Von wegen Hausärztemangel

In Thüringen steht Nachfolge in Startlöchern

Jahrelange Bemühungen tragen Früchte: In Thüringen wurde das Problem des Hausarztmangels früh erkannt - und gegengesteuert. Heute liegt die Nachbesetzungsquote bei Allgemeinmedizinern, die in Ruhestand gehen, bei 98 Prozent.

Von Katrin Zeiß Veröffentlicht:

WEIMAR. In der bundesweiten Debatte um einen Hausärztemangel vor allem auf dem Land schwimmt Thüringen gegen den Strom.

Vom Krisenszenario, wonach jeder zweite Arztsitz auf dem Land nicht nachbesetzt werden könne, sei der Freistaat weit entfernt, so die Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT), Annette Rommel.

"Ich bleibe dabei, wir haben keinen Hausärztemangel", sagte sie bei der Vorstellung einer von der KVT vorgenommenen Analyse zur ärztlichen Versorgung in Thüringen.

Auch nach Meinung gesetzlicher Krankenkassen und des Thüringer Sozialministeriums tragen die jahrelangen Bemühungen, junge Mediziner als Hausärzte zu gewinnen, jetzt endlich Früchte. Die ärztliche Grundversorgung auf dem Land sei sichergestellt, heißt es von der Barmer GEK.

Wichtigster Beleg für diese These: So gut wie jeder in den Ruhestand gehende Hausarzt findet Rommel zufolge derzeit einen Praxisnachfolger, die Nachbesetzungsquote liege bei 98 Prozent.

Weiter als zehn Kilometer muss kein Thüringer zur nächstgelegenen Arztpraxis fahren. Die Zahl der unbesetzten Hausarztsitze ist auf 55 gesunken - bei rund 1500 Hausarztpraxen in Thüringen insgesamt eine sehr geringe Zahl. Vor drei Jahren, als die ärztliche Bedarfsplanung neu zugeschnitten wurde, waren es noch rund 20 mehr.

Dichtes Netz an Hausarztpraxen

Im ländlich geprägten Thüringen mit zwei Millionen Einwohnern praktizieren derzeit demnach rund 700 Ärzte auf dem Land, darunter sind 564 Hausärzte. In 318 ländlichen Orten gibt es Hausarztpraxen.

Von den in Thüringen insgesamt eingerichteten 119 hausärztlichen Zweigpraxen entfallen 80 auf Dörfer, Verwaltungsgemeinschaften oder kleine Städte. "Das Netz an Hausarztpraxen ist dichter als das Schulnetz oder das Netz an Polizeidienststellen", so formuliert es Rommel.

Lediglich das dicht gewobene Kindergartennetz könne mit dem der ärztlichen Versorgung noch mithalten, betont sie.

Über die Gründe für die positive Entwicklung sind sich KVT, Kassen und Ministerium weitgehend einig. Thüringen habe das Thema Ärztemangel schon frühzeitig erkannt, sagte Rommel.

"Schon frühzeitig hat die KV gemeinsam mit den Krankenkassen mit gezielten Maßnahmen gegengesteuert", heißt es von der Barmer GEK. In der Tat treibt das Thema die KVT seit der Jahrtausendwende um, als es bundesweit noch kaum diskutiert wurde.

Ärztevertretung und Krankenkassen begannen denn auch frühzeitig, mit gezielten Maßnahmen gegenzusteuern. Sie legten etwa Zuschüsse für Praxisübernahmen in vom Landesausschuss unterversorgt erklärten Gebieten auf.

Die Nachwuchsförderung kam 2009 richtig ins Laufen, damals gründeten Land und KVT die Stiftung zur Förderung ambulanter Medizin. Sie richtet unter anderem das "Thüringen-Stipendium" für angehende Haus- und Augenärzte aus und betreibt Eigeneinrichtungen mit angestellten Ärzten.

"Weitgehend zufriedenstellende Situation"

Die Barmer GEK verweist aber auch auf die verbesserte Vergütungssituation für Vertragsärzte in Thüringen.

In den Honorarberichten der KBV tummeln sich die Thüringer Hausärzte seit einigen Jahren beim Praxisumsatz regelmäßig im Spitzenfeld - was nicht nur daran liegt, dass Thüringer Ärzte laut KVT im Schnitt ein Drittel mehr Patienten als im Bundesdurchschnitt zu versorgen haben.

Auch reale Honorarsteigerungen trügen dazu bei, so die Barmer GEK. "Die Niederlassung ist in Thüringen eben auch finanziell sehr attraktiv", sagt deren Thüringer Sprecher Robert Büssow.

Trotz der derzeit "weitgehend zufriedenstellenden" Situation gebe es jedoch keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen, heißt es aus dem Thüringer Sozialministerium. Immerhin liegt der Altersdurchschnitt der Thüringer Haus- und Fachärzte bei 55 Jahren.

Umso wichtiger fände es die KVT, dass das Land sein erst vor zwei Jahren aufgelegtes Förderprogramm für Praxisgründer im ländlichen Raum fortsetzt.

Doch danach sieht es nicht aus. Das Programm laufe zum Jahresende aus, sagt ein Ministeriumssprecher. Das Land prüfe derzeit, die dafür bereitgestellten Mittel lieber in die Arbeit der Stiftung zur Förderung ambulanter Medizin zu stecken.

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