Gute Palliativversorgung - ein Lotteriespiel

Flächendeckende Angebote? Fehlanzeige! Ob unheilbar Kranke in Deutschland palliativmedizinisch versorgt werden, hängt immer noch stark von Zufällen ab.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:

Das Konzept war ehrgeizig: Mit der Gesundheitsreform 2007 wurde in Deutschland die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) neu eingeführt. Das Ziel: GKV-Versicherte, die an einer weit fortgeschrittenen und unheilbaren Erkrankung leiden und in ihrer letzten Lebensphase einer besonders aufwändigen oder speziellen Versorgung bedürfen, sollten in der eigenen häuslichen Umgebung und in Würde sterben können. Palliative Care Teams sollen eine bessere Versorgungsqualität garantieren. Rechtsgrundlage ist der Paragraph 37b SGB V.

In Paragraph 132d SGB V wiederum ist festgelegt, dass die Kassen Verträge mit geeigneten Leistungserbringern abzuschließen haben, um die SAPV sicherstellen.

Das Problem: Bis heute gibt es kaum entsprechende Vertragsabschlüsse - obwohl doch längst alle rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Weil keine Bewegung zu erkennen ist, hatte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vor Weihnachten Vertreter des GKV-Spitzenverbands zu einem Gespräch ins Ministerium einbestellt.

Ein Teilergebnis der Bestandsaufnahme: Verschiedene Kassen haben danach - zum Teil bereits vor und unabhängig vom neuen Versorgungskonzept - Verträge auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage abgeschlossen. Dazu gehören zum Beispiel Strukturverträge und punktuelle Vereinbarungen, die den Anspruch einer spezialisierten Versorgung immerhin zum Teil einlösen können.

Alles in allem handelt es sich allerdings um einen löchrigen Flickenteppich, der in der Fläche zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Im Klartext bedeutet das: Ob ambulante Versorgung für sterbenskranke Menschen funktioniert, hängt im Zweifel immer noch von ihrem Wohnort ab. Wer am falschen Ort lebt, hat eben Pech gehabt - ein untragbarer Zustand

Die Krankenkassen haben inzwischen zugesagt, alle Anstrengungen zu unternehmen, um möglichst zeitnah Verträge zur SAPV abzuschließen. So will etwa die Barmer eine SAPV mit Leistungen etablieren, die unter anderem eine besondere psychosoziale Betreuung, eine komplexe Schmerztherapie sowie die medizinische Versorgung in Krisensituationen der Patienten umfasst.

Beim Gespräch im Ministerium wurde Konsens darüber erzielt, dass zur SAPV auch die Versorgung mit veranlassten Leistungen - insbesondere Arzneimittel - zählen muss. Die im SAPV tätigen Ärzte müssen diese Leistungen auch verordnen können.

Der Bewertungausschuss hat sich jetzt auf auf eine Vergütungsregelung geeinigt. Ob damit ein bundesweiter Vertragsschub ausgelöst wird? Ulla Schmidt hat angekündigt, dass sie nicht locker lassen will: "Die Bundesregierung", stelt sie klar, "wird die Entwicklung im Bereich der SAPV weiter beobachten und im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf eine Umsetzung der SAPV hinwirken."

Lesen Sie dazu auch: Vergütungsregelung für Palliativversorgung steht "Vieles, was wir bisher erreicht haben, ist bedroht!" Moral fürs Schaufenster

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