Klamme Kassen, gestresste Versorger: Gaß und Gassen fordern Reaktionen

„Kontaktgebühr“ beim Arztbesuch und Zuzahlungen in der Klinik

Zum Jahresende zünden die Vorsitzenden von Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Deutscher Krankenhausgesellschaft, Dr. Andreas Gassen und Dr. Gerald Gaß laute „Böller“: Eine „Kontaktgebühr“ in der Arztpraxis und eine Verdoppelung der Zuzahlungen im Krankenhaus sollen die Kassen entlasten helfen.

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Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Deutschland, Berlin, Bundespressekonferenz, Thema: Gesundheitspolitische Bilanz - Versorgung in Gefahr

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Deutschland, Berlin, Bundespressekonferenz, Thema: Gesundheitspolitische Bilanz - Versorgung in Gefahr

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Berlin. Angesichts stark steigender Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen gibt es Forderungen nach einer stärkeren finanziellen Beteiligung von Patienten bei Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten.

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, forderte in der Bild Zeitung eine „Kontaktgebühr“ bei jedem Arztbesuch. „Sie könnte, wie zum Beispiel in Japan, bei drei oder vier Euro liegen und sollte von den Krankenkassen eingezogen werden. So könnte die Einnahmebasis der Kassen erhöht werden“, sagte Gassen. Die Gebühr müsse sozialverträglich gestaltet werden, damit niemand überfordert werde.

Gegensteuern auch mit Strukturreformen

Die Krankenkassen sind notorisch klamm. Den durchschnittlichen Zusatzbeitrag hat die Bundesregierung für das kommende Jahr (2026) auf 2,9 Prozent festgelegt. Das ist ein Anstieg um 0,4 Prozentpunkte gegenüber 2025. Mit einem Sparpaket versucht Bundesgesundheitsministerin Nina Warken gegenzusteuern. Nicht ohne Kritik aus der Ärzteschaft: In der Ärzte Zeitung hatte Gassen zuvor eine „echte Versorgungssteuerung“ und die konsequente Ambulantisierung der Gesundheitsversorgung gefordert.

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Auch der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß hat sich für höhere Hürden vor dem Zugang zum Versorgungssystem ausgesprochen. Gaß forderte in „Bild“: „Die Zuzahlung bei Krankenhausaufenthalten sollte verdoppelt werden: von zehn auf 20 Euro am Tag. Das ist angemessen.“ Das bringe den Krankenkassen zusätzlich rund 800 Millionen Euro im Jahr, wird Gaß zitiert. Die Zuzahlung gilt für die ersten 28 Tage stationärer Versorgung in einem Kalenderjahr.

Patienten, die künftig ohne vorherige telefonische Beratung die Notfallambulanzen der Krankenhäuser aufsuchen, sollten laut Gaß ebenfalls zur Kasse gebeten werden. „Wer künftig ohne Kontaktaufnahme und Beratung durch die Leitstelle die Notfallzentren an den Krankenhäusern nutzt, sollte dafür eine Gebühr bezahlen. Ich finde 30 bis 40 Euro angemessen“, sagte Gaß.

116 117 soll Patientensteuerung fördern

Nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes haben im Jahr 2024 rund 13 Millionen Menschen in Deutschland eine Notfallambulanz im Krankenhaus aufgesucht, darunter auch Bagatellfälle. Die schwarz-rote Koalition plant nun, an dieser Stelle gegenzusteuern. So soll die Terminservicenummer 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigungen für die Hilfe in akuten Fällen ausgebaut werden. Ein Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung sieht zudem eine engere Vernetzung der 116 117 mit der Notfallnummer der Rettungsleitstellen 112 vor. So sollen Notfallpatienten zielgenauer in die jeweils erforderliche Versorgungsebene gesteuert werden können.

Hintergrund der Aktivitäten ist die Inanspruchnahme der Arztpraxen und Krankenhausambulanzen zu dämpfen. Die schwarz-rote Bundesregierung will im neuen Jahr eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung angehen. Ziel ist, den zuletzt immer schnelleren Ausgabenanstieg für die Versorgung zu begrenzen und weitere Beitragsanhebungen zu vermeiden.

Eine zehnköpfige Expertenkommission unter dem Vorsitz des Bielefelder Gesundheitsökonomen Dr. Wolfgang Greiner soll bis Ende März Vorschläge zur Stabilisierung ab dem Jahr 2027 vorlegen. Bis Ende 2026 sollen weitergehende Reformvorschläge folgen. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte deutlich gemacht, dass es um mehr Effizienz und Steuerung gehen soll. Alle Einnahmen und Ausgaben sollen auf den Prüfstand. Es werde Veränderungen „für alle“ geben, sagte sie. (af/dpa)

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