Eine Praxis im Bürokratiestrudel zweier KVen

Alle Welt will die Landärzte fördern. Hausarzt Dr. Thomas Bonin wäre schon zufrieden, wenn man ihn nicht mehr in seiner Arbeit behindern würde. Seit 2008 hat er ein sehr spezielles Bürokratie-Problem mit zwei KVen.

Von Monika Peichl Veröffentlicht:
Ist auch alles dokumentiert? Das Team von Landarzt Dr. Thomas Bonin muss alle Daten für zwei KVen parallel aufarbeiten.

Ist auch alles dokumentiert? Das Team von Landarzt Dr. Thomas Bonin muss alle Daten für zwei KVen parallel aufarbeiten.

© photos.com

BIEBERGEMÜND-BIEBER. Mitte 2000 hat Hausarzt Dr. Thomas Bonin eine Hausarztpraxis im hessischen Biebergemünd-Bieber samt Nebenbetriebsstätten übernommen.

Eine dieser zwei Nebenbetriebsstätten liegt sieben Kilometer von der Hauptpraxis entfernt im unterfränkischen Ort Wiesen und somit in der Zuständigkeit der KV Bayerns.

Bis September 2008 war das kein Problem, die Abrechnung lief komplett über die KV Hessen.

Seit dem vierten Quartal 2008 aber muss Bonin gemäß Paragraf 4 der Richtlinie zur KV-übergreifenden Berufsausübung seine vertragsärztlichen Leistungen bei der KV abrechnen, die am Ort der Leistungserbringung zuständig ist.

"Wo ich halt gerade bin"

Warum das damals geändert wurde, weiß er nicht. "Diese Regelung war bis dahin offenbar nicht nötig."

Auf Landärzte ist die Vorschrift nicht gerade zugeschnitten, findet Bonin. Es ist Alltag, dass die Patienten mal hier, mal da - "wo ich halt gerade bin", anrufen oder erscheinen. Bei der Abrechnung wird es jedoch kompliziert, wenn etwa ein Chroniker aus Unterfranken den Erstkontakt in Hessen und den Zweitkontakt in Bayern hat.

Er erfüllt zwar die Leistungslegende der Chronikerziffer - mindestens zwei Kontakte im Quartal -, doch er kann pro KV nur einen Kontakt vorweisen.

Dr. Thomas Bonin, KVen-übergreifend praktizierender Landarzt.

Dr. Thomas Bonin, KVen-übergreifend praktizierender Landarzt.

© privat

Bonin hat sich nach einigem Hin und Her und viel Arbeit an der Praxissoftware dazu entschlossen, die Abrechnung nach dem Wohnort der Patienten zu "buchen".

Ausnahme sind Leistungen, die er nur in seiner Hauptpraxis erbringen kann, zum Beispiel Sonografie oder Spirometrie, und Einzelleistungen im "Zweitkontakt-Land".

Das hat er den KVen mitgeteilt, die das bis dato widerspruchslos zur Kenntnis genommen haben.

"Ich rechne sozusagen jenseits der Richtlinie ab", sagt der Landarzt.

Aber die geteilte Abrechnung bleibt voller Fallstricke. So muss sein Team bei "grenzüberschreitenden" Patienten akribisch darauf achten, dass "Praxisgebühr bezahlt" in beiden Abrechnungen eingegeben ist. Ein Software-Wechsel wurde nötig, dabei waren die Daten laut Bonin kaum übertragbar, sie bleiben im PC jenseits der Landesgrenze schlecht einsehbar.

Hoffnung auf Neufassung der Bedarfsplanungsrichtlinie des GBA

Er sei "ein Kollateralschaden" der Richtlinie, habe ein Abrechnungsexperte der KV Hessen ihm einmal gesagt. Ihm wiederum "tun die Abrechnungsprüfer auch leid". Sein größter Wunsch ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Gelegenheit nutzt und bei der Neufassung der Bedarfsplanungsrichtlinie mit der versprochenen Förderung der Hausärzte in dünn besiedelten Gebieten Ernst macht.

Entbürokratisierung wäre aus seiner Sicht eine echte und wirksame Unterstützung der Landärzte in den Randlagen - nicht nur bei der KV-Abrechnung, sondern auch bei den Bereitschaftsdienstbezirken, für die "geografisch sinnvolle Lösungen" zu finden seien.

Bonin möchte sich auf die Patienten konzentrieren können. Gerade alte, kaum noch mobile Menschen in den Dörfern seien froh, dass in der Filialpraxis wenigstens einen halben Tag je Woche ein Arzt da ist.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Überflüssiger Sand im Getriebe

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Kommentare
Dr. Florian Baier 20.03.201221:11 Uhr

Masochismus hoch 3

Landarzt, ein Job für Selbstmörder ! Mir wurde vor einiger Zeit eine Landarztpraxis für fast umsonst angeboten. Nach reiflicher Überlegung habe ich abgelehnt. Bürokratie bis zum absoluten Abwinken, dreiste Kassenanfragen am laufenden Band und zu guter Letzt sämtliche Budgets bei 120%, da man als Landarzt für wirklich AllesAlles zuständig ist.
Dazu Freizeit angefüllt mit Diensten.
Besser Angestellter bleiben, traurig aber wahr...

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