Haiti-Hilfe wird zum logistischen Problem

PORT-AU-PRINCE (dpa/bee). Die Erdbebenkatastrophe vor einer Woche in Haiti wird zu einer logistischen Mammutaufgabe für die Hilfsorganisationen: Neben den chaotischen Zuständen und ersten Unruhen auf den Straßen ist der Flughafen der Hauptstadt Prot-au-Prince mittlerweile überlastet.

Veröffentlicht:
Op unter freiem Himmel: Die Versorgungssituation bleibt auch eine Woche nach dem Erdbeben äußerst prekär. © dpa

Op unter freiem Himmel: Die Versorgungssituation bleibt auch eine Woche nach dem Erdbeben äußerst prekär. © dpa

© dpa

US-Truppen haben dort das Komando übernommen, es sollen bis zu 12 000 Soldaten stationiert werden. Die Regierung von Haiti hat den Ausnahmezustand ausgerufen.

Hilfsorganisationen sehen den Einsatz der USA nicht nur positiv: "Die USA haben den Blick mehr auf das militärische gerichtet, die UN mehr auf die humanitäre Seite", umschreibt Rüdiger Ehrler von der Deutschen Welthungerhilfe, warum die Hilfsaktion mit Verzögerungen angelaufen sein könnte. Auch Rainer Löb, Bundesarzt des Malteser Hilfsdienstes in Köln, sieht Probleme auf die Organisationen zukommen: "Alle wollen nur Gutes. Aber wenn Sie das nicht koordiniert bekommen innerhalb weniger Tage, dann haben sie unter Umständen völlig unsinnige Aktionen, völliges Chaos."

Die genaue Zahl der Opfer ist offiziell weiter unklar. Schätzungen gehen von bis zu 200 000 Toten aus. Rund 70 000 Leichen seien bereits geborgen, sagte Ministerpräsident Jean-Max Bellerive dem US-Fernsehsender ABC. Zahlreiche Menschen - darunter 16 Deutsche - werden seit dem Beben weiter vermisst.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) wird diese Woche nach der mobilen Gesundheitsstation noch ein Hospital ins Erdbebengebiet entsenden (wir berichteten). Das Hospital kann nach DRK-Angaben bis zu 700 Patienten täglich ambulant versorgen und hat 120 stationäre Betten.

Rettungstrupps von Caritas International erreichten die Region um Léogâne, etwa 30 Kilometer westlich von Port-au-Prince. "Hier sind etwa 70 bis 80 Prozent der Gebäude zerstört", so Mitarbeiter Alexander Bühler nach Angaben der Caritas. Rund 20 Kilometer weiter westlich, in dem Ort Petit Goave, seien viele der alten Holzhäuser dagegen nicht zerstört.

Noch immer nicht vollständig eingetroffen ist dagegen das aufblasbare Krankenhaus von "Ärzte ohne Grenzen". Nach deren Angaben hatte eines der Transportflugzeuge keine Landegenehmigung für den Flughafen erhalten. Die Mitarbeiter der Organisation operierten nun pausenlos im wieder einsatzfähigen OP-Trakt des Carrefour- sowie des Choscal-Hospitals. Der Bedarf an lebensrettenden chirurgischen Eingriffen für die Schwerverletzten sei "immens". "Da draußen tobt ein Krieg", sagte der Arzt Karmi Bar-Tal nach israelischen Medienberichten zu den chaotischen Zuständen seit dem Erdbeben. "Wir entlassen Patienten, aber wir wissen nicht, was sie erwartet."

Immer öfter wird ebenso über Plünderungen und Schießereien auf den Straßen berichtet. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bat unterdessen die Opfer des Jahrhundertbebens, die zunehmend verzweifelt auf Hilfe warten, um Geduld. Voraussichtlich am 25. Januar werde sich die Weltgemeinschaft auf einer Konferenz in Montréal (Kanada) über den Wiederaufbau Haitis abstimmen, sagte Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner am Montag im französischen Rundfunk.

Weltweite TV-Galas für Erdbebenopfer

In den USA und Deutschland gibt es in den kommenden Tagen TV-Galas für die Erdbebenopfer, in denen Stars wie George Clooney und Thomas Gottschalk zur Hilfe für den schwer getroffenen Karibikstaat aufrufen. Das ZDF strahlt am Dienstag die Sendung "Wir wollen helfen - Ein Herz für Kinder" aus. Es ist eine Sonderspendenshow des öffentlich-rechtlichen Senders und der "Bild"- Zeitung. Die Moderatoren Thomas Gottschalk und Steffen Seibert werden zu Spenden aufrufen. Am 22. Januar wird der zweistündige Spendenmarathon "Hope for Haiti" live auf zahlreichen US-Sendern, darunter MTV, ABC, CBS, NBC, CNN, FOX und HBO ausgestrahlt.

Lesen Sie dazu auch: Notfall-Routenplaner für Haiti im Internet abrufbar UN-Sicherheitsrat tagt zu Haiti Brüche, Verbrennungen, Kopfverletzungen: Ärzte auf Haiti arbeiten rund um die Uhr Kampf ums nackte Leben in Haiti - es riecht nach Verwesung Deutsches Rotes Kreuz schickt mobiles Krankenhaus nach Haiti Beben-Katastrophe in Haiti - Internationale Hilfe läuft an Chaos nach Beben im Armenhaus der Karibik (in diesem Artikel finden Sie auch eine Liste mit Spendenkonten) Flughafen gesperrt: Helfer kommen nur auf Umwegen nach Haiti Rotes Kreuz richtet Kontakt-Webseite für Haiti ein Haiti: So suchen Helfer nach Verschütteten

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an