Rettungsdienst

Fachärzte für Allgemeinmedizin diskriminiert?

In Bayern streiten Ärztevertreter und Politik über den CSU-Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Retungsdienstgesetzes, der vor allem den Handlungsspielraum des Ärztlichen Leiters im Rettungsdienst ausweitet. BLÄK, KVB und agbn kritisieren, sie seien dazu nicht gefragt worden.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Ab 2024 soll bayernweit mindestens ein Notfallsanitäter pro Rettungswagen eingesetzt werden.

Ab 2024 soll bayernweit mindestens ein Notfallsanitäter pro Rettungswagen eingesetzt werden.

© imagebroker / INTERFOTO

MÜNCHEN. Während Bayerns Innenminister Joachim Herrmann den Gesetzentwurf der CSU-Landtagsfraktion zur Änderung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes als eine "ausgezeichnete Grundlage für eine noch bessere Notfallversorgung" im Freistaat bezeichnet, hagelt es von Expertenseite Kritik.

Der Gesetzentwurf setze wichtige Akzente bei den im Vergleich zu den Rettungsassistenten erweiterten Einsatzmöglichkeiten der künftigen Notfallsanitäter und bei der Neustrukturierung der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD), erklärte Herrmann nach der ersten Lesung im Landtag.

So sieht der Gesetzentwurf vor, dass die ÄLRD die Möglichkeit bekommen, einfache ärztliche Maßnahmen und Medikamentengaben an die Notfallsanitäter zu delegieren. "Dadurch kann Patienten im Notfall schneller und wirksamer geholfen werden", erklärte Herrmann.

Der Gesetzesentwurf schaffe eine ausgewogene Balance zwischen bestmöglicher Behandlungssicherheit für Patienten und Rechtssicherheit für die Notfallsanitäter. Ab 2024 soll in der Notfallrettung bayernweit mindestens ein Notfallsanitäter pro Rettungswagen eingesetzt werden, so das Innenministerium.

Versorgung "akut gefährdet"

Massive Kritik kam hingegen von der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte (agbn).

Bedauerlich sei insbesondere, dass weder die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK), noch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), noch die agbn, die 3500 Notärzte in Bayern vertritt, gefragt wurden.

"So erklärt es sich, dass man nun im Gesetzestext auf Ideen stößt, die geeignet sind, die notärztliche Versorgung in Bayern sowohl in der Fläche, als auch in der Stadt akut und anhaltend zu gefährden", heißt es in einem Schreiben der agbn.

Im Einzelnen kritisiert die agbn, dass der Gesetzentwurf dem ÄLRD "die für jede ärztliche Tätigkeit notwendige fachliche Weisungsfreiheit" entzieht und der obersten Rettungsdienstbehörde unterwirft. "Der Arzt im Notarztdienst und als ÄLRD mutiert vom verantwortlich, patientenzentriert Handelnden zum weisungsgebundenen Erfüllungsgehilfen", kritisiert die agbn.

Ein solches Projekt sei zum Scheitern verurteilt, da hochqualifizierte Fachärzte eine Weisungsgebundenheit, die an keiner anderen Stelle im Gesundheitswesen existiert, weder akzeptieren können noch wollen.

Abgelehnt wird außerdem ein nach Ansicht der agbn im Gesetzentwurf angelegter Bruch des Patientengeheimnisses.

Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass künftig nur Fachärzte der Chirurgie, Anästhesie und Innerer Medizin als Landesleiter oder Bezirksleiter ÄLRD bestellt werden können.

"Aus fachlicher Sicht unhaltbar"

"Die Fachärzte für Allgemeinmedizin, die einen großen Teil der Notfallversorgung der Bevölkerung sowohl als Haus-, als auch als Notärzte leisten, werden hier diskriminiert und ausgeschlossen", heißt es in dem Schreiben.

Dass dafür mangelnde notfallmedizinische Kompetenz der Allgemeinmediziner angeführt wird, sei aus fachlicher Sicht unhaltbar.

Die Tätigkeit in der Notfallmedizin setze eine fachübergreifende, breite klinische Kenntnis voraus, die in der Allgemeinmedizin originär vorhanden ist und durch die Spezialisierung im Fach Notfallmedizin, die zur Teilnahme am Notarztdienst zwingend erforderlich ist, erweitert wird, betont demgegenüber die agbn.

In anderen spezialisierten Facharztdisziplinen seien fachübergreifende Kenntnisse zumindest nicht vorgesehen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Etwas viel Staatsmedizin

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