Masern

Gestorbenes Kleinkind heizt Debatte um Impfpflicht an

Die Masernwelle in Berlin setzt sich ungebremst fort. Erstmals ist dabei jetzt ein Kind gestorben. Gesundheitspolitiker diskutieren darüber, die Impfpflicht wiedereinzuführen.

Veröffentlicht:
Impfpflicht ja oder nein? Darüber ist eine heftige Debatte entbrannt.

Impfpflicht ja oder nein? Darüber ist eine heftige Debatte entbrannt.

© Dimitry Naumov / Hemera / Thinkstock

BERLIN. Beim Masernausbruch in Berlin hat es einen ersten Todesfall gegeben. Ein Kind im Alter von anderthalb Jahren sei am 18. Februar in einem Krankenhaus an der Infektionskrankheit gestorben, sagte Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Montag. Wie es sich angesteckt hat, ist noch unklar.

Wegen des Ausbruchs ist zudem am Montag eine Schule für einen Tag geschlossen worden. Grund für die Schließung der Sekundarschule im Ortsteil Lichtenrade sei ein schwerwiegender Verlauf von Masern bei einem Jugendlichen, sagte eine Sprecherin des Berliner Senats.

Der seit über vier Monaten andauernde Ausbruch setzt sich ungebremst fort. 70 Neuerkrankungen wurden in der Woche bis zum 15. Februar (7. KW) gemeldet, berichtet das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo). In der Woche vorher waren es 42 gewesen. 530 Erkrankungen wurden seit Oktober registriert.

Es handelt sich inzwischen um die größte Masernwelle in der Stadt, seitdem 2001 im Infektionsschutzgesetz die Meldepflicht eingeführt worden ist.

Ursachen sind vor allem Impflücken: Etwa 88 Prozent der Masernkranken waren nicht geimpft. Komplikationen sind häufig: 27 Prozent der Betroffenen wurden stationär behandelt.

Begonnen hatte der Ausbruch unter Asylbewerbern aus Bosnien-Herzegowina und Serbien. Inzwischen gehören aber 70 Prozent der Masernkranken zur Normalbevölkerung.

Ungewöhnlich hoch ist der Anteil erkrankter Erwachsener unter den Berlinern: Jeder Zweite ist über 18 Jahre alt. Die Erkrankungsrate bei 18- bis 43-Jährigen ist mit 9/100.000 Einwohner allerdings deutlich niedriger als bei Säuglingen im ersten Lebensjahr (50/100.000).

Das ist bedenklich: Bei frühen Erkrankungen ist das Risiko für die tödliche Spätkomplikation SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis) erhöht.

Und der frühestmögliche Zeitpunkt für die Impfung ist ein Alter von neun Monaten. Weil jüngere Kinder nicht geschützt werden können, sind sie auf eine gute Herdenimmunität angewiesen.

Diskussion über Impfpflicht

Vor dem Hintergrund der Infektionswelle in Berlin diskutieren Gesundheitspolitiker über die Wiedereinführung der Impfpflicht.

Impfverweigerer seien egoistisch, weil sie sich darauf verließen, dass andere zur Impfung gingen und dann schon nichts passiere, hatte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn der "Welt am Sonntag" gesagt.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte der "Welt am Sonntag", wenn die Impfbereitschaft nicht steige, "muss eine Impfpflicht für Kleinkinder der nächste Schritt sein".

Eine Impfpflicht steht allerdings nicht zur Debatte, so das Bundesgesundheitsministerium. Zwar nehme man die aktuelle Lage sehr ernst, sagte eine Sprecherin am Montag. "Aber wir setzen jetzt erst einmal auf eine Impfberatung vor Kita-Eintritt und die Überprüfung des Impfschutzes bei Gesundheitsberatungen."

"Ein Zwang zur Impfung geht zu weit", sagte Katja Dörner, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag. "Impfskeptiker bringt man nicht durch Zwang zum Umdenken, sondern durch umfassende, unabhängige Beratung", sagte die Grünenpolitikerin der "Welt".

Auch der Gesundheitsexperte der Linksfraktion, Harald Weinberg, sprach sich gegen einen Impfzwang aus. Das Selbstbestimmungsrecht der Eltern müsse weiter gelten, sagte Weinberg der "Saarbrücker Zeitung".

Auch Pädiater halten eine generelle Impfpflicht für unrealistisch. Diese "wird sich wegen der Widerstände in der Bevölkerung nicht durchsetzen lassen", sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Dr. Wolfram Hartmann der "Welt".

Beim Start in eine staatlich finanzierte Kita oder Schule sollten Kinder aber einen Impfnachweis vorweisen müssen. Die im Präventionsgesetz geplante Pflichtberatung für Eltern kritisierte Hartmann als "Augenwischerei". (eis/dpa)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Überraschender Fund

Erstmals wieder Polio-Wildviren im Abwasser nachgewiesen

Glosse

Großer Bruder, kleine Uhren

Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 23.02.201511:48 Uhr

"Impfskeptiker bringt man nicht durch Zwang zum Umdenken,

sondern durch umfassende, unabhängige Beratung", sagte die Grünenpolitikerin der "Welt".

Erstens geht es um die Kinder, nicht die Eltern
und zweitens wird es dann wirklich allerhöchste Zeit,
dass "Grüne" und "Linke" selbst diese Eltern, also ihre Wähler von der Notwendigkeit der Impfung überzeugen!

Dipl.-Med Gesine Liesong 23.02.201511:37 Uhr

Impfzwang

Beratung nützt da bekanntlich gar nichts, weil sie gegen unqualifizierte vorgefasste Meinung nicht ankommt.
Ich halte gesetzlich vorgeschriebene Impfungen für notwendig und richtig. Und die sogenannte Entscheidungsfreiheit der Eltern ist doch nur vorgeschoben, weil sich der Gesetzgeber nicht traut.
Und wenn ich die Freiheit der Eltern vorgebe, muß ich doch auch den Ausspruch von Rosa Luxemburg beachten, immerhin sind wir damit 1989 auf die Straße gegangen: Freiheit ist immer auch die Freiheit des Anderen. Ungeimpfte Kinder und später Erwachsene gefährden nicht nur die anderen Menschen, sondern belasten mit Kosten, die durch Erkrankung und Folgeschäden entstehen, die Solidargemeinschaft; und schränken damit meine Freiheit erheblich ein.

<< < 2 3 4 > >>
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Impfungen – ob Influenza oder Reisezeit

© Springer Medizin Verlag GmbH

Impfungen – ob Influenza oder Reisezeit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt a. M.
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Früherkennung

PSA-basiertes Prostatakrebs-Screening: Langzeitdaten belegen Nutzen

Red Flags

Rückenschmerz: Wer muss sofort ins MRT?

Lesetipps
Arbeiten an der Zukunft der Hausarztpraxis Nürnberg-Fischbach: Dr. Nicolas Kahl und Nicki Maurer.

© Torsten Fricke

Erfolgreiche Teamarbeit

HÄPPI: So gelingt die Delegation in Hausarztpraxen

Vier mittelalte Frauen laufen gemeinsam über eine Wiese und lachen.

© Monkey Business / stock.adobe.com

Wechseljahre

5 Mythen rund um die Perimenopause: Eine Gynäkologin klärt auf