beteiligung ist auch ein Zeichen dafür, dass Befragung und Fragebogen akzeptiert sind. Ein Meinungsforschungsinstitut hat den Bogen erarbeitet und führt die Befragung durch. Dabei geht es natürlich nicht darum, Selektivverträge zu schwächen oder den Kollektivvertrag zu stärken. Diese Befragung hat einen viel grundsätzlicheren Ansatz: Wie wollen wir mit dem Sicherstellungsauftrag, so wie er sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, umgehen?

Ärzte Zeitung: In Bayern, Hamburg und Sachsen sind die regionalen Honorarverhandlungen gescheitert und an die Schiedsstellen überwiesen worden. Ist das für Sie als Vorstände der Bundesvereinigung ein Signal, dass die Verhandlungen wieder stärker zentral geführt werden sollten?

Regina Feldmann: Wenn die Krankenkassen es ernst meinen mit der Selbstverwaltung, dann müssen sie auch konstruktiv verhandeln und nicht alles auf die Schiedsämter schieben. Es kann auch nicht sein, dass Empfehlungen der Bundesebene von Krankenkassen in den Regionen schlichtweg ignoriert werden. Das geht nicht! Das hat nichts damit zu tun, ob Verhandlungen regional oder zentral stattfinden, sondern mit der Frage: Wie wichtig ist den Krankenkassen die gemeinsame Selbstverwaltung?

Dr. Andreas Köhler: Was ich nicht verstehe, ist: Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich ohne äußere Not von der Rolle eines Verhandlungspartners verabschiedet, mit dem man sich - wenn auch nicht konfliktfrei - so doch zumindest auf einer sachlichen Ebene verständigen konnte. Leider scheint das nach den neuesten Erkenntnissen auch für die Kassen in den Ländern zu gelten, die teilweise versuchen, die auf Bundesebene ausgehandelten Ergebnisse noch zu unterbieten.

Die Krankenkassen weigern sich schlichtweg, die Morbidität vor Ort und die besonderen regionalen Versorgungssituationen zur Kenntnis zu nehmen. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch klar sagen: Das, was die KBV verhandelt hat, waren keine Obergrenzen! Diese hätten wir zu keinem Zeitpunkt akzeptiert.

Ärzte Zeitung: Dauerbaustelle EBM-Reform: Kritiker halten die auf dem Tisch liegenden KBV-Vorschläge, den Punktwert auf 5,11 Cent anzuheben, dies aber kostenneutral, für eine "Währungsreform" auf Kosten der Vertragsärzte. Was ist dieser Teil des Honorarkompromisses aus Ihrer Sicht?

Dr. Andreas Köhler: Lassen Sie mich ein paar Worte zu der sogenannten Währungsreform sagen und den Verlautbarungen, die dazu die Runde machen. Hinter dieser Maßnahme verbirgt sich die Angleichung des Orientierungswertes von bislang 3,5048 Cent auf den betriebswirtschaftlich kalkulierten Punktwert in Höhe von 5,1129 Cent. Dies soll zum 1. Juli 2013 erfolgen.

Ein Vorwurf lautete, wir hätten damit einen Schuldenschnitt der Krankenkassen zulasten der Ärzte akzeptiert. Das ist Unsinn! Hinter unserem Vorgehen steckt natürlich eine Überlegung: Das Argument der Kassen war bislang, dass trotz des aus Ärztesicht zu niedrigen Orientierungswertes ein dem kalkulatorischen Arztgehalt entsprechender Ertrag erzielt werden könne. Dies sei ein Indiz dafür, dass die Punktmenge pro Leistung zu hoch sei.

Dadurch, dass die Punktmenge nach der Angleichung reduziert wird, um die von den Kassen geforderte Kostenneutralität zu erreichen, wird diesem Argument der Boden entzogen. Der Euro-Wert pro Leistung ändert sich hingegen nicht! Das heißt, es kann nach wie vor eine Kostenunterdeckung festgestellt werden."

Ärzte Zeitung: Dauerbaustelle EBM, die zweite: Wie soll das hausärztliche Kapitel überarbeitet werden?

Regina Feldmann: Wir wollen die Ur-hausärztliche Tätigkeit stärken. Hierbei ist die Beratungs- und Koordinierungsfunktion ein wesentliches Element und muss entsprechend gewürdigt werden. Die demografische Entwicklung der Bevölkerung bringt neue Herausforderungen bei der Betreuung einer steigenden Zahl älterer und multimorbider Patienten mit sich. Daher ist es zwingend notwendig, altersgewichtete Versichertenpauschalen und stärker differenzierte Chronikerzuschläge einzuführen.

Diese neuen Gebührenordnungspositionen werden zur Entlastung der Hausärzte in großen Teilen automatisch zugesetzt. Zusätzlich sieht das Konzept vor, für die Hausarztpraxis eine Strukturpauschale für die technische Ausstattung einzuführen. Insgesamt werden die Gebührenordnungspositionen aber weitgehend erhalten bleiben.

Die Fragen stellte Anno Fricke

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gesundheitspolitik im Rückspiegel

„Das war ein schwieriges Jahr“

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums v.l.n.r.: Professor Karl Broich (BfArM), Dr. Jürgen Malzahn (AOK-Bundesverband), Dr. Christine Mundlos (ACHSE e.V.), Hauke Gerlof (Ärzte Zeitung), Dr. Johanna Callhoff (DRFZ), Professor Christoph Schöbel (Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen), Privatdozent Dr. Christoph Kowalski (Deutsche Krebsgesellschaft), Dr. Peter Kaskel (Idorsia)

© Thomas Kierok

ICD-11: Die Zeit ist reif für die Implementierung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH, München
Abb. 1: Bei erfolgreich therapierter Sialorrhö ist Teilhabe wieder leichter möglich

© Olesia Bilkei / stock.adobe.com [Symbolbild]

Glycopyrroniumbromid bei schwerer Sialorrhö

Wirtschaftliche Verordnung durch bundesweite Praxisbesonderheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Proveca GmbH, Düsseldorf
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an