GKV stolpert über die Mehrwertsteuer

Der erste Erstattungspreis nach dem AMNOG ist gerade einen Monat alt, doch an der Umsetzung happert es: Jetzt haben die Krankenkassen die Umstellung vorerst ausgesetzt. Der Grund: Schlampige Vorbereitung. Das Nachsehen haben Privatversicherte.

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Hängt in der AMNOG-Umsetzung fest: Ticagrelor.

Hängt in der AMNOG-Umsetzung fest: Ticagrelor.

© AstraZeneca

BERLIN (cw). Nur einen Monat nachdem der erste Erstattungsbetrag gemäß AMNOG für ein neues Arzneimittel ausgehandelt wurde, hat der GKV-Spitzenverband dessen Umsetzung schon wieder auf Eis gelegt.

Die gesetzlich vorgesehene Weitergabe des Rabatts für AstraZenecas Gerinnungshemmer Brilique™ (Ticagrelor), vom Hersteller zum Großhandel und vom Großhandel an die Apotheken, scheitere momentan noch an "unzureichenden technischen Voraussetzungen im Handelsweg" teilt der Kassenverband mit.

Was die lapidar anmutende Begründung verschweigt: Tatsächlich wurde die Abwicklung der Rabattweitergabe schlampig vorbereitet.

Denn weder im Gesetz noch im Rahmenvertrag zwischen Spitzenverband und Herstellerverbänden ist zweifelsfrei geregelt, ob der Erstattungspreis Ergebnis eines Rabatts auf einen Brutto- oder einen Nettopreis ist - wie demnach die Mehrwertsteuer zu berechnen ist.

Bevor das nicht geklärt ist, kann der Handel den korrekten Rabatt nicht in seine Software einpflegen und den Apotheken keine ordentlichen Rechnungen ausstellen.

Benachteiligt sind die Selbstzahler

Für Grossisten, Apotheken und Patienten ändere die Aussetzung des Erstattungsbetrages "erst einmal nichts", versichert der Spitzenverband.

Da der Nachlass rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres vereinbart ist, dauert die Phase der Rückerstattung auf dem üblichen Weg via Apothekenrechenzentren nur länger.

Das Nachsehen haben einstweilen die Selbstzahler unter den PKV-Versicherten, die weiterhin den vollen Listenpreis bezahlen müssen. Ob es seitens des Herstellers für diese Versichertengruppe ein Prozedere gibt, wie auch sie den ausgehandelten Rabatt rückvergütet bekommen können, ist noch offen.

Nach Ansicht von Branchenbeobachtern dürfte es noch Monate dauern, bis der AMNOG-Rabatt für neue Arzneimittel stringent in die EDV-Programme des Handels eingepflegt werden kann.

Zunächst ist das Bundesgesundheitsministerium gefragt, das jetzt für Klarheit in Sachen Mehrwertsteuerproblematik sorgen soll. Eine entsprechende Anfrage habe der GKV-Spitzenverband bereits formuliert, verlautet aus für gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen.

Handelsspanne auf den Listen- oder Erstattungspreis?

Unumwunden bestätigen wollte das der Kassenverband nicht. Auf Anfrage hieß es jedoch, "dass es für die technische Umsetzung der Abrechnung der Erstattungsbeträge auch rahmenvertragliche Vereinbarungen gibt, die durch die Selbstverwaltung zu überarbeiten sind".

Ergänzend dazu müssten "von staatlicher Seite entsprechende, notwendige Vorfestlegungen gemacht werden".

Pikant: Der GKV-Spitzenverband soll - ebenfalls unbestätigt - dem Ministerium gleich noch eine zweite Frage vorgelegt haben. Ob nämlich die Handelsspannen auf den Listenpreis oder auf den Erstattungspreis zu erheben sind. Derzeit darf der Großhandel 3,15 Prozent pro Packung aufschlagen, die Apotheken drei Prozent.

Dabei geht es keineswegs um Peanuts. Auf Basis des Erstattungspreises würde die Großhandelsmarge um den zwischen GKV und Hersteller ausgehandelten Rabatt sinken.

Am Beispiel Brilique™ wären das immerhin fast 20 Prozent. Für die Apotheker potenziert sich die Einbuße, da deren drei Prozent Marge auf den Nettopreis des Herstellers zuzüglich Großhandelszuschlag entfallen.

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