Der "kleine Gesetzgeber" muss auf die Tube drücken
Was der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet, geht alle Ärzte in Praxis und Klinik etwas an.
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In die bevorstehende Reform des GBA gehen Leistungserbringer und Kostenträger mit unterschiedlichen Vorstellungen.
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BERLIN. Hausärzten ist er oft schlicht ein Ärgernis. Zum Beispiel, wenn er beschließt, dass die Kassen voraussichtlich ab 2012 die Blutzuckerteststreifen für gesetzlich Versicherte nicht mehr bezahlen sollen.
Wenn er dagegen die Erstattungsfähigkeit von Diagnosen per Positronenemissionstomografie (PET) für niedergelassene Ärzte ausweitet, meckern die selbstständigen Radiologen nicht. Wohl aber ihre Kollegen in den Krankenhäusern, denen er die Erstattungsfähigkeit der PET-Diagnostik scheibchenweise beschneidet.
Die Rede ist vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), oder auch vom "kleinen Gesetzgeber", dem "Machtzentrum der GKV", dem "staatlich gelenkten Entscheidungsorgan", der "planwirtschaftlichen Regulierungsbehörde" und - als einziger Begriff vollumfänglich zutreffend - dem "obersten Gremium der Selbstverwaltung".
Leistungserbringer und Kostenträger haben jeweils fünf Stimmen
Die Perspektive und die Interessen bestimmen die Wahrnehmung dieses Ausschusses. Getragen wird er von der Kassenärztlichen beziehungsweise Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem GKV-Spitzenverband.
Leistungserbringer und Kostenträger verfügen jeweils über fünf Stimmen. Drei unparteiische Mitglieder sorgen dafür, dass nicht die meisten Abstimmungen mit einem Patt enden. Der unparteiische Vorsitzende Dr. Rainer Hess hat das Letztentscheidungsrecht. Er berät unter anderem über den Nutzen von Arzneimitteln, Heilmitteln und Therapien. Seine Beschlüsse fasst er meist einvernehmlich und so geräuschlos, dass einer der gegen ihn gerichteten Vorwürfe lautet, er sei zu intransparent.
In die Eckpunkte zum Versorgungsgesetz haben die Regierungskoalitionäre denn auch hineingeschrieben, dass die Arbeit des GBA transparenter werden soll.
Aber wenn es kracht, dann ziehen die einzelnen Interessengruppen im GBA erst richtig vom Leder und anschließend manchmal sogar vor Gericht. Meist sind sich die Leistungserbringer und die Kostenträger nicht grün. Aber auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die KBV halten nicht automatisch zusammen. Beim Geld hört die Freundschaft auf.
Unterschiedliche Vorstellungen der GBA-Reform
Der Gesetzgeber will, dass sich die Parteien zusammenraufen. Praktisch alle Gesundheitsreformen der vergangenen Jahren enthalten Elemente, die das Zusammenwachsen der Sektoren fördern sollen. Im Gemeinsamen Bundesausschuss spiegelt sich dies in einem Plenum wider, in dem alle Trägerorganisationen gemeinsam entscheiden.
In die bevorstehende Reform des GBA gehen Leistungserbringer und Kostenträger jedoch mit unterschiedlichen Vorstellungen. Die Ärzte haben vorgeschlagen, in der Regel wieder nach Sektoren getrennt zu beraten und zu beschließen. Die Kassen sehen dazu keinen Grund. Die Regierungskoalition übrigens auch nicht. Sie hält die seit 2008 geltenden Entscheidungsstrukturen für grundsätzlich bewährt.
Wegen der Tragweite der Beschlüsse würden sich aber weitere Akteure wenigstens ein Mitberatungs- und Rederecht im GBA wünschen. Das sind die Pharma- und die Medizingeräteindustrie. Vorbild sind die Patientenvertreter, die es bereits in den GBA geschafft haben.
IQWiG liefert wichtige Informationen
Wichtige Informationen liefert dem GBA das IQWiG zu. Es bewertet den medizinischen Nutzen, die Qualität und die Wirtschaftlichkeit von Leistungen in der GKV. Dazu wertet es Studien aus und sucht darin nach den Belegen für die Wirksamkeit einer Arznei oder einer Therapie. Kritiker werfen dem Institut vor, es gehe dabei selektiv vor und beziehe nicht alle verfügbaren Studien ein
Seit 2004 gab es bereits zwei Reformen der Nutzenbewertung. Die jüngste im Januar dieses Jahres: die Frühbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG). Der GBA, dessen Mühlen sehr langsam mahlen können, muss nun auf die Tube drücken.
Auf der Grundlage eines vom Hersteller eingereichten Dossiers soll er im Laufe von drei Monaten nach der Markteinführung eines Präparats prüfen, ob das neue Präparat einen Zusatznutzen gegenüber einer "zweckmäßigen Vergleichstherapie" hat.