Ethiker

Es mangelt an zufriedenen Ärzten

Eine Unterversorgung der anderen Art konstatiert der Medizinethiker Maio: Es gebe zu wenige zufriedene Ärzte und Pflegekräfte - das habe mit mangelnden Freiräumen zu tun.

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Wurde die Motivation in Bürokratie erstickt? Der Medizinethiker Maio fordert, Krankenhäuser müssten Ärzten mehr Freiräume verschaffen.

Wurde die Motivation in Bürokratie erstickt? Der Medizinethiker Maio fordert, Krankenhäuser müssten Ärzten mehr Freiräume verschaffen.

© Gina Sanders / fotolia.com

MÜNSTER. In Deutschland gibt es durchaus Unterversorgung, das aber in einem Bereich, der viel zu wenig im Fokus der Öffentlichkeit steht: bei der Arbeitszufriedenheit von Ärzten und Pflegepersonal und bei der Entscheidungsfreiheit in der Therapie.

Das bemängelt Professor Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Freiburg.

"Das ist eine Unterversorgung, die Sie nicht objektiv messen können", sagte Maio beim Advents-Dämmerschoppen der Ärztekammer Westfalen-Lippe in Münster. Thema des Abends: "Wann ist der Arzt ein ‚guter‘ Arzt?"

Ein guter Arzt müsse die richtigen Verfahren in Gang setzen und die richtigen Arzneimittel verschreiben. "Aber er muss es auch mit der richtigen Grundhaltung, der richtigen Motivation tun."

Maio, der selbst Internist ist, forderte die Krankenhäuser auf, Ärzten wieder mehr Freiräume zu schaffen. "Sie müssen Ärzte mit Rückgrat sein dürfen und Zeit für die Ausbildung haben."

Das sei notwendig, damit sie eine Vorbildfunktion für den Nachwuchs haben. "Was Studenten am meisten vermissen, sind Identifikationsfiguren", berichtete er aus seiner Lehrtätigkeit.

Ärzte müssen empathisch sein

Es sei wichtig, die sprechende Medizin zu fördern. "Sprechen ist aber nicht nur eine Technik, die man lernen kann."

Maio kritisierte Kurse, in denen Medizinstudierende lernen, wie sie Patienten das Gefühl vermitteln können, sie seien empathisch. Entscheidend sei, dass der Arzt wirklich Empathie hat.

Ärzte, die nur auf die Evidenz setzten, würden den Bedürfnissen der Patienten nicht gerecht, sagte Maio. Das bedeute allerdings nicht, dass die Evidenz keine Rolle spielt. "Der Patient braucht einen Arzt, der viel weiß, der aber zugleich eine Persönlichkeit ist."

Die Ärzteschaft sollte um die richtige Verbindung von Evidenz und Beziehung kämpfen, sagte er.

Probleme individuell lösen

Der Arzt muss in den Augen Maios der Unverwechselbarkeit der Patientengeschichte gerecht werden und aus seinem Wissen das richtige Vorgehen bei jedem einzelnen Kranken ableiten. "Man darf Ärzte nicht zu Erfüllungsgehilfen von Betriebsvorschriften degradieren."

Der ärztliche Beruf sei ein Beruf der Problemlösung und nicht die Anwendung von Algorithmen. Gefordert sei Kreativität. "Ich muss Probleme individuell lösen."

Das dürfe von den Strukturen und den Institutionen aber nicht mit Sanktionen belegt werden, betonte Maio.

"Die Ärzte müssen die Freiheit neu reklamieren, eine singuläre Antwort auf die konkrete Situation zu finden." (iss)

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