GroKo

Halbzeit-Bilanz in werbender Sprache

Union und SPD ziehen zur Halbzeit ihrer Regierungszeit ein Zwischenfazit: Vieles sei besser, attraktiver, schneller geworden, heißt es. Brisantes für Ärzte findet sich in den noch angedachten Vorhaben.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Als Union und SPD sich zur Neuauflage der GroKo durchrangen, ließen die Genossen eine Bestandsaufnahme zur Halbzeit in den Koalitionsvertrag aufnehmen.

Als Union und SPD sich zur Neuauflage der GroKo durchrangen, ließen die Genossen eine Bestandsaufnahme zur Halbzeit in den Koalitionsvertrag aufnehmen.

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Berlin. Zur Halbzeit der Legislaturperiode hat die Große Koalition (GroKo) von Union und SPD am Mittwoch ein erstes Fazit gezogen. In den vergangenen Wochen brachte Jens Spahn seine persönliche Zwischenbilanz als Gesundheitsminister auf einen kurzen Nenner: 19 Gesetze in 19 Monaten.

Beim offiziellen „Pausentee“ der GroKo am Mittwochvormittag in Berlin hat das Bundeskabinett das Gesamtprogramm unter die Lupe genommen. Die Gesundheits- und Pflegepolitik findet sich in dem 88-seitigen Papier, das der „Ärzte Zeitung“ vorliegt, unter Punkt 7: „Soziale Sicherheit gerecht und verlässlich gestalten“.

Besser, attraktiver, schneller

Dort wird das Programm, das der ehemalige Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Professor Karl Lauterbach (SPD) nach den Wahlen 2017 und den gescheiterten Verhandlungen von Union, FDP und Grünen für eine „Jamaika-Koalition“ ausgehandelt haben, in komprimierter Form abgearbeitet. Die Botschaft ist: Alles wird besser, attraktiver, schneller. Anders lässt es sich wohl nicht ausdrücken. Echte Belege fehlen zwangsläufig.

Startpunkte sind die Wiederherstellung der Parität von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Finanzierung der Krankenkassenbeiträge sowie die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung, um die ansteigenden Beiträge für die Pflegeversicherung zu kompensieren.

Und schon gehen die Bilanzbuchhalter über zur „Konzertierten Aktion Pflege“, mit der Ausbildung, Arbeitsalltag und Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert werden soll. Daran hängt auch das Pflegelöhneverbesserungsgesetz, das Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Pflegepolitik beigesteuert hat.

Die Bilanz bedient sich einer werbenden Sprache. So „macht die generalistische Pflegeausbildung den Pflegeberuf moderner und attraktiver“. Patienten „profitieren von Verbesserungen der Personalausstattung in Krankenhäusern“, die Hebammenausbildung „wird attraktiver“.

Ärzte-Aufreger TSVG

Nur kurz streift die Bilanz das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das die niedergelassenen Ärzte besonders bewegt hat. Gesetzlich Versicherte bekommen darüber „ schneller einen Termin beim Facharzt“. Die ärztliche Versorgung auf dem Land wird, man ahnt es schon, „verbessert“.

Auch das Angebot der elektronischen Patientenakte ab 2021 ist Thema. Überhaupt wird die Versorgung durch Telemedizin, E-Rezept und Gesundheits-Apps per ärztlicher Verordnung „digitaler“.

Sicherheit spielt ebenfalls eine Rolle: Mit dem „Gesetz für mehr Sicherheit in der Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten“ (GSAV) hat der Bund mehr Einfluss auf die Sicherheit der Arzneimittelversorgung und Kontrollen von Herstellern im Ausland erhalten. Skandale wie den um minderwertige Brustimplantate sollen der Vergangenheit angehören. Auch das ist Gegenstand eines Gesetzes, des Implantateregistergesetzes.

Brisantes unter „Was wir noch vorhaben“

Zur Sicherheit gehört auch das Masernschutzgesetz, mit dem Ärzte und das Personal in Gesundheitseinrichtungen zur Impfung verpflichtet sind. Um die Zahl der „Organspenden zu erhöhen“ hat die Koalition den Entnahmekrankenhäusern höhere Deckungsbeiträge für ihre Bemühungen zugesagt.

Unter der Überschrift „Was wir noch vorhaben“ kommt dann nicht mehr viel, dafür aber umso Brisanteres. So will die Koalition eine Reform der Vergütungssysteme für niedergelassene Ärzte zumindest „diskutieren“. Im kommenden Jahr soll die von der GroKo mit dem Koalitionsvertrag dafür eingesetzte Kommission liefern.

Auch die Notfallreform wird mit ein paar Zeilen bedacht. Zum Abschluss des sechsseitigen Kapitels wird noch einmal in die digitale Zukunft geblickt. Zum Beispiel dorthin, dass Patienten die elektronische Patientenakte ab 2021 auch per Smartphone nutzen können sollen, und auch in die Richtung neuer Behandlungsmöglichkeiten durch telemedizinische Anwendungen und vernetzte Versorgung.

Ärzte: Daumen runter für die Gesundheitspolitik

Viele Ärzte sind mit der Gesundheitspolitik der Bundesregierung nicht einverstanden, wie Ergebnisse des MLP-Gesundheitsreports offenlegten. Eine Mehrheit der befragten Mediziner sieht in den vielen Gesetzen mehr Masse und nicht zwingend auch Klasse.

67 Prozent der Ärzte haben von der Gesundheitspolitik keinen guten Eindruck, 70 Prozent sehen einen umfassenden Reformbedarf. (Mitarbeit: ths)

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