Institut für medizinische Soziologie vor dem Aus

Der Protest vieler Ärzte blieb ungehört. Die Frankfurter Goethe-Universität schließt ihr Institut für medizinische Soziologie. Grund: die Rotstiftpolitik des Landes Hessen.

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Im Schatten der Hochhäuser: Das Institut für medizinische Soziologie an der Uniklinik Frankfurt wird geschlossen.

Im Schatten der Hochhäuser: Das Institut für medizinische Soziologie an der Uniklinik Frankfurt wird geschlossen.

© Martin Winter / imago

FRANKFURT/MAIN (Smi). Das Institut für Medizinische Soziologie an der Goethe-Universität wird als eigenständige Einrichtung geschlossen. Das hat der Fachbereichsrat Medizin in seiner letzten Sitzung beschlossen, wie dessen Vorstand auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" bestätigte.

Das Frankfurter Institut war 1973 als das bundesweit erste seiner Art gegründet worden. Viele Ärzte hatten sich in den vergangenen Monaten gegen seine Schließung ausgesprochen.

Aufgrund der Budgetkürzungen des Landes Hessen muss die Universität Frankfurt am Main insgesamt zehn Millionen Euro einsparen, davon entfallen 1,65 Millionen Euro auf den Fachbereich Medizin. Durch die Schließung des Instituts für Soziologie erhofft sich der Fachbereichsrat eine Einsparung von zehn Prozent.

Die bereits seit Jahren vakante Professur für Medizinische Soziologie wird nicht mehr besetzt, teilte der Fachbereichsvorstand mit. Lehre und Forschung sollen jedoch weiterhin bestehen. Die Medizinische Soziologie soll als eigenständiger Teilbereich erhalten bleiben und der Vorklinik zugerechnet werden.

Um den Lehrbetrieb eigenständig weiterführen zu können, werde man zwei unbefristete wissenschaftliche Mitarbeiterstellen schaffen. Angestellte des Instituts sollen am Institut für Medizinische Psychologie und am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin weiterbeschäftigt werden. Darüber hinaus will man sich um Mittel für eine Stiftungsprofessur bemühen.

In den vergangenen Monaten hatten sich bundesweit Ärzte für den Erhalt des Instituts eingesetzt. Professor Hans-Ulrich Deppe, bis zu seiner Emeritierung 2004 Direktor des Instituts, warnte vor seiner Schließung, weil damit "eine ganze Dimension der Medizin wegbrechen" werde, "nämlich die psychosoziale Komponente, die wir mühsam in die Medizin hereingebracht haben".

Auch die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie und die Deutsche Gesellschaft für Soziologie haben sich für einen Erhalt des Instituts stark gemacht, da der Frankfurter Medizinsoziologie sowohl für die Medizinischen Fakultäten Deutschlands als auch für die Goethe-Universität selbst "eine Schlüsselfunktion" innewohne.

Professor Wulf Dietrich, Vorsitzender des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland, fürchtet, dass mit der Schließung des Instituts das Verständnis von Medizin weiter eingeengt werde - "weg von einer Medizin als sozialer Wissenschaft, hin zu einem einseitig naturwissenschaftlich und hoch technisierten Bild von Medizin, das aus Medizinstudierenden vielleicht gute Techniker und Handwerker, aber keine guten Ärzte machen wird".

Forschungsschwerpunkt des Frankfurter Instituts für Medizinische Soziologie war die Analyse von Gesundheitssystemen, insbesondere der Vergleich von Gesundheitssystemen verschiedener Länder, um in puncto Qualitätssicherung und Finanzierung voneinander zu lernen.

Einzigartig ist die Bibliothek, die das Institut seit seiner Gründung Anfang der 1970er Jahre aufgebaut hat. Zumindest sie soll, wie der Fachbereichsvorstand zusichert, erhalten bleiben.

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