Giftmischer - und auch noch schlecht bezahlt

Die Gesundheitsforschung in Deutschland rüstet auf. Exzellenzinitiativen werden gestartet, der Staat gibt mehr Geld. Aber Ärzte in der Forschung sind immer noch unterbezahlt. Und mitunter schlägt ihnen Feindseligkeit in der Gesellschaft entgegen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Heilmittel oder Gift? Die Attitüde der Gesellschaft zu Arzneimitteln ist bislang sehr ambivalent.

Heilmittel oder Gift? Die Attitüde der Gesellschaft zu Arzneimitteln ist bislang sehr ambivalent.

© Foto: Orlando Florin Rosuwww.fotolia.de

BERLIN. Der Biologe Hans Günter Gassen ist Professor an der TU Darmstadt, Forscher, Erfinder und Unternehmer. Er fällt ein harsches Urteil über das Forschungsklima in Deutschland: "Es gibt ein extremes Sicherheitsdenken - und es wird vergessen, dass dies auch extremes Leid für Patienten bedeuten kann." Viel zu lange dauere es, bis Erkenntnis aus der Forschung in die klinische Praxis umgesetzt werde.

Der Gesellschaft sei nicht bewusst, dass Wissenschaftler Forschung nicht für sich selbst, sondern für die Generation der Kinder machten. "Wir haben diesen Generationenvertrag aufgekündigt", beklagt der Biologe: "Wenn Forscher in der Medizin dann auch noch als Giftmischer diffamiert werden, dann funktioniert das nicht."

Klare Worte, die bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung und der forschenden Arzneimittelhersteller bei den Forschungspolitikern von Bundesregierung und Bundestag auf offene Ohren stoßen.

Wer als Arzt an einer Universität primär wissenschaftlich arbeitet, verdient 20 bis 30 Prozent weniger als sein Kollege in der Patientenversorgung. Dieses Missverhältnis müsse dringend geändert werden, greift der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer eine Forderung des Marburger Bundes vom vergangenen Wochenende auf. Und einig ist er sich mit Gassen, dass die Translationsphase - jene Zeitspanne, die eine Innovation von ihrer Entdeckung bis zur Implementation in der ärztlichen Praxis - unbedingt verkürzt werden muss. Hemmnisse seien Bürokratie, überzogene Ängste, Furcht vor Kostensteigerungen, alles fest etabliert bei gesetzlichen Krankenkassen.

Kretschmer: "Wir müssen einen Bewusstseinswandel vollziehen. Erfolgreich können wir nur sein, wenn wir erkennen, dass Gesundheit gar nicht billig sein kann."

Angst und Bürokratie hemmen den Fortschritt.

Die Koalition habe die Weichen in ihrer Budgetbudgetpolitik richtig gestellt. Seit 2005 sei das Volumen des Bundesetats insgesamt um fünf Prozent, der Forschungsetat jedoch um 30 Prozent gestiegen. Dabei gibt die Bundesregierung nicht nur mehr Geld aus. Sie hat auch einen Fahrplan, entworfen, wie erfolgreiche Forschungsstrukturen aussehen sollen, so Andreas Storm, Parlamentarischer Staatssekretär im Forschungsministerium. Ein Element ist die Zentrenbildung, etwa für neurodegenerative Krankheiten wie Demenz und Parkinson. In einem Wettbewerb entscheidet sich gegenwärtig, welche der besten Zentren zehn Jahre lang jährlich 50 Millionen Euro bekommen. Kurzfristig, so Storm, werde wenig sichtbar sein - aber diese Investitionen und Strukturen seien entscheidend dafür, ob Deutschland in 30 Jahren eine humane Versorgung alter Menschen sicherstellen kann.

Fazit: Zumindest die Forschungspolitiker haben sich auf den Weg gemacht. Aber auch diese Veranstaltung war ein Sinnbild dafür, wie jede Fachpolitik eigene Wege geht. Gesundheits- und Krankenkassenpolitiker waren nicht anwesend - vielleicht waren sie auch gar nicht eingeladen.

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