Kinder in Schleswig-Holstein
Gesünder, aber auch depressiver
Der DAK-Kinderreport für Schleswig-Holstein weist trotz guter Grunddaten auf einige Baustellen in der pädiatrischen Versorgung hin. Dabei gelten die Bürger dort im Durchschnitt als besonders glücklich.
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Obwohl die Schleswig-Holsteiner angeblich die glücklichsten Menschen in Deutschland sein sollen, sind ihre Kinder laut DAK-Report depressiver als der Nachwuchs im Bundesdurchschnitt.
© Ingo Kuzia / imageBROKER / pic
KIEL. Kinder und Jugendliche in Schleswig-Holstein sind gesünder als der Nachwuchs im Bundesdurchschnitt. Bei der Vorstellung des Kinderreports der DAK Gesundheit wurden dennoch Defizite deutlich.
Für Aufmerksamkeit sorgt im Norden zum Beispiel die Verordnung von Antibiotika. Laut DAK-Report bekamen 27 Prozent des Nachwuchses im untersuchten Jahr 2016 ein Antibiotikum verordnet, zehn Prozent ein Reserveantibiotikum – ein Ergebnis, das nicht nur DAK-Landeschef Cord-Eric Lubinski zu denken gibt.
Dr. Ralf van Heek, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Schleswig-Holstein, nannte bei der Frage nach möglichen Gründen den hohen Zeitdruck in den Praxen und den Wunsch nach Sicherheit – sowohl von Seiten der Ärzte wie auch der Eltern. Wie Lubinski sprach sich der Pädiater bei der Vorstellung des Reports für einen behutsamen Umgang mit Antibiotika und für weitere Untersuchungen aus.
Höchste Prävalenz bei Mädchen
Ein anderes Ergebnis erfordert ebenfalls genauere Untersuchungen: Obwohl die Kinder im Norden gesünder sind als im bundesdeutschen Durchschnitt und die Schleswig-Holsteiner zugleich angeblich die glücklichsten Menschen in Deutschland sein sollen, sind ihre Kinder laut DAK-Report depressiver als der Nachwuchs im Bundesdurchschnitt – und zwar um 19 Prozent.
Am höchsten war die Prävalenz bei Mädchen im Alter von 17 Jahren mit 6,4 Prozent. Julian Witte von der Universität Bielefeld, der die Auswertung von mehr als 30.000 bei der DAK versicherten Kinder im Norden vorgenommen hat, verspricht sich von Folgeuntersuchungen nähere Erkenntnisse hierzu.
Sorgen bereitet der DAK auch, dass jedes vierte Kind im Norden wegen Krankheitsbildern behandelt wird, die einen chronischen Verlauf nehmen können. Hier geht es am häufigsten um Erkrankungen wie Asthma oder Neurodermitis, es folgen Heuschnupfen und entzündliche Darmerkrankungen. Fast jedes zehnte Kind leidet an einer psychischen Erkrankung mit potenziell chronischem Verlauf.
Ein Viertel hat Rückenschmerzen
Viele Kinder leiden zudem bereits unter Rückenschmerzen. Vom zwölften Lebensjahr an ist knapp ein Viertel aller Jungen und Mädchen betroffen. Lubinski ist über diese Zahl besorgt, weil frühe Muskel-Skelett-Probleme im Erwachsenenalter schwere Rückenleiden nach sich ziehen können.
In vielen Erkrankungsbereichen ist das Morbiditätsniveau in Schleswig-Holstein aber niedriger als im Bundesdurchschnitt: Schleswig-Holstein verzeichnet beispielsweise 20 Prozent weniger Kinder mit ADHS, 16 Prozent weniger Stoffwechselerkrankungen, zwölf Prozent weniger Atemwegserkrankungen und acht Prozent weniger Infektionskrankheiten.
Ziel der Analyse ist es nach Angaben von Lubinski, die gesundheitliche Situation von jungen Menschen im Norden besser zu verstehen und sie zugleich in den Vordergrund der politischen Diskussion zu rücken.
Lubinski forderte eine Intensivierung der Präventionsbemühungen und verwies in diesem Zusammenhang auf das Kassenprogramm „fit4future“, das mehr Bewegung, gesünderes Essen und weniger Stress zum Ziel hat. Bislang ist das Programm an rund 30 Grund- und Förderschulen in Schleswig-Holstein vertreten und spricht insgesamt rund 4800 Schüler an.
Prävention mit „fit4future“
„In diesem Jahr wollen wir „fit4future“ auf weiterführende Schulen ausweiten und ab 2020 auch an Kitas gehen“, kündigte Lubinski an. Ziel sei es, die Prävention „von der Kita bis zum Abitur“ in den Blick zu nehmen. Wünschen würde er sich darüber hinaus, dass Wissen über Gesundheit an den Schulen aber auch jenseits solcher Programme vermittelt wird – wenn nötig, über ein Schulfach: „Das würde helfen, das Bewusstsein zu schärfen.“
Die DAK-Daten
- 26,6 Millionen Euro wendet die DAK Gesundheit für die Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein auf.
- 874 Euro betragen die Pro-Kopf-Ausgaben im Norden – deutlich weniger als der Bundesdurchschnitt (939 Euro)
- 50 Prozent der Gesamtkosten für Versorgungsleistungen entfallen auf nur drei Prozent aller Kinder.
- 7 Prozent der Kinder verursachen überhaupt keine Kosten.