"Ich bin es leid zu hören, die KBV habe versagt"

Am Ende bescheinigte ihm der Vorsitzende, sich "hervorragend geschlagen zu haben". Den Applaus der Abgeordnetenversammlung in Schleswig-Holstein aber musste sich KBV-Chef Dr. Andreas Köhler hart erkämpfen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

"Es kann sein, dass ich mich heute um Kopf und Kragen rede": Wer einen Auftritt mit diesen Worten beginnt, hat meistens Dampf abzulassen. Und tatsächlich hatte sich bei Köhler einiges aufgestaut. Nicht nur, weil die Honorarreform in vielen Teilen der Republik von den Ärzten zerpflückt wird. Hinzu kommt, dass Köhler persönlich massiv angegangen wird. Auch an diesem Tag. Morgens hatte sich Köhler die Kritik aus Nordrhein angehört, nun in Schleswig-Holstein.

Schleswig-Holsteiner fühlen sich verraten und verkauft

Die kommissarische Vorsitzende Dr. Ingeborg Kreuz redete nicht lange um den heißen Brei: "Wir fühlen uns verraten und verkauft", sagte Kreuz an die Adresse Köhlers. Schlimmer noch: Kreuz berichtete von einem massiven Vertrauensverlust der Ärzte in die KBV. Ihr Vorstandskollege Dr. Ralph Ennenbach setzte noch einen drauf: "Eine KBV ohne Vertrauen ist eine KBV ohne Zukunft".

Der Vorstand traf damit den Nerv der Abgeordneten und der Zuhörer. Landarzt Carl Culemeyer etwa forderte von Köhler: "Heilen Sie das Desaster oder treten Sie zurück." Was die Ärzte im Norden so in Rage bringt, hat auch, aber nicht nur mit Honorar zu tun: Der für Schleswig-Holstein prognostizierte Zuwachs von 3,9 Prozent für zwei Jahre reicht nach ihren Berechnungen nicht aus, die Unterversorgung zu stoppen.

Zugleich fühlen sie sich als "nützliche Idioten", weil sie in der Vergangenheit im Vergleich zu anderen KVen wenige Leistungen abgerechnet und damit den Punktwert angehoben hatten. Gewinner der Honorarreform aber sind im Westen ausgerechnet die KVen, in denen der Punktwert nicht durch dieses Verhalten gestützt wurde und die damit gegen den Rat der KBV gehandelt hatten.

Die KV gab zu bedenken, dass dies nicht nur Folgen für die Ärzte hat: "Es geht auch um die Versorgungsmenge für die Kranken", gab Dr. Uwe Bannert zu bedenken. Drittens schließlich ärgern sich die Ärzte über die Informationsstrategie der KBV, die den Abschluss trotz solcher Probleme öffentlich als Erfolg verkauft - und es damit den Ärzten praktisch unmöglich macht, ihren Patienten zu erklären, weshalb dennoch keine Entspannung in der Versorgungssituation eintritt.

Köhler blieb auch in der erhitzten Atmosphäre bei seiner Linie: der Abschluss ist unter den gegebenen Bedingungen nach seiner Ansicht ein Erfolg. Das Lösen von Kopfpauschalen und Budgets, die Angleichung im Osten ohne Abfluss im Westen - diese Bedingungen seien schließlich erfüllt worden, gab Köhler zu bedenken. "Den Betrag, der ins System fließt, können Sie nicht leugnen", stellte Köhler fest.

Aber: Das Ziel, den drei KVen Nordrhein, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz durch einen Korrekturfaktor ein besseres Ergebnis zu bescheren, räumte Köhler ein, sei in den Verhandlungen nicht durchzusetzen gewesen. Als Prügelknabe will er deshalb aber nicht länger herhalten: "Ich bin es leid, dass es heißt, die KBV habe versagt." Nach seiner Darstellung bestand in den Verhandlungen nach oben kein weiterer Spielraum für die Ärzte, wohl aber das Risiko eines deutlich schlechteren Abschlusses. Dennoch versprach Köhler, sich bei einem heutigen Termin im Gesundheitsministerium erneut für den Korrekturfaktor einzusetzen. Nach Berechnungen der Schleswig-Holsteiner müsste dies ohne nennenswerte Verluste für die anderen KVen gelingen.

"Gesamtpaket sollte nicht mehr aufgeschnürt werden"

Köhler stellte aber auch klar, dass das Gesamtpaket nicht mehr aufgeschnürt werden sollte. Die Schleswig-Holsteiner setzen zugleich auf politischen Druck über das Land - denn die Versorgungssituation wird sich sonst nach ihrer Auffassung eher verschlechtern. Die Berufsverbände im Norden haben bereits Alarm geschlagen und warnen: "Eine verbesserte Patientenversorgung rückt damit in weite Ferne."

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