Arztmangel vorbeugen
KBV fordert Grundsatzdebatte über die Bedarfsplanung
Die KBV gibt sich streitlustig. Sie fordert eine gesamtgesellschaftliche Debatte über den Bedarf an Ärzten.
Veröffentlicht:BERLIN. Demografischer Wandel, Landflucht und Urbanisierung verändern das Bild Deutschlands. In allen Bundesländern gibt es Gegenden, aus denen die Infrastruktur abzieht. Die vertragsärztliche Bedarfsplanung hat dieser Entwicklung wenig entgegenzusetzen.
Wissenschaftler haben sich daher von der Fiktion einer punktgenauen Messung vertragsärztlichen Versorgungsbedarfs verabschiedet: "Bedarfsplanung wird ein iterativer, offener Lern-, Entwicklungs- und Systemgestaltungsprozess", heißt es zum Beispiel in einem Beitrag des Magdeburger Sozialmediziners Professor Bernt-Peter Robra für den AOK-Krankenhaus-Report 2018. An die Stelle der Bedarfsplanung solle ein Bedarfsmanagement treten.
Auch die Vertragsärzte setzen das Thema auf die Agenda. "Ärzte können den Trend der Landflucht nicht stoppen", sagte KBV-Chef Andreas Gassen in dieser Woche vor Journalisten in Potsdam. Die Anreize zur Niederlassung in schlecht versorgten Gebieten seien ausgereizt, sagten die KBV-Vertreter. Selbst Antrittsgelder in Höhe von 100.000 Euro und garantierte Einzelleistungsvergütung zumindest für Hausärzte zum Beispiel in Teilregionen der neuen Bundesländer scheinen ihre Steuerungswirkung schon wieder zu verlieren.
Gassens Stellvertreter Dr. Stephan Hofmeister stellte gar in Abrede, dass es jemals eine vertragsärztliche Bedarfsplanung gegeben habe. "Die Bedarfsplanung alt ist keine!", sagte Hofmeister. Das 1993 aufgesetzte und seither mehrfach reformierte System, die Zahl der Köpfe der Bevölkerung in ein Verhältnis zur Zahl der Ärzte zu setzen, habe nichts mit Bedarfsplanung zu tun, auch wenn Faktoren wie Alter und Geschlecht einbezogen würden. Es sei schlichte Kopfzahlbegrenzung. "Wir haben noch nicht einmal angefangen, festzustellen, was der Bedarf ist", stellte der KBV-Vize fest.
Union und SPD drängen im Koalitionsvertrag darauf, die Bedarfsplanung kleinräumiger, bedarfsgerechter und flexibler zu gestalten. Zudem soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Vorschläge für eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung entwerfen. "Der Koalitionsvertrag löst an dieser Stelle kein Problem", lautet die Reaktion der KBV-Spitzen. "Bedarfsplanung backt keine Ärzte."
In die politische Diskussion will sich die KBV gleichwohl einschalten. Ihre Formel lautet: Wie viel Vollzeitäquivalent an Arzt pro wie viel Mensch bei welcher Entfernung? Zudem müsse die ärztliche Versorgung als Teil der Daseinsvorsorge betrachtet werden. Eine Debatte darüber müsse gesamtgesellschaftlich geführt werden. Dazu gehöre das Thema Gesundheitsbildung.
Ärzte in Zahlen
» 118.346 niedergelassene Ärzte hat die Bundesärztekammer Ende 2017 vermeldet.
» Das sind 1285 weniger als ein Jahr zuvor.
» Mindestens 33,9 Prozent der niedergelassenen Ärzte sind bereits 60 Jahre alt.
Quelle: BÄK
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