Doppel-Suizid

Frankreich streitet über Sterbehilfe

Der spektakuläre Doppelsuizid eines greisen Ehepaars in Paris hat die Debatte um Sterbehilfe aufflammen lassen. Der Freitod stärkt die Fraktion jener, die ein Verbot der aktiven Sterbehilfe nicht länger akzeptieren wollen.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Le Lutetia in Paris: Hier schieden die Cazes' aus dem Leben.

Le Lutetia in Paris: Hier schieden die Cazes' aus dem Leben.

© Karo / imago

PARIS. Der gemeinsame Suizid eines älteren Ehepaars hat die Debatte um aktive Sterbehilfe in Frankreich neu entfacht. Bernard und Georgette Cazes, beide 86 Jahre alt, hatten sich vor Kurzem in einem Pariser Luxushotel Müllsäcke über die Köpfe gezogen und waren daran erstickt.

In einem Abschiedsbrief, der in ihrem Zimmer gefunden wurde, beklagte das Paar eine Missachtung der Freiheit des Bürgers durch den französischen Staat.

Der Staatsanwalt solle gegen die Republik ermitteln, weil deren Gesetze ihnen verboten hätten, "auf stille Weise ihr Leben zu beenden". Bernard war ein hoher Staatsbeamter, seine Frau Literatur-Professorin.

"Ihre Angst, voneinander getrennt zu werden und abhängig zu sein, war größer als ihre Angst vor dem Tod", erklärte ihr Sohn. Das Paar hatte 70 Jahre zusammengelebt.

Der spektakuläre Freitod stärkt die Position der Befürworter einer aktiven Sterbehilfe. Schon seit 2005 ist in Frankreich die passive Sterbehilfe erlaubt. Menschen, für die keine Chance auf Heilung besteht und deren Leben nur noch künstlich verlängert wird, haben das Recht, weitere lebenserhaltende Maßnahmen abzulehnen.

Das bedeutet für Ärzte, dass sie die Behandlung von Todkranken einstellen oder begrenzen können. Sie können auch schmerzlindernde Mittel geben, selbst wenn dabei eine Verkürzung der Lebenszeit als Nebenwirkung in Kauf genommen wird.

Kammer positioniert sich neu

Eine von Präsident François Hollande einberufene Expertenkommission hatte im vergangenen Jahr allerdings kritisiert, dass Ärzte ihre vorhandenen Handlungsoptionen extrem eng auslegen. Unheilbar kranke Patienten hätten allzu oft das Gefühl, ihre Wünsche und Bedürfnisse mit Blick aufs Sterben würden ignoriert.

Dabei hat sich die französische Ärztekammer Anfang des Jahres zum ersten Mal für aktive Sterbehilfe im Ausnahmefall ausgesprochen. Aktive Sterbehilfe bleibt in Frankreich als "Tötung" verboten, ebenso wie der "suicide assisté", die Beihilfe zum Suizid per Giftmedikament auf Rezept.

Die Kammer präzisiert ihre Forderung so: Wenn ein Patient aufgrund einer unheilbaren Krankheit oder wegen unerträglicher körperlicher oder seelischer Schmerzen seinen Arzt mehrfach auffordert, sein Leben abzukürzen, sollte dieser berechtigt sein, aus humanitären Gründen seinen Wunsch mit starken Schlafmitteln zu erfüllen. Ärzte sollen sich aber grundsätzlich auch weigern dürfen, diesen Schritt zu gehen.

Im Wahlkampf 2012 hatte Präsident Hollande zugesagt, das Thema aktive Sterbehilfe aufzugreifen. Zunächst wird die Veröffentlichung eines Berichts einer geheimen Bürgeranhörung zu diesem Konfliktthema erwartet, den der nationale Ethikrat in Auftrag gegeben hat. In einigen Monaten soll das Parlament darüber beraten.

Mitarbeit: Denis Durand de Bousingen

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Parallele Versorgungswelten

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Sterbehilfe bei neurologischen Erkrankungen oft gefragt

Assistierter Suizid in Deutschland: Rechtliche Situation und offene Fragen

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!