Ärztliche Vergütung

Die drei Szenarien nach dem Tod der PKV

Was würde mit dem ärztlichen Honorar passieren, wenn es keine Privatversicherungen mehr gäbe? Die Techniker Krankenkasse hat unterschiedliche Szenarien berechnen lassen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Studium einer PKV-Versicherungspolice: Gehört dieses Bild in nicht allzu ferner Zukunft der Vergangenheit an?

Studium einer PKV-Versicherungspolice: Gehört dieses Bild in nicht allzu ferner Zukunft der Vergangenheit an?

© ARCO IMAGES / imago

HAMBURG. Eine Auflösung der privaten Krankenversicherungen in Deutschland bedeutet für Vertragsärzte Honorarverluste, die sich je nach Modell auf bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr summieren könnten - und entsprechende Kompensationsforderungen der Ärzte an die GKV nach sich ziehen würden.

Welche Auswirkungen unterschiedliche Modelle konkret hätten, hat Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem von der Uni Duisburg-Essen im Auftrag der Techniker Krankenkasse untersucht.

TK-Chef Dr. Jens Baas hält die finanziellen Auswirkungen nicht für so gravierend, dass an ihnen ein einheitlicher Krankenversicherungsmarkt scheitern könnte.

Er verspricht sich von einem einheitlichen Krankenversicherungsmarkt, dass die derzeitigen Schwächen von privater und gesetzlicher Krankenversicherung abgestellt werden.

Zuschlagsfaktor bis zu 17 Prozent

Wasem hat für eine PKV-Auflösung verschiedene Szenarien analysiert:

Im ersten Modell werden alle bislang privat Versicherten sofort in das neue einheitliche System integriert. Der Honorarausfall würde schon im Jahr 2013 etwa 4,6 Milliarden Euro betragen, im Jahr 2030 dann fast sechs Milliarden Euro.

Um dies vollständig zu kompensieren, wäre ein Zuschlagsfaktor auf die ärztlichen Vergütungen erforderlich. Der müsste im laufenden Jahr bei 13,7 Prozent beginnen und dann bis zum Jahr 2030 kontinuierlich auf mehr als 17 Prozent ansteigen.

In einem zweiten Szenario, bei dem PKV-Bestände unberührt bleiben, aber keine Neuzugänge außer Kindern von PKV-Versicherten mehr aufgenommen werden, berechnet Wasem geringere Auswirkungen auf das Arzthonorar.

Von null Euro im Jahr 2013 stiege der Honorarausfall für die Ärzte auf 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2030. Der Zuschlagsfaktor stiege bei diesem Modell nur langsam auf bis zu 4,7 Prozent an.

Im dritten Modell hat Wasem ein einmaliges Wahlrecht für PKV-Versicherte unterstellt, wie es das Modell der SPD-Bürgerversicherung vorsieht.

Diesem Modell liegt die Annahme zugrunde, dass 20 Prozent der unter 50-Jährigen und die Hälfte der über 50-Jährigen von ihrem Wechselrecht in das einheitliche Versicherungssystem Gebrauch machen würden und Neuzugänge nicht mehr möglich wären. Hier würde der Honorarausfall im ersten Jahr 1,6 Milliarden Euro betragen und im Jahr 2030 3,1 Milliarden Euro. Der Zuschlagsfaktor für eine Kompensation würde von fünf auf 9,5 Prozent ansteigen müssen.

Ausgleich nicht selbstverständlich

Diese Kompensationszahlungen wären keine Selbstverständlichkeit, wie die TK in einer Publikation zur Studie feststellt. Nach ihrer Ansicht wäre ein finanzieller Ausgleich am ehesten beim ersten Modell begründbar, im zweiten Modell am schwersten.

Wie stark die Ärzte in den einzelnen Bundesländern von einem einheitlichen Versicherungsmarkt betroffen wären, hängt laut Wasem stark vom gewählten Modell ab.

Ein Beispiel: Wird entsprechend der Vergütungsverluste kompensiert, entstünde in diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern ein Kompensationsbedarf von 43 Millionen Euro.

Wird dagegen im Verhältnis der bisherigen Gesamtvergütungen kompensiert, hätten die Ärzte an der Ostsee 95 Millionen Euro zu erwarten.

Fest steht, dass die TK sich von einem einheitlichen Vergütungssystem eine höhere Transparenz der Vergütung, mehr Verteilungsgerechtigkeit und Patientenorientierung, sektorenübergreifende Vergütungselemente, mehr Qualität und eine Begrenzung medizinisch nicht indizierter Leistungsausweitungen verspricht.

Derzeit sind in Deutschland rund neun Millionen Menschen in der PKV versichert, rund 70 Millionen Menschen in der GKV.

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