Vereinbarung mit Krankenkassen

Geheimer Erstattungspreis für Diabetes-Medikament: Skepsis bei der KBV

Lilly hat als erster Hersteller einen vertraulichen Erstattungsbetrag für den Wirkstoff Tirzepatid mit den Krankenkassen vereinbart. Die KBV fordert Konsequenzen für Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Die Kassen warnen vor zusätzlicher Bürokratie.

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Der Hersteller Lilly hat für das Medikament mit dem Wirkstoff Tirzepatid mit dem GKV-Spitzenverband einen vertraulichen Erstattungsbetrag vereinbart.

Der Hersteller Lilly hat für das Medikament mit dem Wirkstoff Tirzepatid mit dem GKV-Spitzenverband einen vertraulichen Erstattungsbetrag vereinbart.

© Olaf Kunz / stock.adobe.com

Berlin. Erstmals hat ein Pharmaunternehmen mit dem GKV-Spitzenverband einen Erstattungsbetrag verhandelt, der vertraulich bleiben soll. Die Möglichkeit dazu hat das Medizinforschungsgesetz (MFG) geschaffen, das im Oktober 2024 in Kraft getreten ist.

Am Mittwoch wurde eine Mitteilung von Lilly Deutschland bekannt, wonach für den seit September 2022 in der EU zugelassenen Wirkstoff Tirzepatid (Mounjaro®) eine entsprechende Vereinbarung mit dem Spitzenverband der Krankenkassen erreicht wurde. Der GKV-Spitzenverband erklärte auf Anfrage, aktuell liefen die Verhandlungen mit dem Hersteller. Das Diabetes-Medikament gilt als erster Vertreter der Substanzklasse der GIP/GLP-1-Rezeptor-Agonisten.

Man gehe davon aus, dass im Laufe des August der vertrauliche Erstattungsbetrag (vEB) in der Lauer Taxe entsprechend gekennzeichnet werde, teilt der Hersteller mit. Das Instrument des vEB unterstütze die Absicht des Gesetzgebers, „den pharmazeutischen Unternehmen mehr Verhandlungsspielraum zu geben, ohne damit Preisstellungen in anderen Ländern zu beeinflussen“.

Hersteller will Ärztinnen und Ärzte informieren

Das Unternehmen kündigt in dem Schreiben an, man werde Ärztinnen und Ärzte, die den vEB nicht kennen, „darüber aufklären, dass der abgebildete Listenpreis für ihre wirtschaftlichen Erwägungen keine Rolle spielt und dieser einer Verordnung unter Einhaltung der notwendigen Rahmenbedingungen, insbesondere des Wirtschaftlichkeitsgebots, nicht im Wege steht.“

Lilly betont, ungeachtet des vEB seien Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen gesetzlich angehalten, Vertragsärzte zur wirtschaftlichen Verordnungsweise zu informieren und „dabei auch Aussagen zur Wirtschaftlichkeit (...) zu treffen“. Dabei zeigt sich das Unternehmen davon überzeugt, die aktuell gültigen Instrumente der Wirtschaftlichkeitsprüfung könnten bei Medikamenten mit vEB nicht zum Zuge kommen.

Dem widerspricht der GKV-Spitzenverband ausdrücklich und verweist dafür auf Regelungen im MFG: „Die Wirtschaftlichkeit für ein Arzneimittel mit einem Geheimpreis ist somit auch künftig bei der Verordnungsentscheidung zu berücksichtigen. Daher finden auch die Instrumente der Wirtschaftlichkeitsprüfung weiterhin Anwendung“, sagte ein Verbandssprecher der Ärzte Zeitung.

„Wirtschaftlichkeitsprüfungen müssen wegfallen“

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht den vEB mit Skepsis. Vertragsärztinnen und -ärzte hätten in der Praxis keinerlei Informationen darüber, wie teuer das Arzneimittel, das sie verordnen, tatsächlich ist, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner der Ärzte Zeitung.

Mit Blick auf Wirtschaftlichkeitsprüfungen müssten sich Ärzte in diesem Fall darauf verlassen können, „dass der GKV-Spitzenverband und der Hersteller einen wirtschaftlichen Preis verhandelt haben“. Und das müsse ein Mischpreis sein. „Für uns ist klar: Eine Steuerung kann auf ärztlicher Seite nur über den indikationsgerechten Einsatz erfolgen. Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf Basis der Kosten müssen dann wegfallen“, fordert Steiner.

GKV-Spitzenverband verweist auf aufwändiges Verfahren

Das neue Instrument des vertraulichen Erstattungsbetrags war bei den parlamentarischen Beratungen zum MFG sehr umstritten. Bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss im Bundestag im Juni 2024 äußerten die hauptamtlichen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses „erhebliche Zweifel“ am vEB: Die fehlende Preistransparenz gefährde die vorhandenen Instrumente zur Regelung einer wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung und führe zudem „zu einem unverhältnismäßigen bürokratischen Mehraufwand“.

Darauf verweist auch der GKV-Spitzenverband: Man müsse nun beispielsweise Krankenhäuser, Importeure, Generikahersteller und andere juristische Personen wie Justizvollzugsanstalten informieren. „Die Unternehmen informieren jede Krankenkasse, die PKV, die Beihilfestellen. Das ist nicht nur aufwändig, sondern auch fehleranfällig“, so der Sprecher des Spitzenverbands.

Der AOK-Bundesverband beklagte bei der Anhörung, eine „Standortstärkung“ werde mit dem vEB nicht erreicht. Stattdessen würden Versicherte und Arbeitgeber belastet – „und das lediglich, um pharmazeutischen Herstellern höhere Gewinne im Ausland zu ermöglichen“.

Von Seiten des GKV-Spitzenverbands heißt es, Kassen müssten bei einem vEB „immer in finanzielle Vorleistung gehen und können erst im Nachhinein den Differenzbetrag zwischen Listenpreis und vEB vom Pharmaunternehmen zurückfordern“. Das schmälere die Liquidität von Kassen und sei mit Ausfallrisiken verbunden.

Regierung muss bis Ende 2026 Evaluation vorlegen

Lilly dagegen verweist darauf, dass dieses Instrument zu „signifikanten Einsparungen“ in der GKV führe. Tatsächlich hatten die Ampel-Fraktionen bei den Ausschussberatungen zum MFG die Vorgaben für vertrauliche Erstattungspreise verschärft. Der Hersteller muss auf den vereinbarten Preis einen zusätzlichen Rabatt von neun Prozent gewähren. Dadurch, so Lilly, werde das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Medikaments „noch einmal deutlich verbessert“.

Die Regelung für den vertraulichen Erstattungsbetrag ist bis Ende Juni 2028 befristet. Zudem hat der Gesetzgeber dem Bundesgesundheitsministerium ins Pflichtenheft geschrieben, bis Ende 2026 eine Evaluation vorzulegen. (fst)

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